Donnerstag, 24. November 2016

Termin bei Fr. Kliewer


Ihr glaubt doch wohl nicht ernsthaft, dass ich den spannendsten Teil des Titanic-Krimis an einem Donnerstag veröffentliche, wo niemand Zeit zum Lesen hat, jedermann genervt ist von der Woche und eigentlich nur noch ins Wochenende möchte? Nein, vielleicht morgen. Vielleicht Samstag. Vielleicht in einem anderen Leben. Heute lieber wieder eine Lektüre in Sachen hochbegabte Drama Queens.

Die HBs können aus Allem ein Drama machen. Je unbedeutender, desto mehr Potential. Das müssen sie sogar. Das zeugt von ihrer Fähigkeit, zu... naja, zu... äh... sie können es einfach. Sie tun es einfach. Sie haben nicht mehr alle Tassen im Schrank, das ist ja nix Neues. Sie brauchen Aufmerksamkeit, wollen aber in Ruhe gelassen werden. Hillary, wo ist mein Drehbuch für heute? Schluss mit Bewusstseinsstrom.

Ich mache ein Drama aus Friseurbesuchen. Warum? Meine Haare auf dem Kopf nerven mich. Ich hatte sie mal lang. Sehr lang. Fast bis zu den Hüften. Um das mal ausprobiert zu haben und sagen zu können, dass das jetzt nicht unbedingt mein Ding ist und ich mich mit kurzen Haaren wohler fühle. Wenn ich nicht die ganze Wohnung vollhaare. Wenn die Haarpflege nur drei Minuten dauert. Wenn ich nicht noch drüberfönen muss. Wenn die Haarspitzen mich nicht überall pieksen und kitzeln, denn das nervt beim Denken. Und ich schwitze wie ein Tier. Also: Ab mit dem Kopf!

Es könnte so einfach sein. Ich mach' nen Termin beim Friseur, der schnappt sich das elektrisierte Messer und macht mich ein Haar kürzer. Aber... zu welchem Friseur gehe ich? Abwägung der Argumente. Preis, Qualität, Lage, Freundlichkeit, Service, Sauberkeit, Inneneinrichtung, Geschlecht, um nur ein paar der HB-Faktoren zu nennen. Dann habe ich irgendwann einen scheinbar passenden Friseur in der Stadt gefunden, toller Termin, läuft, ich wieder von der Last befreit nach Hause, toll. Zwei Monate später nervt's mich schon wieder. Aber ich muss extra nen Termin machen? Ich muss da anrufen??? Ne lass' mal.

Und dann müsste ich ja auch erstmal in die Stadt. Das dauert so lange, in der Zeit könnte ich viel Sinnvolleres machen, zum Beispiel Nathan Drakes durchgeschwitztes Hemd anschauen, während er Schätze sucht, oder Miku Hinasaki unter den Rock schauen, während sie vor dem Klingelopa davonläuft (Buba-Titten platzen gerade). Alles viel zu kompliziert, also gehe ich nicht zum Friseur. Haare werden länger und länger, nerven mich mehr und mehr, ich werde richtig unglücklich. Es fängt an, mich richtig zu blockieren.

Dann sollte ich vielleicht die umständlichen Faktoren ausschalten, nämlich das "anrufen und in die Stadt fahren". Denn seitdem ich in meine neue Wohnung gezogen bin, wohne ich drei Etagen über dem Friseursalon von Frau Kliewer, aus dem ich mir mit schöner Regelmäßigkeit Pakete abhole, die sie mal wieder angenommen hat, weil ich gerade Minderjährige gefoltert habe. Warum um alles in der Welt gehe ich nicht einfach zu ihr???

Nein. Dann müsste ich an einen neuen Ort gehen, neue Menschen kennenlernen, und vielleicht ist das da gar nicht gut und zu teuer und Treppensteigen und ich finde immer wieder Gründe. Heute ist mir dann der Kragen geplatzt, als ich vier Kilo Haare unter meiner Couch weggesaugt habe. Nett angezogen, runter zu Frau Kliewer, sagen sie mal, ich kann doch auch einen ganz langweiligen Maschinenhaarschnitt bei ihnen bekommen, oder? Und schon hab ich für morgen einen Termin, um endlich wieder frei durchzuatmen.

War das jetzt so schlimm? Nein. War das jetzt so schwierig? Nein. Aber ich bin hochbegabt, und einfach gibt es bei mir nicht. Außer in den Wissenschaften, da ist alles einfach und logisch. Aber der Alltag kann für mich eine Tortur sein. Ich werd' Frau Kliewer ne Schachtel Pralinen mitbringen, sie weiß ja nicht, was dieser einfache Friseurtermin für mich bedeutet.

Mann HB, warum machst Du es Dir immer so schwer?

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