Donnerstag, 28. Dezember 2023

Tag 150 - Bewerben! Umgehend!!!


Post vom Arbeitsamt.

"...ich freue mich, Ihnen folgenden Arbeitsplatz vorschlagen zu können:

[...]

Die gewünschten Fähigkeiten entnehmen Sie bitte der Anlage."

Klingt ja eigentlich soweit noch ganz normal. Der nächste Satz macht das Ganze spannend:

"Bewerben Sie sich bitte umgehend schriftlich oder per E-mail. Alternativ vereinbaren Sie bitte umgehend einen Vorstellungstermin."

Da hätten wir ihn wieder, den freundlich-bestimmten Tonfall der Agentur für Arbeit. Dementsprechend mein Antwortschreiben:

"Ich habe mich nicht beworben / vorgestellt, weil...

...ich nicht die erforderliche Alpha-Zulassung für Lehrkräfte im Fach Deutsch besitze. Meine Fächer sind Englisch und Latein.

Darüber hinaus haben Sie, Herr XY, mir bis zum Februar "Beinfreiheit" zugesagt, um die Vertretungsausschreibugen und -anfragen für das zweite Schulhalbjahr abzuwarten. Daher bitte ich Sie, von einer Formulierung wie "Bewerben Sie sich bitte umgehend" bis dahin abzusehen (klar weiß ich, dass das vorformulierte Schreiben sind, duh, ich möchte nur die Unpersönlichkeit der AA herausstreichen). Ich bin Autist, ich nehme so etwas wörtlich und kann dann nicht verstehen, wie das mit unserer Absprache zusammenpasst.

Ich habe Anfang Januar zwei Auswahlgespräche, in Neumünster und in Kiel. Wie besprochen, halte ich Sie auf dem Laufenden und würde dann ab Februar auf einen Gesprächstermin mit Ihnen warten.

Herzliche Grüße und einen guten Rutsch nach '24!

Dr Hilarius"

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That was draining. Mch demoralisieren diese Briefe immer, aber teilweise reizen sie mich auch, weil dieses AA-Schreiben halt so gar nichts mit der Abmachung mit Herrn XY zu tun hat. Und dafür soll ich jetzt auch noch Porto ausgeben?

Mittwoch, 27. Dezember 2023

Tag 149 - Bin ich ein Monster?


vorweg: Dieser Beitrag sollte schon vor Monaten erscheinen. Gestern hatte ich einen ganz tollen Abend mit der großen Buba, und nun kann es losgehen.

Bin ich ein Monster?

An jeder Schule bin ich sofort von einem Großteil aller Schulteilnehmer - Schulleitungen, KollegInnen, SchülerInnen - aufgrund meines Aussehens in eine Schublade gesteckt worden. So sind Menschen nun mal: Die meisten von ihnen glauben, sie könnten einen Menschen aufgrund seines Aussehens richtig einschätzen. Sie sortieren mich in die Schublade "asozial, unerfahren, im falschen Job" und die Tür geht zu.

Diese Tür geht bei vielen von ihnen dann auch nicht mehr auf. Der erste Anblick reicht, man muss noch nichtmal ein Wort gewechselt haben. Zum Glück erleben meine SchülerInnen mich dann in ausreichendem Umfang, so dass nach einigen Wochen ihre Türen wieder aufgehen und sie irgendwann bei never judge a book by its cover landen. Es ist an jeder Schule maximal eine Handvoll KollegInnen gewesen, bei denen die Tür dann doch wieder aufgegangen ist, und es dauert viele Monate, bis dieser Prozess einsetzt.

So sind Menschen nunmal. Das ist eben die story of my life. Und in diesem Jahr ist ein Animationsfilm veröffentlicht worden, der genau diese Story als Kernthema hat: Ausgrenzung, Abneigung, Hass, weil man anders ist. Das hat mich bei'm ersten Ansehen direkt am Herzen gepackt - klar, das ist kein neuer topos, aber er ist so gut umgesetzt worden, dass ich begeistert war. Und wenn ich das richtig sehe, die große Buba auch.

Nimona ist endlich auf Netflix verfügbar. Ein Film, der eine lange Entwicklungshölle hinter sich hat - den Disney gekickt hat, weil sich in einer Szene zwei Männer küssen. Den Annapurna Studios, in der Szene für unkonventionelle kindgerechte Verarbeitung von Themen bekannt, sich zu Herzen genommen und veröffentlicht hat.

Total witzig, wild, anarchisch, mit einem riesigen Herzen. Unberechenbar in seiner Diversität - endlich wird ein LGBTQ-Thema in einem Film für Kinder gezeigt, aber nicht thematisiert - sondern als selbstverständlich behandelt. Multiethnische Rollen, Behinderung, das ist alles drin.

Zum Plot sage ich nur, dass es um einen Nicht-adligen geht, der in die Rittergarde aufgenommen werden soll. Man kann sich denken, dass es um konservatives Denken gehen könnte ("Wir dürfen doch nicht jeden hier reinlassen!"); tut es auch, und gleichzeitig sind so viele progressive Ideen dabei. Nicht umsonst spielt der Film in einem science fantasy-Umfeld: Ritterrüstungen, Pferde, Schlosszinnen, Smartphones, Internet, Laserwaffen.

Ich nehme den Film in meine Schularbeit auf. Absolut empfehlenswert für Jugendliche - und eigentlich noch mehr für Erwachsene, die mal etwas aus ihren festgefahrenen Bahnen herausbrechen sollten. Und ich möchte ihn Euch wärmstens an's Herz legen.

Nimona ist auf Netflix verfügbar.



Sonntag, 24. Dezember 2023

Tag 146 - Die ersten Bissen


Heute wäre natürlich der perfekte Zeitpunkt, um über ein gewisses Fest in diesem Jahr zu schreiben. Das hat dieser Blog allerdings noch nie gemacht, und außerdem weiß ich, dass meine Mutter sich stattdessen über diesen Beitrag viel mehr freuen wird; schließlich haben wir gestern einmal telefoniert und ich habe versucht, rüberzubringen, dass sie im Moment nichts tun kann als abwarten und sich nicht zu viele Sorgen zu machen. Klar. Als ob eine Mutter sich mal keine Sorgen über ihre Kinder machen würde - ich denke mal, die Sannitanic dürfte das seit einigen Jahren sehr gut nachvollziehen können.

Neben dem gesundheitlichen Update haben wir gestern auch über heute gesprochen, denn ich verbringe das Fest nicht bei meiner Familie, sondern in meiner Wohnung mit Kräuterschnaps (Iberogast) und Fenchelhonig (den liebe ich ja). Am Ende des Gesprächs haben wir auch über das Abendessen gesprochen, denn ich wollte wissen, was es an Weihnachten zuhause zu essen gibt, auch wenn ich selbst nichts essen möchte. 

Und dann kam etwas, was mich aufgebaut hat: Wir haben detailliert über das Essen gesprochen, und am Ende hatte ich statt Magenkrämpfen ein kleines Magenknurren und richtig Appetit bekommen. Das hatte ich seit einigen Tagen nicht mehr, und Ihr kennt das ja vielleicht, wenn man ein paar Tage nichts mehr essen wollte oder konnte - wenn auf einmal wieder Appetit da ist, fühlt sich das schon wie eine Wunderheilung an. Das habe ich meiner Ma dann auch direkt mitgeteilt und es hat ihr gut getan, das zu hören. Sie hat mir erzählt, dass auch so kleine "Erfolgsnachrichten" schon Balsam für die Seele sind, also wird sie das hier freuen:

Ich habe letzte Nacht einmal gut vier und einmal gut drei Stunden am Stück geschlafen. Und nach unserem Telefonat habe ich ein paar Salzcracker gefuttert und sie haben einfach wunderbar geschmeckt. Ja, mein Magen hatte später trotzdem damit zu kämpfen, aber einfach das Gefühl von Geschmeck im Mund und nicht alles-wieder-rückwärts-loswerden-müssen, das war fantastisch. Und dann gab es abends eine Scheibe Toast mit Heidelbeermarmelade, absolut unvernünftig, aber sie hat paradiesisch geschmeckt. Das war es auf jeden Fall wert, und vielleicht besteht mein persönlches kleines Festessen heute aus Crackern, Toast und Marmelade. 

Gesundheit schön und gut, aber einmal genießen ist gut für die Seele.

post scriptum: Und wer weiß, wenn mein Magen es zulässt, gibt es heute Abend vielleicht zu der Scheibe Toast einen Teller Kartoffeleintopf; der von der Schlachterei "Wilhelm von Brandenburg" schmeckt wunderbar, und nein, ich bekomme kein Geld dafür, das hier zu schreiben ;-)

Lasst es Euch heute (und morgen etc.) schmecken!

paulo post scriptum: Und dann kommt noch meine himmlische Ersatzfamilie hier, also known as Buba and family, die mich mit einer Wärmflasche versorgt haben, das hat gestern Abend sooo gut getan!! Danke, Ihr Lieben! <3

Freitag, 22. Dezember 2023

Tag 144 - Tee & Zwieback, die Zweite


Wobei ich vielleicht den Zwieback aus dem Titel streichen sollte. Magen-Darm-Infekt, was für ein tolles Timing. Ihr kennt das vielleicht: Nichts bleibt drin, trinken geht nur in kleinen Schlucken, Dauerübelkeit und die Nächte sind die Hölle. "Lenk' dich ab mit irgendwas", würde ich mir gern sagen, aber ich habe es ausprobiert, länger als zwanzig Minuten auf der Couch - Serie, Videospiel - halte ich nicht durch. Also klassisch Bett und Hörspiele.

Was tatsächlich hilft ist, sich auf die positiven Seiten zu konzentrieren. Sie in den Fokus nehmen: Übergeben ist mies, ja, aber danach fühlt man sich (wenn es denn geklappt hat) richtig erleichtert. Bei mir ist das zumindest so, ich bin dann erschöpft, aber es fühlt sich besser an. 

Ich glaube, das ist das erste Weihnachten, das ich nicht bei meiner Familie verbringen kann. Natürlich hole ich den Besuch nach, wenn ich kann, aber es fühlt sich schon ungewohnt an. Und dabei hatte ich diese Woche noch Sachen vor - ich wollte heute früh in meiner ehemaligen zwölften Klasse hereinschneien und ein bisschen was machen, ich hatte mich echt darauf gefreut, aber daraus wurde nichts, und auch das Wiedersehen mit der großen Buba muss warten.

Buddhismus hilft, es nicht schwer zu nehmen. Das meine ich ernst, und es erleichtert ungemein. Das ist quasi das Gegenstück zur Männergrippe - auch bekannt als Schnupfen, über den wehleidige Männer sich lauthals beklagen (während Frauen da meist etwas robuster sind).

Silberschein am Horizont: Auswahlgespräch. Abwarten. ;-)

Dienstag, 19. Dezember 2023

Tag 141 - Tee & Zwieback


Sollte man immer im Haus haben, habe ich von meiner Mutter gelernt. Auch noch andere Sachen wie Brühe, Nudeln etc. - alles, was bei diesem Wetter warmhält und gut tut. Draußen ist es nass und kalt, die Corona-Welle schlägt wieder über, also bleibe ich drinnen, drehe die Heizung auf, koche mir einen Kamillentee mit Reissirup zum Süßen und knabbere etwas Zwieback. Back to the basics, könnte man sagen, tut zwischendurch auch mal ganz gut, nachdem wir unseren Gaumen mit Fertigprodukten überfordert haben.

Und gleich eine heiße Nudelsuppe. Es ist echt grau-gruselig draußen, und trotzdem kaufen die Leute ein wie verrückt - Weihnachten eben. Ein Spaziergang heute in den Citti-Park hat mir mal wieder neurotypische Verhaltensweisen vor Augen geführt. Mitten auf dem Weg gehen, Blick immer runter auf's Handy, spontan stehen bleiben, keine Rücksicht auf Andere nehmen. Hallo millennials, entitled, me-generation.

Kann nicht schaden, den Kopf einmal hochzunehmen vom kleinen Bildschirm. Sich umschauen, was in der realen Welt passiert, jemandem den Weg frei machen oder helfen. Um mit dem Kopf immer woanders zu sein, brauche ich tatsächlich kein Smartphone ^^ Umso schöner, es sich dann zuhause gemütlich zu machen.

Mit Tee und Zwieback.

Montag, 18. Dezember 2023

Tag 140 - Letzte Woche!


Liebe KollegInnen,

auf geht's in die letzte Schulwoche des Jahres! Ich meine mich zu erinnern, dass ich trotz der eher kurzen Schulzeiten vor den Herbst- und Weihnachtsferien trotzdem am letzten Schultag ferienreif war. Ich bin auch diesmal wieder ferienreif, aber auf eine andere Art und Weise: Am Wochenende kommt die große Buba, das wird auch Zeit, langsam stellen sich Entzugserscheinungen ein. Ebenfalls am Wochenende geht's zur Familie an die Westküste, damit man sich mal sehen kann, Neuigkeiten austauschen und so. Und eigentlich hatte ich mir vorgenommen, am ersten Feiertag mal mit einem meiner Brüder zu reden - auch auf'm Spektrum, wahrscheinlich - aber das muss noch etwas warten, denn ich habe in meinem eigenen Leben gerade wieder ein bisschen zu verarbeiten.

Das ist jetzt die Phase, in der Vertretungen für das zweite Halbjahr gesucht werden. Auch Planstellen sind reichlich verfügbar, sogar mit Englisch, aber sie liegen mal wieder alle im Hamburger Raum. Ich werde nicht von hier wegziehen. 

Was ich irre finde: Eine Schule hat "Englisch, beliebig" ausgeschrieben, also beliebiges zweites Fach. In der Ausschreibung steht dann aber unten etwas in der Art: "Wenn sich niemand mit Englisch bewirbt, wäre Geographie, Biologie (etc.) zu wünschen." Toll. Wenn ich nun aber Biolehrer wäre, würde mir diese Stelle nicht angezeigt werden, weil in der Fächerauswahl ja Englisch steht. Ich habe ernsthaft überlegt, ob ich mir alle Planstellenausschreibungen in Kiel durchschauen soll, fachunabhängig, ob es da nicht etwas Ähnliches gibt. "Zur Not nehmen wir auch Englisch" ^^

Und: Ich habe endlich mein neues Deutschlandticket als Chipkarte bestellt! Und für den Januar dann doch wieder nur als Papierfahrkarte bekommen, weil die Kartenerstellung zu lange dauert. Ich möchte doch einfach nur als Mensch ohne Smartphone am Leben teilnehmen können, aber das wird mit der Zeit immer schwieriger.

Derlei Gedanken treiben mich langsam Richtung Wochenende. Durchhalten, noch ein paar Tage Unterrrichtsstress, dann habt Ihr es geschafft!

Freitag, 15. Dezember 2023

Tag 137 - Noch einmal mit Gefühl


Liebe Kollegin!

Ich möchte mich bei Dir für heute bedanken. Das war ein tolles Erlebnis!

Danke, dass ich heute eine Englischstunde in Deiner Klasse geben durfte. Ich hatte Deine Kiddies zweieinhalb Jahre unterrichtet, und Frau Schwarzbohrer, und sie sind mir sehr an's Herz gewachsen. Seitdem ich sie vor Kurzem auf dem Weihnachtsbasar wiedergesehen habe, ist mir bewusst, wie sehr sie mir fehlen. Ich habe sie in Klasse Fünf als kleine Steppkes kennen gelernt, und jetzt in Klasse Neun sind einige von ihnen in die Höhe geschossen und wirken schon fast wie junge Erwachsene. Es ist toll, das mitzuerleben. Ich wünschte, es hätte weitergehen können.

Aber auch schon die eine Stunde heute war ein Geschenk. Die ganze Busfahrt über war ich aufgeregt, wie wird es wohl, vor einer ehemaligen Klasse zu stehen? Werde ich noch andere bekannte SchülerInnen auf dem Schulflur treffen? Was mache ich, wenn KollegInnen vorbeikommen?

Sag' das Deinen Kiddies bitte: Ich habe mich riesig gefreut, dass sie heute mitgespielt haben. Wir haben das "Google Trends Game" gespielt - in einer leicht abgewandelten Form, und es war spannend und witzig und es war Englischunterricht, teilweise. Es war aufregend, endlich wieder eine Stunde vorbereiten zu können, auch wenn ich mich mit meiner Unkenntnis zu "Guardians of the Galaxy" total blamiert habe - nobody is perfect ;-)

Ich hätte nicht gedacht, dass es mich so glücklich machen könnte, wieder vor der Klasse zu stehen, *nachdem* ich eine Schule verlassen hatte. Es war immer "ab mit Schaden", bloß wegrennen und nicht zurückschauen. Dabei fühle ich mich an Deiner Schule so wohl, das hat sich auch dadurch nicht geändert, wie es ausgegangen ist. By the way, ich gebe trotzdem nicht auf. Klar muss ich eine neue Stelle finden, aber sollte die Schule jemals wieder Englisch ausschreiben, würde ich mich bewerben.

Ein arbeitsloser Lehrer zu sein ist scheiße.

Bitte richte der Klasse ganz liebe Grüße aus; dank ihnen kann ich mit einem Lächeln im Wochenende ankommen ;-)

Liebe Grüße,

Dr Hilarius

Montag, 11. Dezember 2023

Tag 133 - Phantom-61


Bei Regen ohne Regenschirm rauszugehen, ist vielleicht nicht die cleverste Idee des Tages gewesen. "Nur mal eben" zum Sophienhof, ich brauchte was von dort. Immerhin gibt es (meistens) überdachte Bushaltestellen. Also ab zum Hauptbahnhof, Einkauf erledigen und fix wieder zurück.

Fix? Der Einkauf ist erledigt; ich stehe in diesem kleinen Glasvorbau vor dem Sophienhof und schaue auf die Leuchtanzeige mit den Buswartezeiten draußen im Regen. Eigentlich ist das eine coole Idee - so kann ich im Trockenen warten, habe aber jederzeit die Bussteige vor Augen. Also bleibe ich stehen und suche nach der Linie 61/62, denn sonst fahren ja keine Busse mehr die Hamburger Chaussee hinunter. Da steht es: "61 Mettenhof 15 Minuten". Na toll, ich habe den Bus also gerade verpasst und der nächste fährt in fünfzehn Minuten.

Geht es nicht auch anders? Fast direkt darunter steht "52 Krummbogen 14 Minuten" - könnte ich auch nehmen, die fährt hier durch's Viertel. Ach, und natürlich gibt es auch noch die Busse der Autokraft nach Flintbek, die werden natürlich auf der KVG-Tafel nicht angezeigt. Aber ich weiß ja, wie sie aussehen, sollte da einer kommen, nehme ich den.

Aber erstmal warte ich im Trockenen. Und die Wartezeit schmilzt langsam dahin, moment... die 61 in elf Minuten, die 52 in fünf Minuten? Und einen Moment später: die 61 in zwölf Minuten, 52 in vier. Die Wartezeit für die 61 scheint sich zu verlängern; während alle anderen Zeiten schrumpfen, pendelt die 61 zwischen elf und vierzehn Minuten auf und ab. Wenn das so weitergeht, ist die 52 die bessere Alternative.

Irgendwie macht es Spaß, sich auszumalen, was wohl passiert sein mag. Könnte sein, dass es einen Unfall gab und der Bus im Stau feststeckt. Oder es gab ein technisches Problem (erixx kennt das). Ich finde solche Situationen faszinierend: Ich sehe etwas Ungewöhnliches und frage mich direkt, warum das wohl so ist - typisch Aspi, unbedingt für alles eine Erklärung suchen. 61 in dreizehn Minuten, 52 in einer Minute, dann biegt der Bus nach Flintbek ein. Autokraft hat gewonnen.

Ob die 61 jemals in Mettenhof angekommen ist?

Sonntag, 10. Dezember 2023

Tag 132 - Tauwetter-Träumerei


Ein Bestandteil meines Rituals zum Wachwerden ist der Blick zu Google News, einfach mal schauen, was in der Welt gerade so aktuell ist. Momentan fällt mir das ein wenig schwerer, weil seit der aktuellen PISA-Studie immer mehr Artikel auftauchen, die unseren Leistungsrückstand auf den Lehrermangel schieben. Mir fällt es extrem schwer, solche Artikel zu lesen; vielleicht kann man sich denken, warum. Ich habe schon so oft den Satz "Aber ich dachte, wir haben Lehrermangel!" gehört, wenn ich erzähle, dass ich zum siebten Mal arbeitslos bin. Das tut mir physisch weh und ich weiß auch nicht, was ich darauf antworten soll. Und mittlerweile reicht es eben auch schon aus, solche Schlagzeilen zu lesen. Also weg mit den News.

Ein anderer Bestandteil ist der Blick aus dem Fenster, nur für eine oder zwei Sekunden, um zu schauen, wie das Wetter ist. Das ist gerade dann interessant, wenn es über Nacht geschneit hat und ich überhaupt nicht mit der weißen Welt da draußen gerechnet habe - zum Beispiel, weil ich nie bei der Wettervorhersage aufpasse. Heute ist allerdings kaum noch etwas mit weiß - es ist nass und grau draußen, seit zwei Tagen setzt sich hier das Tauwetter durch, und während es ja schön ist, dass der ganze Schneematsch verschwindet und ich mich endlich daran machen kann, meine Stiefel zu polieren, weil ich sie momentan draußen nicht mehr brauche, ist das Grau doch erstickend - also ziehe ich das Rollo schnell wieder zu.

Keine Nachrichten, keine offenen Rollos, keine Arbeit, kein Tagesrhythmus - also kann ich auch wieder in's Bett gehen. Das lohnt sich momentan, selbst wenn es nur für eine Dreiviertelstunde ist, denn ich träume wieder öfters. Ich genieße das sehr, auch wenn der Inhalt der Träume eine echte Wundertüte ist. In den Momenten nach dem Aufwachen erinnere ich mich meistens noch daran, was ich geträumt habe und frage mich, warum es wohl gerade das war. Ob ich da irgendwelche Ängste oder Sehnsüchte, geheime Wünsche oder Unzulänglichkeiten verarbeitet habe.

Und manchmal drehe ich mich einfach wieder auf die andere Seite und stürze mich in den nächsten Traum. Da es keinen Wecker gibt, der mich um fünf Uhr fünfundfünfzig zur Arbeit herausreißt, ist das ein Luxus, den ich nicht oft genießen kann - also sollte ich das jetzt tun.

Wie geht es Euch? Träumt Ihr? Intensiv? Luzid? Chaotisch? Oder doch eher gar nicht? Bringen Euch eure Träume zum Nachdenken? Spaßig? Oder tiefgründig? Selbst wenn es Albträume sind - können immer noch spannender sein als der Blick in das nasse, graue Grau da draußen...

Mittwoch, 6. Dezember 2023

Tag 128 - Zuviel Monat am Ende des Geldes

Neue Mitbewohner

Eigentlich
habe ich keine Probleme damit, mit meinem Geld zu haushalten. Das hat im Studium wunderbar funktioniert, ich habe es geliebt, mir einen Haushaltsplan zu erstellen und mich daran zu halten. Irgendeinen Grund muss es ja auch gehabt haben, dass ich Vorsitzender des Haushaltsausschusses des Kieler StuPa war.

Für einen Aspi bedeutet eigentlich so gut wie immer "unter gesicherten Umständen". Damals lief das alles super, aber wie wir wissen, taumele ich seit sieben Jahren von einer Schule zur nächsten, habe diese Sicherheit nicht mehr, und damit wird der Aspi quasi zum handfesten Autisten und ist mit vielen Sachen im alltäglichen Leben überfordert. Gerade aus diesem Grund strebe ich ja auch nach wie vor den Grad der Behinderung 50 an.

Eines der Probleme, die sich herauskristallisiert haben, ist das Geld. Ich habe hier in der Wohnung vier Notizbücher liegen, jedes von ihnen ein gescheiterter Versuch, endlich mal wieder ein vernünftiges Haushaltsbuch zu führen. Es klappt nicht. Weil ich nie weiß, wie das nächste (Halb-)Jahr finanziell aussehen wird und ich es nicht schaffe, mich vernünftig auf diese Aufgabe zu konzentrieren. Zu oft war bei mir am Ende des Geldes noch zuviel Monat übrig, wie der Spruch sagt.

Ja, war. Meine Mutter, die in solchen Dingen ein Genie ist (das zieht sich durch unseren Aspi-Familienstamm), hat mir ihren Trick aus der Studienzeit verraten, der so einfach ist und doch so einleuchtend und praktisch klang, dass ich ab jetzt versuche, ihn durchzuziehen. Wie hatte sie mir das noch gleich beschrieben?

"Stelle dir 5 "Wochentöpfe" bereit und lege am Anfang des Monats in 4 Töpfe gleichmäßig verteilt das Geld rein, das du nach allen festen Abzügen für deinen Unterhalt übrig hast. 

Sollten am Ende der 1./2./3. oder 4.Woche ein paar Euro übrig sein, dann lege sie als "Notgroschen" in den Topf Nr.5; Topf Nr.5 darf aber erst 3 Tage vor Monatsende wieder geleert werden! 

Diesen "Trick" habe ich in meiner Studienzeit angewendet - mache ich sogar heute noch manchmal - der hilft ungemein und man "bemogelt" sich nicht selbst!!!"

Ja, das mit dem Bemogeln kenne ich zu gut: Wenn es drauf ankommt, finde ich immer irgendwelche Gründe, warum ich gerade eine bestimmte Anschaffung brauche, und weg ist das Geld, das ich vielleicht in der letzten Monatswoche noch benötigt hätte.

Ich habe ihren Trick noch um zwei Punkte erweitert:

1. Ich lege das Geld ausschließlich in Zwanzig-Euro-Scheinen in die Töpfe (bzw. Gläser, die man oben im Bild sieht). Ich lege immer nur einen Zwanziger in's Portemonnaie, und wenn der zur Neige geht, nehme ich mir einen neuen.

2. Ich bezahle ausschließlich in bar. Das habe ich jahrelang nicht mehr gemacht, weil die kontaktlose Kartenzahlung so einfach und schnell geworden ist - Karte an das Gerät halten, zwei Sekunden warten, Betrag ist vom Konto abgebucht. Das ist so einfach, dass man schnell den Überblick über viele kleine Ausgaben verlieren kann. Bei mir ist das zumindest so, da muss ich ehrlich sein.

Ob das alles nun funktioniert, werde ich erst nach ein paar Monaten resümieren können. In der ersten Woche habe ich allerdings bereits gemerkt, dass ich deutlich weniger "Unnötiges" einkaufe und gerade die Barzahlung mir gut tut, da ich nicht mehr Geld ausgeben "kann", als ich im Portemonnaie habe.

Danke, Mama! 💑

Montag, 4. Dezember 2023

Tag 126 - Kiel lahmgelegt.


Ich finde Widersprüche faszinierend, das war schon immer so. Kein Wunder, dass das Oxymoron eines meiner liebsten Stilmittel war.

Kiel bewegt.

Kiel macht mobil!

Diese Slogans findet man derzeit überall in der Stadt, an Bushaltestellen, auf Plakatwänden, überall wird angepriesen, dass Kiel in der Mobilitätswende vorankommt. Seit dem Wintereinbruch vor ein paar Tagen geht aber gar nichts mehr.

Es ist ja nicht nur, dass die Busse überfüllt sind, gerade zu den Stoßzeiten morgens, mittags und abends. Schulverkehr, Berufsverkehr, und die Straßen sind dicht. Die Wege auch. Es macht keinen Spaß, rauszugehen. Wen man dann doch einmal in die Innenstadt muss, geht man besser zu fuß, warm eingepackt. 

Und wenn man dann am Dreiecksplatz auf die Linie Elf wartet, treten italienische Zustände ein: Eine halbe Stunde lang kommt überhaupt kein Bus, dann drei Busse der gleichen Linie innerhalb von zwei Minuten - und wenn man dann denkt, oh, dann steige ich in den zweiten ein, der ist nicht so voll wie der erste - nix da, der zweite Busfahrer deutet darauf hin, in den vorderen Bus einzusteigen. Teilweise wird auch gar nicht mehr an Haltestellen gehalten. Der Hinweis "Einige unserer Busse fahren mit fünfzehn bis dreißig Minuten Verspätung" auf der Homepage vom Wochenende ist heute durch folgenden Hinweis ersetzt worden: "Aufgrund hoher krankheitsbedingter Personalausfälle, und witterungsbedingten Fahrzeugdefekten, kommt es leider zu ungeplanten Fahrtausfällen."

Da hilft nur noch eine Menge Geduld.

Freitag, 1. Dezember 2023

Tag 123 - Weihnachtsbasar: Danach


Schneechaos wäre vielleicht ein bisschen viel gesagt, aber der Wintereinbruch war trotzdem stark genug, dass Kiel gesagt hat, dass trotz Streiks der Straßenräumdienste kein Unterricht ausfallen wird. Es liege in jedermanns Eigenverantwortung, den Weg zur Schule sicher herumzubringen oder seine Kinder zuhause zu behalten. Also konnte gestern der Basar wie geplant stattfinden, auch wenn ich auf dem Weg dorthin ein paarmal in's Rutschen bekommen bin; immerhin war ich ausgeschlafen, weil ich - was ich sonst nie mache - nach den Morgennachrichten wieder in's Bett gegangen bin und weitergedöst habe, mit Hörspielen, die das Scheißwetter draußen ausblenden. Meine Hoffnung war, dass ich keine Weihnachtsstimmung zum Basar mitbringen sollte, denn das klappt bei mir nicht so richtig.

Genau genommen war ich mir noch nichtmal sicher, ob ich überhaupt dort ankomme. Die Busse Richtung Kieler Osten gerammelt voll, ich habe extra zwei Busse vorbei fahren lassen, aber irgendwie hat es dann doch geklappt.

Zum Glück! Auf dem Gelände meiner ehemaligen Schule war viel los, reichlich Kinder, die den schneebedeckten Berg vom Wasserturm herunterrodelten, und überhaupt viel zu viele Menschen, so dass mein Blick wieder nach unten auf den Boden gerichtet war. Ziel war das Foyer, zur 9a, bekannte Gesichter finden, und von da an war es einfach nur schön.

Ich habe mich wieder wie "zuhause" gefühlt. Überall ehemalige SchülerInnen, die mich grüßen, und mit denen ich in's Gespräch komme, aus allen Klassenstufen, die ich unterrichtet habe. Teilweise wurde ich per Handy ex absentia gegrüßt und auch Schüler, die ich nur einmal in einer Vertretungsstunde hatte, sind auf mich zugekommen und wir haben uns an die gemeinsame Zeit erinnert.

Ich hätte sie am liebsten in die Klassenräume geschickt und direkt weiter unterrichtet. Sie fehlen mir wirklich sehr, ich vermisse ihre Vielfalt, und auch ein paar KollegInnen, die ich gesehen habe, haben die Situation nicht einfacher gemacht. Am Ende bin ich sehr glücklich, aber mit zwei Tränen in den Augen, wieder vom Schulgelände gegangen, und wenn ich könnte - weil zum Beispiel jemand zum Sommer in den Ruhestand geht - würde ich mich direkt wieder dort bewerben. 

Miss u guys!

...so much...