Heute mal wieder ein Glas Asperger Pur, diesmal bei'm Bäcker:
Ich: "Ich hätte gerne zwei Berliner, einen mit Pflaume, einen mit Schoko."
Sie: "Das geht los. Ein bisschen was für die Seele."
Ich: "Ja, und ich mag die richtig gern."
Sie: "Ich hab' momentan genug von Berlinern, die ganzen Unmengen, die wir hier an Silvester verkauft haben und auch selbst gegessen haben..."
Ich: "Das kenne ich, irgendwann hat man sie einfach satt und braucht erstmal wieder eine Pause."
Das habe ich zwar gesagt, aber eigentlich ist es gar nicht so. Ich kann jeden Tag das Gleiche essen, ohne dass ich die Speise irgendwann einmal satt habe. Darüber habe ich auch hier im Blog schon einmal geschrieben. Das ist wirklich kein Problem für mich, im Gegenteil: Wenn ich etwas esse, das ich mag, und weiß, dass ich es morgen wieder esse, und dass es mir morgen wieder schmecken wird, dann habe ich eine weitere Sicherheit im Alltag, und Aspis sehnen sich nach Sicherheit in einer chaotischen Welt.
Das ist alles nichts Neues, habe ich schon öfters beschrieben. Interessant ist: Wenn Aspis doch so offen und direkt gern die Wahrheit sagen, warum habe ich der Angestellten dann erzählt, ich würde das Gefühl kennen?
Unerkannte Aspis (und wahrscheinlich auch alle anderen) wachsen auf mit dem Gefühl, dass sie anders sind oder Sachen falsch machen. In der Konsequenz beobachten sie neurotypische Menschen, lernen und imitieren deren Verhalten - um nicht allzu sehr aufzufallen. So kann es passieren, dass bis in's Erwachsenenalter niemand merkt, dass sie autistische Verhaltensweisen haben. Mir ist das nie so bewusst gewesen, aber das Buch von neulich, über das Asperger-Syndrom im Erwachsenenalter, hat genau diese Thematik gründlich erklärt.
Viele Aspis, gerade hochbegabte und solche, die eben nicht diagnostiziert wurden, wenden die Imitation als eine von vielen Kompensationsstrategien an, um normal zu wirken. Mir war es oft nicht einmal bewusst, auch heute bei'm Bäcker nicht, dass ich gerade eine Phrase rausgehauen habe, die eigentlich nicht der Wahrheit entspricht. Ich habe das irgendwann einmal auswendig gelernt und wende es in passenden Situationen an.
Wenn der Aspi im Kindesalter erkannt wird, kann er aufwachsen mit dem Gedanken "Ich bin anders, und das ist okay so, denn das hat neurobiologische Gründe, für die ich nichts kann. Ich muss mich nicht verstellen, und wer damit nicht klarkommt, sollte an seinem eigenen Toleranzlevel arbeiten." Und wenn er nicht erkannt wird, dann wird er ein meisterhafter Vertreter des method acting - in diesem Fall schauspielen, um nicht aufzufallen.
Erstere Alternative ist angenehmer.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen