Montag, 18. Januar 2021

Der Videokonferenz-Horror

Wenn man zu viel Ablenkung sieht...

Das Lernvideo muss warten - ich habe zwei Stunden gebraucht, um die Erlebnisse aus den Online-Zeugniskonferenzen zu verarbeiten. Immerhin, eine Erkenntnis ist dabei herumgekommen, allerdings nicht gerade praktisch für das Distanzlernen. Aber ich gehe chronologisch vor.

Heute mittag habe ich an meine sechsten Klassen einen Wochenplan verschickt, neue Unit im Englischbuch, Soundfiles, damit sie sich den Einführungstext anhören können, Lesen üben, dazu eine Aufgabe zur listening comprehension. Und Vokabelhausaufgaben - dafür habe ich ein Video hochgeladen, in dem ich den Schülern die Vokabeln vorlese, mit kleinen Pausen, damit sie sie nachsprechen können (wer wissen will, wie das konkret aussieht: hier klicken). Arbeitsblätter zu den neuen Vokabeln folgen dann in der nächsten Mail. Lieber nicht zuviel auf einmal; eine meiner Ex-Schulleiterinnen hat mir mal gesagt "...und bitte texte sie nicht zu." - und das habe ich mir zu Herzen genommen.

Das war eine gute Erfahrung, und ich war sehr gespannt auf die Zeugniskonferenzen per Video. Dann hat mich die Technik verlassen: Das Mikrofon meiner externen Webcam ist kaputt, meine interne Webcam ist kaputt, aber das Mikrofon funktioniert. Mein Programm für die Videoaufzeichnung war klug genug, sich das Bild von meiner externen Kamera zu holen und den Sound aus meinem Laptop-Mikro. Leider hat das in der Videokonferenz nicht geklappt, und so habe ich nur "visuell" an der Konferenz teilgenommen und meinen Senf im Parallel-Chat dazugegeben. Das hat einigermaßen geklappt - bis wir zu einem Schüler gekommen sind, zu dem ich gern ein, zwei Sachen gesagt hätte, oder nachgefragt. 

Das waren keine absolut wichtigen Dinge, aber die Situation hat mir bewusst gemacht, dass ich ernsthafte Probleme bekommen werde, wenn ich eine Videokonferenz selbst leiten soll - zum Beispiel für Live-Online-Unterricht: Ich habe von dem Punkt an in meinem Kopf festgehangen an diesem Schüler, während die Konferenz natürlich weitergegangen ist. Ich habe nachgedacht, dazu hatte ich dann den Video-Feed von mehreren Kollegen vor mir und überlegt, wo die Kollegen wohl gerade sind, ob mit Handy oder Rechner, und dann hat es bei einem Kollegen an der Haustür geklingelt und ich konnte das nicht ausblenden. Ich habe darüber nachgedacht, ob er wohl zur Tür geht oder das ignoriert, und dann hat bei einem anderen Kollegen ein Hund angefangen zu bellen, und ich habe mich gefragt, wer das wohl war. Ich habe dann auf die Mikrofon-Symbole geschaut, um zu sehen, wer jetzt wohl sein Mikro abgestellt hat, und dann sehe ich, wie eine Kollegen klanglos Grimassen schneidet und frage mich, was sie wohl gerade sagen möchte. Kopfschütteln heißt nein, richtig, aber ihr Mund hat sich bewegt und ich habe überlegt, was sie wohl gerade von sich gibt.

Ich glaube, ich muss nicht noch mehr aufzählen, um den Punkt rüberzubringen: Ich bin vollkommen überfordert in einer Videokonferenz - es geht dann, wenn ich eher nur zuhören soll, wie zum Beispiel bei einer Lehrerkonferenz, aber wenn ich meinen Senf dazugeben soll, oder gar die Konferenz leiten, während mir zwanzig Schüler angezeigt werden, dann macht mein Kopf dicht. Diese Bewusstwerdung war für mich richtiger Horror, weil mir mal wieder der Begriff "Behinderung" vor Augen geführt wurde und weil mein kompletter Plan in Sachen Unterricht und auch in Sachen Tag zusammengebrochen ist. 

Die nötige Technik kann man einkaufen. Die nötige Kopfkontrolle nicht.

post scriptum: Und das tut mir wahnsinnig leid, weil ich nämlich wieder denke, dass ich der Schule zur Last falle - was man mir an anderen Schulen ja auch schon sehr deutlich gesagt hat. Ich habe zwei Stunden gebraucht, um diesen Horror zu verarbeiten, und versuche jetzt einen neuen Plan zu finden. Neues Notebook kaufen, und dann wieder auf den ursprünglichen Plan zurückkommen - Wochenplan, Aufgaben schicken, in der zweiten Wochenhälfte eine Messenger-Sprechstunde anbieten.

Es tut mir wirklich leid.

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