Dienstag, 5. Januar 2021

Flüchtlinge in einer neuen Welt


Ich kann mir nicht einmal im Ansatz vorstellen, wie es sein muss, aus seiner Heimat zu fliehen. Familie und Freunde zurückzulassen, Besitz zurückzulassen, die eigene Kultur zurückzulassen und in einem neuen Land gefordert zu sein, sich anzupassen. Seit ein paar Monaten gibt es einen Netflix-Film, der dieses Erlebnis und die Konsequenzen eindrücklich zeigt - His House (2020).

Das Ehepaar Bol und Rial fliehen mit ihrer Tochter Nyagak aus dem Südsudan, in dem Krieg herrscht. Bei der Überfahrt auf dem Meer ertrinkt ihre Tochter, und so landen die beiden am Ende in Großbritannien und sehen sich mit Lästereien, Benachteiligungen und Ausgrenzungen konfrontiert. Besonders erschreckend fand ich eine Szene, in der ausgerechnet ein schwarzer Brite Rial entgegenruft, sie solle nach Afrika zurückgehen.

Immerhin werden die beiden nach langer Zeit im Flüchtlingslager in einer eigenen Wohnung untergebracht. An jeder Ecke spürt man die Feindseligkeit, die ihnen entgegengebracht wird, und in dieser Hinsicht ist der Film durchaus realistisch. Als wäre die Situation nicht schon düster genug, verfolgen die Gedanken an die verlorene Tochter die beiden in ihre Träume, und sie sind hin- und hergerissen: Bol möchte sich anpassen, möchte in die Zukunft sehen, möchte mit allem abschließen. Rial kann das Gedenken an ihre Tochter nicht aufgeben, kann die Traditionen aus ihrem Heimatland nicht ablegen, möchte auch weiterhin ihre Muttersprache sprechen.

Der Film verfolgt mich in meinen Gedanken, denn die Szenen des Kriegs zeigen, dass die Realität grausamer sein kann als jeder Horrorfilm. Im letzten Drittel des Films gibt es eine Szene, bei der mir der Mund offen stand - und zwar ganz ohne Gewalt, Jumpscares und Blut. In der Hinsicht erinnert mich der Film an Tell Me Who I Am (2019); die Verquickung von Krieg mit alltäglichem Horror und traditionellem Grusel lässt mich an den persischen Under The Shadow (2016) denken, der im Iran-Irak-Krieg spielt.

Ich finde es ziemlich interessant, wenn Horrorfilme ernste Themen ansprechen und ernsthaft beleuchten. His House ist auf Netflix verfügbar, und wer eineinhalb Stunden Zeit zur Verfügung hat, dem empfehle ich diesen Film wärmstens.

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