Donnerstag, 31. März 2022

April Freeze

Draußen kalt macht es drinnen umso gemütlicher

Das Busfahren zur Schule hat viele positive Effekte - darunter, dass ich meine Umwelt bewusster wahrnehmen kann, als wenn ich einfach nur im Auto von A nach B fahre, immer nur mit dem Ziel im Blick, so dass ich die Reise vollkommen ignoriere. Busfahren entschleunigt mein Leben, und dafür bin ich sehr dankbar. Heute an der Bushaltestelle Lüderitzstraße ist mir bewusst geworden, wie kalt es auf einmal geworden ist; das ist insofern ungewöhnlich, als dass Aspis eine veränderte Wahrnehmung von Hitze und Kälte haben (zu intensiv oder fast gleichgültig). Mich kümmert die Temperatur eigentlich nicht.

Ein wenig Schnee gab es ja heute auch in Kiel - allerdings habe ich eben im Fernsehen die Bilder von der Westküste gesehen, da ist Einiges mehr runtergekommen. Die große Buba und Sannitanic, ist Pellworm eingeschneit? Hier ist es also zum großen Teil trocken geblieben, aber der Wind war sehr kalt zu spüren, und ich habe es genossen. Mal schauen, wie dieser Frühling sich so entwickelt.

post scriptum: Morgen wird spannend, Gesprächstermin, und die Ausschreibung zur Projektwoche ist herumgegangen. Viele Ideen im Kopf, viele Gedanken - morgen wird ein Meditationstag.

Mittwoch, 30. März 2022

Home Improvement: Am Netz

Endlich besser sehen

Wenn man sich in der eigenen Wohnung nicht mehr wohlfühlt, wird es Zeit, das zu ändern - denn die Wohnung ist mein Rückzugsort, und wenn ich dort keinen safe space habe, wo dann?

Manchmal realisiere ich gar nicht, wo es Verbesserungspotential gibt, und das wurde mir in den letzten Tagen vor Augen geführt: Seitdem ich in dieser Wohnung lebe, habe ich Probleme mit dem Internet. Die Verbindungen brechen zusammen, das Netz ist langsam, und Streaming ist kein Genuss, wenn man einen Großteil des Films nur stark verpixelt sehen kann. Ich habe diesen Zustand hingenommen, ohne auf die Idee zu kommen, daran etwas zu ändern zu versuchen.

Irgendwann war dann mal ein Telekom-Mensch in unserem Haus, hat sich durch die Wohnungen geklingelt, um neue Kunden zu gewinnen. Auch bei mir; ich lasse ihn erstmal fünf Minuten seinen sales pitch runterrattern, bevor ich ihm sage, dass ich bereits Kunde bei der Telekom bin, ich hatte vor zwei Jahren gewechselt. Dann kam die Nachfrage, ob ich denn zufrieden mit dem Vertrag sei, und ich habe ihm gesagt, dass das Internet in der Wohnung mich überhaupt nicht glücklich macht, und dabei sollte ich doch eigentlich eine hohe Datenübertragungsrate haben.

Dann weist mich der Herr auf die Leistungsgarantie der Telekom hin, und dass ich Schadensersatz fordern könne, wenn die versprochene Leistung nicht erfüllt wird. Er erklärt mir nochmal die genauen Bedingungen, und dabei fällt der Ausdruck "...mit einer LAN-Verbindung..." - denn nur dann wird die Geschwindigkeit garantiert. 

Mir ist nie so recht bewusst geworden, dass ich in der Wohnung ausschließlich WLAN nutze. Vielleicht, weil es so einfach und unkompliziert ist, in der Theorie, und mein derzeitiger Computer hat keinen LAN-Eingang. Ging doch irgendwie bisher. Also ist mein Plan, die Wohnung umzurüsten - zumindest die Geräte, die auf Internetkonnektivität angewiesen sind. Erster Schritt war ein Ethernet-Adapter für den Amazon Fire TV Stick, der bis dato nur über WLAN gearbeitet hat - und weil die Funkverbindungen in meiner Wohnung nicht toll funktionieren, hatte ich eben Pixelstreaming. 

Jetzt läuft das Ganze über Netzwerkkabel, und es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht - seitdem habe ich keinen einzigen Unschärfe-Pixel bei'm Streaming entdecken können, kann sogar UHD genießen. Und ich frage mich mal wieder, warum ich mir so lange im Weg gestanden habe. Wie dem auch sei; fest steht, dass mein zukünftiger Computer auf jeden Fall einen LAN-Eingang braucht! 

Und ich fühle mich ein bisschen wohler in meiner Wohnung.

Montag, 28. März 2022

Hilfe!!


Liebe Kollegen, Leser, Freunde, Familie!

So, wie es aussieht, kann ich nicht an der Schule bleiben. Es wird kein Englisch(/Latein-)lehrer mehr benötigt. Um überhaupt eine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung zu haben, braucht mein Schulleiter als Argument meine Autismusdiagnose. Die fehlt nach wie vor; ich war vor zwei Jahren im ZiP in Lübeck zur Testung, habe dort in den einschlägigen Fragebögen die Cutoff-Werte erreicht, aber weil ich in dem einstündigen Vorstellungsgespräch "zu normal" war, wurden die Fragebögen gar nicht erst berücksichtigt. 

Wie könnt Ihr helfen?

Schaut Euch in Eurem Bekanntenkreis um: Kennt Ihr einen Psychiater oder Psychologen, der sich mit Autismusdiagnostik befasst (genauer: Asperger-Syndrom)? Ich brauche mindestens eine neue Meinung zu dem, was das ZiP mir damals gegeben hat. 

Es ist wirklich dringend. Ich werde im Sommer neununddreißig, bin seit zehn Jahren im Schuldienst und habe immer noch keine feste Stelle, und wir dürfen davon ausgehen, dass ich keine andere Schule finden werde, die mich haben möchte - sind Erfahrungswerte, ich bin zu weit jenseits der Lehrernorm; fünf Schulen haben mir das sehr deutlich mitgeteilt. Es sieht leider so aus: Diese Schule oder Lehrberuf an den Nagel hängen.

Wenn Ihr mir also irgendwelche Ärzte nennen könntet, würde mir das sehr weiterhelfen!!!

Liebe Grüße,

Dr Hilarius

ps.: Wenn ich Euch derzeit in der Schule nicht grüße, bitte nicht persönlich nehmen. In der "Alles bricht zusammen"-Phase möchte ich am liebsten niemanden anschauen müssen, das hat nichts mit Euch zu tun!!

Freitag, 25. März 2022

Seelenwärmer


"Hold on to your Tättahs!"

Dieser Tage fragen Schüler mich in der Schule, wie es mir geht, und ich antworte ihnen ganz ehrlich darauf. Die Stimmung ist so niedrig, dass sie unter dem Teppich Fallschirmspringen kann. Stressbedingte Magenkrämpfe. Alles, was dazugehört.

Deswegen freue ich mich riesig, dass heute die Erde bebt. Die große Buba äi käi äi Fhett La Schnäck ist von Pellworm nach Kiel gerollt und wir können zwei Tage Ablenkung betreiben. Selten war ich so erleichtert, dass sie kommt. Und sie bringt Begleitung mit: In ihrem Kopf sitzt schon ihr ganzes Leben lang die Migräne mit dem Namen Medusa. Nun taucht sie allerdings auch mal in der anderen Kopfhälfte auf, extra fies, da brauchte sie einen neuen Namen und hat - passend - sich für Stheno entschieden. Zwei Migräne-Bitches kämpfen also in ihrem wirren Kopf um Vorherrschaft. Heute haben sie hoffentlich keinen Auftritt, wenn das Beben mit obigem Schlachtruf unser Haus zum Einstürzen bringen wird.

Das war alles. Es war positiv, deswegen wollte ich das loswerden.

Dienstag, 22. März 2022

OMG!!! (Asperger-Vokabular)

Was passiert im Kopf vor, während und nach der Explosion?

vorweg: Ich schreibe in diesem Artikel immer von dem Asperger-Syndrom, dabei kommen die drei beschriebenen Phasen in allen Formen der Autismus-Spektrums-Störung vor.

Ach herrje, verschrieben - gemeint war OMS!!! Zeit für ein bisschen Aspi-Vokabular, und O-M-S steht für eine klassische Abfolge von emotionalen Zuständen bei einem typischen Aspi-Wutausbruch oder einer Panikattacke. Das könnte interessant sein für diejenigen von uns, die einen Aspi unterrichten oder Umgang mit ihnen haben. Übrigens, dass ich immer DER Aspi sage, liegt nicht nur daran, dass ich gern das generische Maskulinum verwende; Jungen und Männer sind achtmal häufiger von dem Asperger-Syndrom betroffen als Mädchen und Frauen. Und wo wir schon bei der Aufklärung sind: Autismus ist KEINE Krankheit (sondern eine Behinderung, die man nicht mal eben als Nebenwirkung von Impfungen bekommen kann und die auch nicht geheilt oder behandelt werden kann), und es ist eher kontraproduktiv zu sagen, jemand LEIDE an Autismus (Wenn Autisten an etwas leiden, dann an der Art und Weise, wie ihre Mitmenschen mit ihnen umgehen).

1.Phase: Overload (Überladung)

Es passiert zu viel zur selben Zeit: Visuelle Impulse, unerwartete Anblicke, zu viele Geräusche, zu viele verschiedene Stimmen und Sachen, die im Kopf ablaufen. Da diese Dinge nicht abgearbeitet werden können, stapeln sie sich im Aspi-Kopf und er rast exponentiell auf die zweite Phase zu. Bei mir merkt man es daran, dass ich ruhig werde und nicht mehr rede. Sollte ein Aspi-Schüler in dieser Phase Stimming betreiben (repetitive Bewegungen, Schaukeln mit dem Körper, mit den Händen wedeln, summende Geräusche von sich geben und so weiter), sollte man ihn das tun lassen, denn das ist die beste Art, der nächsten Phase vorzubeugen.

2.Phase: Meltdown (Kernschmelze)

Dieser Phase vorzubeugen, scheint einfacher zu werden, wenn man älter wird, aber ganz lässt es sich nicht vermeiden, dass der Input-Overload zu einem Ausbruch führt. Der Aspi schreit oder schlägt um sich oder bricht in Weinkrämpfe aus - oder alles zusammen. Er sieht keine andere Möglichkeit, sich gegen die vielen Gedanken zu wehren. Von außen wird dieses Verhalten oft als überdramatisch gesehen - was daran liegen könnte, dass es für den Aspi dramatisch ist.

3.Phase: Shutdown (Abschaltung)

Manchmal macht der Aspi nach dem Wutausbruch komplett dicht. Er redet nicht mehr, wendet sich von allem ab. Man sollte ihn jetzt in Ruhe lassen, bis er von sich aus wieder den Kontakt sucht oder es zumindest zulässt, dass man ihn anspricht. Bei mir dauert diese Phase je nach Intensität des Meltdown zwischen drei Stunden und drei Tagen.

Ich fand es interessant, das vor einigen Wochen zu lesen, weil ich es bei mir selbst immer wieder beobachten kann, sei es nun bei einem Wutausbruch im Klassenzimmer (dann gewöhnlich ohne die Shutdown-Phase), bei einer Panikattacke (die bei einem Overload gewöhnlich mit Stimming abgefangen wird) oder bei einem Nervenzusammenbruch. In letzterem Fall beobachte ich bei mir alle drei Phasen, und ich erzähle als Beispiel von jenem Zusammenbruch vor einigen Jahren, von dem ich vorgestern geschrieben hatte.

An jener Schule hatte ich angefangen mit der Aussicht, über eine Vertretung hinaus nach Ablauf des Schuljahres eine Planstelle zu bekommen, oder zumindest eine Verlängerung. Auf dieser Gewissheit hatte ich meine Schulzeit aufgebaut, das hat mir etwas Sicherheit gegeben und vor allem dabei geholfen, dass ich entgegen dringender Bitten ausschließlich in den Klassenstufen Fünf bis Sieben eingesetzt worden bin. 

Dort ist es zwar zweimal zu den Overload-bedingten Wutausbrüchen gekommen - Schüler von allen Seiten geben mir zu viele Impulse, die ich nicht verarbeiten kann, ich spiele mit etwas oder knacke mit meinen Fingern, um mich zu beruhigen (Stimming), manchmal reicht das aber nicht und dann schreie ich für Schüler völlig unerwartet alles heraus. Termin bei der Schulleitung.

Die wirklich interessante Szene kam aber, als ich kurz nach den Osterferien bei der Schulleitung saß, um das nächste Schuljahr ein wenig zu planen - welche Projekte oder AGs ich vielleicht machen könnte. Der SL reagierte ein wenig verwirrt:

"Wieso nächstes Jahr? Ich dachte, dein Vertrag läuft zum Ende des Schuljahres aus?"

Erster gedanklicher Stolperstein, Zug entgleist zwar noch nicht vollkommen, aber ich blicke mich etwas hilflos im Büro um, um den Faden wiederzufinden, und sage:

"Naja, XY meinte bei der Einstellung zu mir, dass ich länger bleiben kann."

"Das kann ich mir gar nicht vorstellen, wir haben genug Englischlehrer, mit deiner Fächerkombination bist du nicht mehr interessant für uns."

Overload: Das sind zu viele Gedanken auf einmal, die ich nicht verarbeiten kann. Ich bin nicht mehr als eine Fächerkombination? Warum hat XY gesagt, ich könne bleiben? Warum weiß der (neue) SL nichts davon? Arbeitslosigkeit. Antrag stellen. Wieder eine neue Schule suchen. Ich rede nicht mehr. Ich schaue mich hektischer im Raum um, mein SL legt nach:

"Deswegen haben wir dich auch fest bei der Verabschiedung im Sommer eingeplant, weißt du nichts davon?"

"Nein. Ich möchte nicht zu der Verabschiedung kommen. Ich möchte mir nicht schon wieder anhören müssen, dass ich doch bestimmt schnell eine neue Schule finde. Kannst du mich da bitte ausplanen."

"Also das fände ich jetzt aber nicht in Ordnung von dir. Die Kollegen möchten sich schließlich von dir verabschieden können."

Meltdown: Jetzt bekomme ich auch noch den schwarzen Peter zugeschoben. Dafür, dass ich mich der Demütigung im Kollegium nicht aussetzen möchte. Fuck you. Ich merke, wie meine Gesichtsmuskeln sich verkrümmen. Ich möchte etwas gegen die Wand werfen und laut werden. 

"Ich gehe dann mal, wenn es nichts weiter gibt."

Das sage ich zu dem Standventilator in der Ecke, weil ich meinen SL jetzt nicht anschauen kann. Ich nehme meine Sachen, schaue konsequent auf den Fußboden und navigiere meinen Weg durch das Schulgebäude in mein Auto. Auf der Fahrt nach Hause fange ich an zu heulen, kann mich kaum auf den Verkehr konzentrieren, versuche noch irgendwie durchzuhalten.

Zuhause angekommen folgt dann der totale Zusammenbruch. Egal, was ich mache, Videospiele, Musik hören, baden, ich kann nicht mehr aufhören mit den Tränen und mein Körper verkrampft immer weiter. Drei Stunden später wird es endlich weniger. Ich ziehe das Telefon raus, verziehe mich in die Videospiele und bekomme von meiner Umwelt nichts mehr mit.

Shutdown: Drei Tage lasse ich das Telefon ausgestöpselt, lese keine Mails und öffne keine Briefe mehr. Ich versuche jeglichen Input von außen zu vermeiden, ich will niemanden sehen, hören oder lesen, ich will einfach nur meinen Kopf aufräumen und wieder zur Ruhe kommen. Diese Phase ist besonders schlimm, denn jeder Brief, der durch den Schlitz geschoben wird, und jede neue Nachricht, die mir angezeigt wird, erhöht den Druck auf meinen Schultern.

Drei Tage später bin ich wieder in Ordnung. Das Telefon lasse ich weiter abgeschaltet, brauche ich nicht. In der Schule schaue ich nur noch auf den Boden, habe mein weißes Outfit an, die Schüler wissen, was das bedeutet.

Das ist bisher nicht nur einmal vorgekommen. So ging es mir nach meiner mündlichen Examensprüfung in Englisch, so ging es mir nach meinem Dienstleitergutachten im Referendariat und insgesamt an fünf von sieben Schulen. SPO nicht, und KGS auch nicht.

Was bedeutet das für uns als Lehrer? Mit etwas Glück hat der Aspi eine Schulbegleitung, die genau weiß, was zu tun ist. Ansonsten: Sobald sich der Meltdown ankündigt (auf repetitives Verhalten zur Beruhigung achten) - und spätestens danach, den Schüler von der Lerngruppe isolieren, ihn in eine ruhige Ecke bringen, am besten einen isolierten Raum, zur Not Kopfhörer aufsetzen, damit er nichts hören muss, und ihn zehn bis zwanzig Minuten beruhigen lassen. 

Und nicht mit blöden Sprüchen kommen wie "Daran muss er sich gewöhnen, so ist das Leben nun mal."

post scriptum: Jemand hat mir gesagt, dass das Schulsystem uns alle kaputt mache. Ich dachte erst, dass das nur eine der üblichen Phrasen sei, mit denen man um sich wirft - aber es scheint eine ganze Menge mehr dran zu sein. Vielleicht wäre der Austritt aus dem Schulsystem eine Möglichkeit, sich dem nicht mehr auszusetzen und fertig machen zu lassen.

Samstag, 19. März 2022

Wer will hier was?


Das Ministerialdeutsch ist für einen Autisten absoluter Irrsinn. Jüngst ging mal wieder ein Brief vom Bildungsministerium heraus. Das Foto oben zeigt eine Formulierung, die typisch für das Ministerium ist, die mich aber immer wieder auf's Neue irritiert: 

"Im Rahmen der Umfrage wollen Sie bitte mitteilen, wie viele Tests Sie aktuell an Ihrer Schule zur Verfügung haben und wie viele Sie zuletzt bestellt haben. Sodann wollen Sie bitte mitteilen..."

Sodann wollen Sie bitte mitteilen? Woher weiß das Ministerium, was ich will? Oder soll ich das als altphilologischen noli me tangere-Imperativ auffassen? Und ich dachte, ich schreibe komisch! Warum ist man nicht einfach sachlich-klar: Die verbeamteten Lehrer stehen in einem Dienstverhältnis und haben Anweisungen von oben entgegenzunehmen. Fertig. Warum nicht:

"Bitte teilen Sie uns in der Umfrage mit, wie viele Tests sie..."

Das ist höflich und normal. 

Wollen wir nicht alle normal sein?

Freitag, 18. März 2022

"...nicht mehr interessant..."


"Leider bist du mit deiner Fächerkombination nicht mehr interessant für uns."

Diesen Satz habe ich vor einigen Jahren an einer anderen Schule aus dem Mund meiner Schulleitung gehört und war dann ein Wochenende lang für niemanden erreichbar. Sollte das irgendwann einmal wieder passieren, macht Euch bitte keine Sorgen um mich.

Es ist deprimierend, dass man in unserem Schulsystem eigentlich nichts weiter als eine Fächerkombination ist. Das erinnert mich an Shirley Jacksons wunderbare Kurzgeschichte My Life With R. H. Macy (1948), in der die Hauptfigur am Ende völlig desillusioniert ihren Job kündigt, weil sie nur noch eine Zahl in der Verwaltung geworden war. Den letzten Absatz möchte ich hier gern wiedergeben:

"I wrote Macy's a long letter, and I signed it with all my numbers added together and divided by 11,700, which is the number of employees in Macy's. I wonder if they miss me."

post scriptum: Bitte NICHTS zwischen den Zeilen zu lesen versuchen!!!

paulo post scriptum: Immerhin ein comic relief, ich habe heute herausgefunden, wofür ich den "Abgrund Schüler" brauche. 


Sehr cool übrigens auch die "Rebellion Gardenia", ich stelle mir vor, wie mein Garten aus Blumen sich zum Krieg gegen mich erhebt. Fantasie hat Dr Hilarius - also kann er kein Aspi sein. Es bleibt spannend.

Mittwoch, 16. März 2022

Underwhelmed & Overexcited

Ein Kessel bunter Ideen wartet...

Underwhelmed because...

...ich glaube, ich habe mittlerweile zu viele Science Fiction-Stories gelesen, gesehen, erlebt, wie auch immer. Das Gefühl, den Plot irgendwo schonmal gesehen zu haben, tritt immer häufiger auf. Das macht es schwer, diesem Aspi etwas zu schenken, was ihn wirklich beeindruckt: Die große Buba ist über zwei moderne SciFi-Romane gestolpert (sie frisst Literatur, dafür bewundere ich sie) und hat sich gedacht "Das ist was für das alte Frettchen!" - und Volltreffer! Hank Greens An Absolutely Remarkable Thing (2018) ist eine unterhaltsame SciFi-Story der digital natives. Die Hauptfigur der April May ist mir extrem unsympathisch - der Autor hat eine Egozentrikerin geschaffen, die mich so sehr an mein früheres Ich erinnert hat, dass ich manchmal das Buch weglegen musste, wenn ich einen ihrer "Ich bin so besonders"-Anfälle gelesen habe. 

Stichwort weglegen: Die ersten hundert Seiten habe ich an zwei Tagen gefressen, das war im September, und dann das Buch zur Seite gelegt. Nicht einfach "nur" pausiert, sondern in der Zwischenzeit die Doku-Biographie Action Park (2020) von Andy Mulvihill und Jake Rossen gelesen - jeder richtige Freizeitpark-Nerd weiß, welche Bedeutung der Action Park für die amerikanische Freizeitlandschaft hatte. Keine Regeln. Das war die einzige Regel. Die Konsequenzen sind herrlich sarkastisch, teils schon zynisch niedergeschrieben worden; ich möchte endlich an die Verfilmung Class Action Park kommen.

Achherrje, ich bin abgedriftet. Aber genau so ist es passiert, und warum lag Greens Buch dann monatelang herum? Weil ich das alles irgendwie schon kannte, da war für mich nichts Neues mit dabei. "Roboter", die plötzlich auf der Welt erscheinen - und vor allem, wie die Menschen damit umgehen - ist ein klassischer Topos in der SciFi; der Film The Day The Earth Stood Still (1951) beschreibt genau dieses Szenario, auch dort geht es darum, dass die Menschen dazu neigen, den Roboter als Bedrohung anzusehen und präventiv anzugreifen. Die Geschichte findet sich auch in der Twilight Zone und den Outer Limits.

Das ist kein schlechtes Buch! Und es trifft sehr gut den Sprachstil unser jetzigen Tweens - aber unter'm Strich dürfte mir davon nicht viel im Gedächtnis bleiben. Liebe die große Buba, ich bin Dir SO dankbar für das Geschenk! Denn bei Dir weiß ich, dass Du dir was dabei gedacht hast, und ich glaube, wenn ich nicht schon so viele Filme gesehen hätte (und Matheson/Beaumont-Stories gelesen hätte), dann hätte das Buch mich richtig mitgenommen! Mal schauen, wann ich die Fortsetzung lese.

Overexcited because...

...morgen ist unser Schulentwicklungstag (SET). Ich bin nicht leicht für sowas zu begeistern, aber auf morgen freue ich mich riesig, denn ich bin in der Arbeitsgruppe Projektwoche "Vielfalt" vorbereiten, und wer die jüngsten Beiträge über LGBTQ gelesen hat, kann sich denken, dass ich mich da hinein morgen komplett werde vertiefen können. Ich schreibe auf jeden Fall, was dabei herausgekommen ist!

Dienstag, 15. März 2022

Spaziergang


Einfach mal auf ein Gespräch treffen. Bisschen plaudern. Ganz unkompliziert.

Früher war das gar nicht so ein großes Problem für mich, aber seit der Stresssituation geht das überhaupt nicht mehr. Wenn mich jemand fragt, ob wir uns nicht mal auf ein bisschen Schnacken treffen, würde ich am liebsten einfach nur nein sagen. Smalltalk ist für einen Aspi extrem unangenehm: Er weiß nicht, wie er das Gespräch beginnen soll, wie er es am Laufen halten soll, wann und wie er es beenden soll, und es besteht die Gefahr, dass er das Gespräch immer wieder auf seine Spezialthemen lenkt.

Wenn Linnea von damals-unten gefragt hat, ob sie kurz mal raufkommen kann, war das in Ordnung - nachdem ich ihr meine Probleme damit erklärt habe und dass ich irgendwann dann einfach etwas sage wie "Ich würde jetzt gern wieder allein sein", ohne dass sie es persönlich nimmt.

Es ist viel einfacher, wenn das Gespräch zweckgebunden ist, beziehungsweise sein Rahmen. So hat ein HB-Bekannter gefragt, ob wir uns treffen wollen. Es hat erstmal ein paar Momente gedauert, bis ich mich zu einem "ja" durchgerungen habe (weil es ein paar konkrete Themen gab), und dann hat er vorgeschlagen, dass wir einfach einen Spaziergang machen, da kann man auch einfach mal zwischendurch ruhig sein und die Umgebung anschauen, und die ganze Veranstaltung hat ein klares Ende.

Das war richtig gut!

Ich denke mir immer, dass ich es in solchen Gesprächen nicht länger als dreißig Minuten aushalte, aber wir sind über eine Stunde durch das Drachensee-Gebiet gewandert und haben uns über viel Interessantes unterhalten, zum Beispiel das Konzept der safe spaces an einer Schule für LGBTQ - vor allem aber auch für HBs und Schüler mit Autismus-Spektrums-Störungen.

Ich habe die Zeit vollkommen aus dem Blick verloren, und das ist für mich immer ein gutes Zeichen; das war ein wunderbarer Spaziergang.

Vielen Dank, Sven!

Sonntag, 13. März 2022

"Spiegelung Maske" auf Steroiden

Das war ja noch einigermaßen verständlich...

Nach dem etwas sentimentaleren Brief an... vom Freitag kommt heute mal wieder etwas Leichtherziges, das vermutlich nur die große Buba witzig finden wird. Vielleicht noch Herr Leinhos, denn der hat mir damals von einem Manga-Charakter erzählt, ein Mann mit dem Namen Frau. Ja, es geht um japanische Namen.

Spiegelung Maske. Ich habe es.

Dieser Satz aus dem Videospiel Project Zero hat der fetten Schnecke und dem alten Frettchen damals geholfen, etwas comic relief in ein Horrorspiel hineinzubringen (interessant: Wenn ich diese Sachen allein spiele, fällt mir sowas überhaupt nicht auf, dann gehe ich bierernst an die Sache heran. Meistens. Gestern nicht.)

Die japanischen Kanji (Schriftzeichen) eines Namens haben alle ihre eigene Bedeutung, deren Gesamtbedeutung man sich dann zusammendenken muss. Bei "Spiegelung Maske" dürfte das nicht so schwer sein, und die Übersetzer hätten da ruhig etwas kreativer sein können. Anderes Beispiel: Die japanische Achterbahn Takabisha, deren einzelne Kanji in etwa "hoch fliegen Wagen" bedeuten.

Meistens kann man sich da etwas zurechtbasteln. In der Atelier-Videospielreihe sind diese lustigen Namenskreationen an der Tagesordnung, und ich kann mir etwas denken bei der Alchemiezutat (in der englischen Sprachversion) "Kranke Cocktail" oder "Straight Baum", vor allem, wenn noch ein kleines Bild dazu gezeigt wird. Hin und wieder - relativ selten - kommen dann aber Gegenstände, die sich absolut nicht erschließen lassen, und ich bitte jetzt Herrn Leinhos und die große Buba um Erklärung für

Abgrund Schüler

und gemeint ist damit ein Alchemiegegenstand, der aussieht wie ein Auge. Ich bin für sieben Minuten aus dem Lachen nicht mehr herausgekommen, bevor ich gemerkt habe, dass ich Abgrund Schüler dringend für eine neue Formel brauche.

...und dann denkt man immer, schräger geht es kaum, aber nach drei Stunden Daddelei habe ich einen Gegenstand bekommen, der aussieht wie ein Blumenstrauß, und der heißt

Zersetzend Wolf

und ich kann nicht anders, als den Spültod zu sterben. Los Leute, setzt Eure Linguistik-Power ein und erklärt mir das!

Freitag, 11. März 2022

Brief an...

Dr Hilarius und Mr Beka

vorweg: Name geändert.

Hey Mr Beka,

erinnerst Du dich noch an mich? Es ist jetzt genau zehn Jahre her, dass ich Dich besucht habe. Ich fand Dich immer irgendwie cool, und wollte wissen, wer sich hinter dem Avatar bei Eve&Rave verbirgt. Wer der Typ hinter dem Pop Art-"Dude, WTF?"-Lächeln ist. Und wir haben uns hin und her geschrieben, hier und da mal über Skype telefoniert, und Du wusstest, dass ich ein bisschen in Dich verknallt war. Alles kein Problem! Und Du hast meine Erfahrungen mit der Substanz K akzeptiert. Deine Offenheit hat mich beeindruckt. Mittlerweile weiß ich, warum ich eigentlich nie zu unbekannten Menschen gefahren bin, gerade wenn sie auch noch einige hundert Kilometer entfernt wohnen; trotzdem bin ich in den Zug zu Dir gestiegen.

Die Zeit, die wir bei Dir verbracht haben, war ein Auf und Ab - ich werde nicht vergessen, wie schön es war, zusammen auf Deinem Bett rumzuhängen, bisschen zu kuscheln, das Suchtpräventionsvideo für die Schüler aufzunehmen, mit Deiner Ma zu reden, aber ich werde auch nicht vergessen, wie ich Dich zur Substi begleitet habe, die Platte, die Straßenbahn, wie ich heulend bei Dir zusammengebrochen bin, weil die Erkenntnis zu viel für mich war, dass Dein Leben tatsächlich seit dem einen Schuss Heroin dermaßen den Bach runter gegangen ist. Das hat mir die Augen geöffnet, aber es war ein herber Absturz an dem Tag. Manisch-depressiv, wir beide haben das an dem Tag verkörpert. Das ist übrigens der Grund, warum mir Bromazepam im Kopf hängen geblieben ist: Es hat mir damals bei der Panikattacke extrem geholfen, und deswegen sollte ich mir irgendwann vom Arzt endlich was verschreiben lassen, denn solche Panikattacken gibt es immer wieder mal.

Und dann, nach diesem Besuch, ist der Kontakt in die Brüche gegangen. Ich sollte ehrlich sein: Ich habe den Kontakt abgebrochen, und das ist nicht schön gelaufen, und Du hast auch Dir deswegen Vorwürfe gemacht. Ich hatte damals einfach nur so etwas gesagt wie "Ich kann damit nicht umgehen, dass dein Leben eine Achterbahn ist, ein Tag toll, ein Tag am Abgrund". Erst viele Jahre später habe ich herausgefunden, wo genau das Problem für mich lag - und liegt. Ich möchte es Dir hier erklären, damit Du nicht denkst, es sei Deine Schuld, dass wir keinen Kontakt mehr haben. Das ist es nicht. Du kannst absolut nichts dafür.

Ich wusste damals nicht, was es genau bedeutet, wenn man eine bipolare Persönlichkeitsstörung hat. Ich habe es erlebt, in den Chats mit Dir, bei'm Skypen und auch als ich Dich besucht habe, aber ich wusste nicht, dass das eine psychische Erkrankung ist. Ich konnte damit nicht umgehen, weil ich weder wusste, was die Ursache für Deine Stimmungsumschwünge war, noch wusste ich, wie ich damit umgehen und in den jeweiligen Situationen reagieren soll. 

Du bist unberechenbar (bin ich offensichtlich auch, wie man mir mittlerweile gesagt hat) - und ich bin Asperger-Autist. Ich kann mit Unberechenbarem nicht umgehen, sei es das Wetter, der Stundenplan, das Telefon oder eben menschliches Verhalten, also versuche ich das alles zu vermeiden, so weit es geht. Den Kontakt mit Dir abzubrechen war eine Schutzfunktion, denn ich wollte uns beide nicht noch weiter verletzen. Ich hatte damals keinen Weg gesehen, wie es gut mit uns beiden hätte weitergehen können.

Das war total scheiße, denn Du warst so nett, und ich hatte noch nie von mir aus bewusst den Kontakt zu jemandem abgebrochen. Das war eine absolut miese Phase, aber vielleicht besser für uns beide. Einfach, weil unsere Gehirn-Konfigurationen nicht gut gepasst haben. Du kannst nichts dafür.

Ich erinnere mich noch sehr gut an Deine panische Nachricht eines Morgens, als Du einen lokalen Bäcker und die Apotheke überfallen hast, um an Geld und Benzos zu kommen. Ich erinnere mich genau an den Artikel darüber in Eurer Lokalzeitung, den Du mir am nächsten Tag gezeigt hast. Ich hoffe, dass Du einen Weg für Dich im Leben gefunden hast. Du warst, vielleicht ohne dass Du es wusstest, einer der wichtigen Menschen in meinem Leben. 

Danke, dass Du für mich da warst.

Dr Hilarius

Donnerstag, 10. März 2022

Bus Richtung Frieden


Mittlerweile positioniert sich jeder zum Krieg in der Ukraine, und ich weiß nicht, was ich schreiben soll. Vielleicht, dass es ein Zufall war, dass ich gerade heute zwei Busse der KVG gesehen habe, die statt der üblichen "Dienstfahrt"-Anzeige ein "Stoppt den Krieg!" vorn und an der Seite in Leuchtschrift hatten. Zufall, weil die AYAOTD-Geschichte heute in der Schule sich ausgerechnet Neunzehnachtundsechzig zugetragen hat - Flower Power und Peace-Generation. War ein großartiger Gesprächsanlass.

Vielleicht darüber, dass die ersten Flüchtlinge bei uns eintreffen - "uns" heißt Kollegen, die sich einsetzen, oder eben jene KVG. Und darüber, dass ich den Horror kaum mitansehen kann - wenn Putin Fluchtkorridore einrichtet und diese dann bombardieren lässt. Wenn er Krankenhäuser zerstören lässt. 

Dieser komische kleine Mann an seinem überlangen Tisch, an dem selbst "Vertraute" fünfzig Meter entfernt sitzen (die Buba spült und sagt "pfömpfzig"). Ich muss an Stauffenberg denken - und dabei habe ich keine Ahnung von Geschichte. Scheint, als ob die wesentlichen Punkte irgendwie hängenbleiben. 

Und ich finde den Vergleich erwähnenswert: Die USA und die Ukraine haben beziehungsweise hatten einen TV-Entertainer zum Präsidenten (wer es noch nicht gehört hat - Selensky war Comedian, und Trump Vollidiot). Der eine allerdings ist feige, behäbig, eine Schande für sein Volk - und der andere mutig, leichtsinnig, unterstützt sein Volk. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie Trump sich in Selenskys Situation mit einer Tüte Hamburger und einem Fernseher in Sicherheit hätte fliegen lassen.

Keine Ahnung. Jeder Tag Krieg ist einer zu viel. Aber das ist leider typisch menschlich: Angst, Aggression, Misstrauen, Waffen, Neid - das steckt in jedem von uns. Immerhin hat das Lojong-Training das Ziel, dem nicht nachzugeben. Deswegen interessiere ich mich dafür.

Mittwoch, 9. März 2022

Auf die Knie!


Im Referendariat gab es viel zu lernen zum Thema "Wo sollte sich die Lehrkraft während des Unterrichts im Raum aufhalten?" - glaube ich zumindest. Ich kann mich an kaum noch etwas aus dem Ref erinnern, ich habe da nicht wirklich viel gelernt (infolgedessen mir die Schulleitung dann Arroganz und Überheblichkeit unterstellt hat). Was ich noch weiß: Wenn man während einer Erarbeitungsphase durch die Klasse geht und auf die Aufgaben der Schüler schauen möchte, dann sollte man immer von vorne kommen, nicht hinten im Rücken der Schüler herumschleichen. Finde ich nachvollziehbar - deswegen habe ich es vielleicht auch im Kopf behalten.

Es gibt da auch noch eine andere Sache, die ich eher zufällig gelernt habe. In der aktuellen Schüler-Feedbackrunde hat eine Schülerin das allerdings expliziert als positiven Faktor genannt: Wenn sich ein Schüler bei der Erarbeitung meldet und ich - von vorne - an seinen Platz gehe, gehe ich instinktiv direkt in die Hocke. Das war für mich immer logisch: Ich bin zwei Meter groß, ich möchte nicht auf einen Schüler herabsprechen, der Hilfe braucht. Ich möchte mit ihm auf Augenhöhe reden. Das klingt nach einer Kleinigkeit, aber es scheint den Schülern zu helfen, dass sie sich mit ihren Problemen bei den Aufgaben ernstgenommen fühlen. Extrem zuträglich für das Lehrer-Schüler-Verhältnis (und diesmal erwähne ich Hattie nicht).

Mir ist die Bedeutung dessen in meiner ersten Latein-Lehrprobe bewusst geworden. Ach sorry, ich meine natürlich Unterrichtsbesuch. Von Herrn Kruse, Studienleiter in Latein, mittlerweile Schulleiter in Niebüll. Herr Kruse fand diese Lehrprobe nämlich total toll - was ich überhaupt nicht nachvollziehen konnte. Ich hatte bei der Besprechung fast angefangen zu heulen; ich hatte die Stunde so schön durchgeplant, sah auf dem Raster richtig rund aus, aber klassischer Anfängerfehler: Viel zu viel geplant. Am Ende der Stunde hatte ich gerade ein Viertel dessen geschafft, was geplant war. Die Stunde war ein Reinfall, aus meiner Perspektive.

Herr Kruse hat mir dann aber erklärt, warum ich kaum etwas geschafft habe: Weil ich bei jeder hilfesuchenden Meldung an den Platz des Schülers gehe, und dort auf die Knie runter. Das kostet etwas Zeit. Herr Kruse hat mir klargemacht, worauf es im Unterricht ankommt, und das ist nicht in erster Linie die Beendigung des Stundenrasters.

Das ist mir lebhaft in Erinnerung geblieben, und deswegen falle ich auch heute noch vor meinen Schülern auf die Knie. 

Freitag, 4. März 2022

Der positive Spin


Heute war ein großer Prüfungstag und ich habe etwas Wichtiges über mich gelernt - was ich eigentlich aus den Fachbüchern schon wusste, aber heute habe ich es live erlebt und kann Euch nun ein daraus destilliertes Glas Asperger pur anbieten:

Projektpräsentationen. Die Projektmappe wurde schon vor zwei Wochen eingereicht, und heute war dann quasi der Höhepunkt, die Schüler präsentieren ihr Thema. Geile Sache, wir hatten das damals erst im zwölften Jahrgang. Da kann man sich, wenn man speziell ist, mal richtig austoben - aber darum geht es jetzt nicht. Ich habe beide Vorträge heute genossen - und ich bin heilfroh, dass meine Zweitprüferin dabei war.

Asperger-Autisten sind wandelnde Geigerzähler für Unstimmigkeiten. Sie sehen (beziehungsweise spüren, ist tatsächlich so), wenn etwas fehlerhaft ist. Dieser andauernde Zustand führt dazu, dass ich nur darauf schaue, was alles falsch ist an dem Projekt. Hinweis Richtung Sannitanic: Ich meine damit nicht, dass ich das gern anders gehabt hätte, sondern objektive Fehler. Das ist, als ob da bei mir im Kopf sofort eine Lampe angeht, und es fühlt sich oft sogar gut an. Im Sinne von "Ha, ich hab' was gefunden!" - don't judge me, ich kann es nicht abstellen.

Und es kommt noch besser: Die Notenbekanntgabe wirkt bei mir fast wie eine Urteilsverkündung: Der Aspi bringt keine "Das habt ihr aber fein gemacht"-Phrasen. Er sagt "Das war gut", "Das war ausdifferenziert", und vor allem sagt er "Das ging nicht weit genug in die Tiefe", "Da war zu wenig Eigenleistung drin", "Da hätte etwas Kreatives und Originelles hingehört". Ich finde erst im Nachklapp - wenn überhaupt - einen positiven Spin des Ergebnisses. Ich klatsche den Prüflingen meine Kritik hin und bin zufrieden, dass ich am Ende die Note nachvollziehbar und logisch erläutert habe. Perfekt, Prüfung ist rund gelaufen, weiter im Programm.

"Ihr beide lasst gerade die Köpfe hängen, oder?"

Ich schaue zu meiner Zweitprüferin. Der Satz kommt von ihr. Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich mal wieder zu sachlich-direkt war. Sie ist diejenige, die plötzlich das "menschliche" Element reinbringt, das Verständnis. Sie versucht, den Absturz in den Köpfen aufzuhalten, sie seht den impact bei den Schülern. Sie sieht, dass sie unglücklich sind. 

Ich sehe das nicht.

Reading mind in the eyes, so heißt ein relativ neues Testverfahren für Menschen mit dem Asperger-Syndrom. Tendenziell können Aspis Gesichtsausdrücke schlechter deuten als neurotypische Menschen. Das sagt mir das Lehrbuch, und heute habe ich es live erlebt. Ist also heute mal ein doppelter Asperger pur: Konzentration auf die Fehler, Emotionen nicht lesen können. Und für die Schüler ein Schlag vor's Gesicht: Dr Hilarius, der sonst eigentlich immer so gechillt und nett ist, gibt uns so eine Abrechnung.

Ich möchte keine Ausbildungslehrkraft werden.

Mittwoch, 2. März 2022

Rising Action


Langsam wird es richtig spannend...

Wenn mich nicht alles täuscht, habe ich in diesem Schuljahr zum ersten Mal eine Lerngruppe, die ich in Englisch zum Schulabschluss führe (die Berufsschule lasse ich aus, das hatte was von Fließbandabfertigung, da steckt kein Herz drin). Bis dato habe ich in Abschlussarbeiten nur Zweitkorrekturen gemacht, und ich erinnere mich an Sätze der Kollegen, zum Beispiel "Von A hätte ich etwas Besseres erwartet" oder "B hat sich richtig reingehängt und es tatsächlich geschafft".

Jetzt habe ich rund zwanzig Schüler, die ihren Abschluss machen, und ich sehe mich mit der Frage konfrontiert, ob ich sie gut auf die Prüfungen vorbereitet habe. Ihr kennt das vielleicht schon länger: Diese Unsicherheit; habe ich das Richtige mit ihnen geübt, werde ich es geschafft haben, sie durch die Prüfung zu bringen? 

Am Anfang dieses Jahres war ich da noch sehr unsicher, und die Klassenarbeiten und die vielen mock exams sind ja schon ein Indikator, in welche Richtung es gehen wird - aber es ist ein tolles Gefühl zu sehen, wie manche Schüler jetzt richtig zur Form auflaufen. Manche haben sich die frequent mistakes-Einheiten zu Herzen genommen, und das gebetsmühlenartige "Lest die Aufgabenstellung gründlich durch und hakt alles ab, was ihr bearbeitet habt, damit nichts fehlt!" zeigt erste Effekte. 

Heute bin ich mit dem positiven Gefühl nach Hause gegangen, dass fast alle den Abschluss irgendwie schaffen werden, und das ist herrlich, denn es zeigt mir, dass ich nicht alles falsch gemacht habe. Da darf man auch mal stolz sein.