Samstag, 5. November 2016

Arroganz


Wenn ich meiner Umwelt glauben darf, insbesondere den Menschen, die mich nicht besser kennen, dann habe ich eine extrem arrogante Ausstrahlung auf Andere. Überheblich noch dazu. Ich habe mich nie als einen arroganten Menschen gesehen, und als mir dann ausgerechnet meine erste Schulleiterin, damals an der Theodor-Storm-Schule in Husum, direkt ins Gesicht gesagt hat, für wie arrogant, überheblich und vermessen sie mein Verhalten erachtet, da ist für mich eine kleine Welt zusammengebrochen.

Wie konnte das sein? Ich dachte, ich bin immer freundlich, möglichst oft fröhlich, ich bin nett zu anderen Menschen, ich versuche, zu helfen, ich versuche, Dinge zu erklären, ich gehe freundlich auf Schüler zu, ich verstelle mich und versuche meine Begabung zu verstecken, so gut es geht, damit niemand merkt, dass ich anders bin. So habe ich mich damals selbst gesehen.

ADHS: Können die scheiß hupenden Autos nicht einfach mal einen Unfall am Waldwiesenkreuz bauen? Nur weil mal wieder jemand sein Lebensende mit drei Buchstaben besiegelt hat... (bitte nicht allzu ernst nehmen!)

Dann sagt sie mir das ins Gesicht, ich verstehe die Welt nicht mehr und frage Menschen um Rat. Meinen Lateinmentor (denn meine Englischmentorin hatte einfach keinen Zugang zu mir) und meine Studienleiterin in Englisch. Ausgerechnet sie war es dann, die mir die Dinge am Tag meines zweiten Staatsexamens, als alle Prüfungen abgehakt und alle Noten besiegelt waren, erklärt hat.

Wenn man hochbegabt ist, tendiert man dazu, die Dinge so zu sagen, wie sie sind. Allerdings macht man das oft nicht so platt wie ein Donald Trump oder ein Lutz Bachmann, sondern bedient sich dabei einiger Fremdwörter, um die Dinge möglichst treffend zu schildern. Der präzise Umgang mit Fremdwörtern und hochgestochenen Ausdrucksweisen, die Tatsache, dass man in der Regel Recht hat und bestimmte sensible Themen meist direkt und schonungslos anspricht, so erklärte sie mir, wird von einer verständnislosen Umwelt sehr oft als Arroganz aufgefasst.

Manche Menschen können damit nicht umgehen und geben sich dann Gedanken hin wie z.B. "Muss er jetzt schon wieder betonen, dass er hochbegabt ist?" - "Hält er sich für was Besseres?" - "Dieser Angeber!" - "Das hätte man jetzt auch einfach ausdrücken können." - "Der hat ja echt null Taktgefühl." - "Mann, ist der rücksichtslos und unsensibel." - "Warum finden die alle den so toll?" - "Ich find ihn einfach nur scheiße." - "Ekelhaft, wie viel Selbstbewusstsein der hat!"

Meinen Beobachtungen zufolge scheinen insbesondere jene Menschen dieser Denkweise anheim zu fallen, die selbst ein defizitäres Selbstbewusstsein haben und ihre Unzulänglichkeiten im Verhalten des Hochbegabten gespiegelt sehen. Und hier gilt, was ich in den letzten Tagen geschrieben habe: Man kann das Verständnis nicht erzwingen, nicht forciert herbeiführen, sondern muss es einfach laufen lassen. Und auch das hätte ich nie begriffen, wenn die Dame, die mich für gewöhnlich auf den Erdboden zurückholt, mich nicht auch hier aufgeklärt hätte.

Rückblickend betrachtet bin ich meiner Studienleiterin sehr dankbar dafür, dass sie mir den Sachverhalt klargemacht hat. Ich kann nicht sagen, ob es allen Hochbegabten so geht. Aber eine Frage, die ich den HBs gern stelle, die ich so treffe, lautet "Werfen die Menschen dir auch manchmal Arroganz vor?" - und die Antwort ist in den meisten Fällen positiv.

Leider.

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