Dienstag, 29. November 2016

Nichts bereuen


Ich bereue nichts.

Ich bereue nicht, dass ich alle möglichen Haarfarben ausprobiert habe. Auch wenn das Blau dann doch eher türkis war, auch wenn es etwas von Aquarium hatte und eine Freundin mir einen Haarreif mit Fischen aufsetzen wollte. Auch wenn es nicht wirklich blond war, sondern pommesgelb. Auch wenn mir die Farbe überhaupt nicht stand. Immerhin habe ich das alles einmal ausprobiert.

Ich bereue nicht meinen ersten bewussten Drogenkonsum. Das war damals, als ich mit einem Kommilitonen Sachen für die Saturnalien vorbereitet habe - wir haben dabei cuarenta y tres con leche getrunken. Ich war neugierig, und es war lecker. Schmeckte wie ein Vanillemilchshake, überhaupt nicht nach Alkohol. Cool, gleich noch ein zweites Glas davon. Und ein drittes. Und als ich aufgestanden bin, weil ich aufs Klo musste, schwankte plötzlich der Raum hin und her. Ich kannte das nicht - aber jener Kommilitone hat mir die Sache ganz behutsam erklärt. Diesen Abend bereue ich nicht. Auch wenn ich über zwanzig Jahre nichts konsumiert hatte und damit eine Hemmschwelle überschritten worden ist. Auch wenn das den Weg geebnet hat für eine intensivere Auseinandersetzung mit Drogen. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, und ich würde es wieder tun.

Ich bereue nicht, dass ich mein Studium in die Länge gezogen habe. Saturnalien, Liebe, Fachschaft, Studierendenparlament, HiWi. Ich würde den gleichen Weg nochmal gehen, auch wenn ich dadurch vielleicht eine Planstelle verpasst habe. Auch wenn ich meinen Eltern noch länger auf der Tasche liegen musste - und das schlechte Gewissen deswegen. Auch wenn mich manche blöd anschauen, wenn ich ihnen erzähle, dass ich sechzehn Semester lang studiert habe.

Ich bereue nicht, dass ich Flo in mein Leben eingeladen habe. Das kam mehr durch Zufall, durch eine Auszugsparty und durch ein Foto. Wir haben uns geschrieben and the rest is history (his story?). Das bereue ich nicht, auch wenn ich in der Folgezeit oft seinetwegen traurig war, auch wenn ich mich öfters von ihm verletzt gefühlt habe, auch wenn ich mich phasenweise auf nichts Anderes mehr konzentrieren konnte, auch wenn ich seinetwegen geweint habe. Ich habe mich bewusst entschieden (und ihn vorgewarnt), diese Sache anzugehen, und es ist auch meine bewusste Entscheidung, dass ich immer für ihn da sein werde. Ich würde es wohl bereuen, wenn ich ihn jetzt aus meinem Leben striche.

Ich bereue all diese Sachen aus zwei Gründen nicht:

1) All diese Sachen haben ihr Gutes. Ob es nun meine Lieblingshaarfarbe ist, Lebenserfahrung, neue Freundschaften, ein anderes Gefühl von Liebe - es ist viel Gutes dabei herumgekommen, so dass ich sagen kann: Es hat sich gelohnt!

2) Was würde mir die ganze Reue nützen? Ich zöge mich damit nur runter, das hat mit dem Konzept vom Leben im Hier und Jetzt nicht viel zu tun, weil ich deprimiert auf die Vergangenheit schaue und mir "Was wäre gewesen, wenn..."-Schlösser aufbaue.

Ich habe das mal irgendwo gelesen, da hatte einer die Lebenseinstellung "Nichts bereuen." und ich konnte mich damit identifizieren.

Und das bleibt auch so.

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