Mittwoch, 16. November 2016
Fünf-Sterne-Tag
Also, eigentlich wäre ja ein Kapitel auf der Titanic dran, denn Patrick Grearson kommt dem Geheimnis immer weiter auf die Spur, er bastelt den Drittschlüssel, das Taschentuch mit Monogramm und das Foto von Geraldine Dobbins zu einem komplexen Puzzle zusammen. Aber ich muss heute etwas Anderes loswerden. Das nächste Krimi-Kapitel folgt dann!
Außensicht: Dr Hilarius kommt zuhause an, wirft seine Tasche in die Ecke, zieht sich aus, setzt sich an seinen Schreibtisch und stiert regungslos eine Stunde lang auf ein Video mit komischer Musik, wo kaum etwas zu erkennen ist, weil es alles dunkel ist. Nur am Atmen erkennt man, dass Dr Hilarius noch lebt. Dann steht er auf, kocht etwas Sumpfwasser auf - das sieht aus wie Algen - und lässt Badewasser einlaufen. Die ganze Zeit über läuft dabei seltsame Ethno-Musik. Er steigt ins Bad, löst eine Billig-Badetablette von Rossmann im Wasser auf (na lecker, das Wasser wird pissgelb) und macht zwei Billig-Stimmungslampen an. nota bene: Die Wohnung ist vollgemüllt, es liegen überall kleine Wäscheberge herum, die Essensreste von gestern stehen noch auf dem Herd UND ES MIEFT. Dr Hilarius steigt aus dem Bad, legt sich auf die Couch, und zwar auf brettharte Handtücher, und hört eine Stunde Musik. Dabei tut er nichts. Doch als er "aufwacht", ist er glücklich, zufrieden, im Einklang mit sich selbst, entspannt und hat einen Fünf-Sterne-Tag erlebt. WTF?! Wie geht das?
Innensicht: Endlich bin ich zuhause, hmmmmm, ich werde empfangen vom wohligen Aroma der Räucherstäbchen, die mir Ruhe und Geborgenheit signalisieren. Die Kleidung fühlt sich noch nach Arbeit und Schule an, also weg damit, ich befreie mich von den Lasten des Vormittags. Ich schaue mir bei Youtube einen Konzertmitschnitt an, wieder mal Fever Ray, die ich unglaublich faszinierend finde. Künstlerisch hochwertig und anspruchsvoll. Ich werde berauscht von dem Spiel mit Licht und Schatten auf der Bühne, schräge Töne für den Entfremdungseffekt, Mystifizierung. Ich spüre, wie der spirituelle Puls der Musik auf meinen Körper übergeht. Dieser Puls lässt nicht nach, und so leg' ich mir im Raumklang Psybient-Musik auf, es gibt Entheogenic mit Natürklängen und warmen Rhythmen, die den Puls weiterführen. Ich koche mir einen Tee auf zur Entspannung und um von innen heraus gewärmt zu werden. Im Takt des spirituellen Pulses gehe ich durch die Wohnung Richtung Bad, lasse warmes Wasser einlaufen, schalte das Licht aus und die Farbwechsel-Stimmungslampen ein. Ich steige ins Wasser und nehme die Badetablette mit. Nach und nach merke ich, wie die Raumluft aromatisiert wird vom exotischen Duft der Frangipaniblüten, nach und nach färbt sich das Badewasser. Ich kann nicht erkennen, welche Farbe es hat, denn das farbige Licht der beiden Stimmungslampen interagiert mit der Wasserfarbe, und so schwebe ich mal in blauem, mal violetten, mal grünen, mal roten, mal gelben Wasser, genieße die Farbenspiele, genieße den Duft, genieße die Musik, die aus dem Wohnbereich zu mir hereindringt. Nach dem Bad ist mein Körper warm, die Haut weich, ich fühle mich sauber, wohl, den ganzen Stress von mir weggespült. Ich entzünde zwei Räucherstäbchen, der spirituelle Puls ist noch immer da, und lege meine Meditationsmusik auf. Dann lege ich mich auf die Couch. Die weiche Haut schmiegt sich an die straffen, gestärkten Fasern des Handtuchs und ich empfinde ein angenehmes Kribbeln. Ich bewege meinen Körper jetzt nicht mehr, atme nur noch, und lasse meinen Geist wandern. Während der Meditationsstunde lasse ich den Tag Revue passieren, ich genieße die schönen Momente, ich kläre die schwierigen Momente, ich suche Antworten auf meine noch offenen Fragen. Ich habe alle Zeit der Welt und fühle mich gesund und wohl. Ich lasse meinen Geist in den Körper zurückkehren und nach und nach, ganz langsam, bewege ich meine Gliedmaßen, weil es sich auf diese Weise anfühlt, als würde ich neu geboren. Erst ganz zuletzt öffne ich die Augen wieder: Das war ein unschlagbar schöner Fünf-Sterne-Tag!
Es gibt immer mehr als eine Sichtweise auf die Dinge.
post scriptum: Ich habe einen neuen Satz in meinen Hochbegabten-Werkzeugkoffer aufgenommen - genau so werde ich ihn bei Bedarf anwenden, und Ihr HBs wisst ganz genau, was "bei Bedarf" in diesem Fall heißt.
"Die Art und Weise, wie du dich mir gegenüber zum Thema Hochbegabung geäußert hast, gibt mir Anlass zu denken, dass du von Hochbegabung nicht die geringste Ahnung hast."
IN YOUR FACE! (und immer schön sachlich bleiben)
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