Donnerstag, 31. August 2017
Der Teufel und die Fliegen
"Schade, dass du nicht bei uns bleiben kannst. Aber keine Sorge, so ein toller Lehrer wie du findet doch sofort wieder eine Stelle!"
Nein, findet er nicht.
Und darum geht es heute. Wie es sein kann, dass eine junge Lehrkraft mit den besten Referenzen keine Stelle bekommt; das lässt sich nämlich wunderbar erklären.
Ich war bisher an vier Schulen tätig. Ich bin jedesmal auf die gleiche Weise an die Schule gekommen: Es bestand kurzfristiger, dringender Bedarf für Englisch. Da in solchen Situationen jeder Lehrer besser ist als kein Lehrer, haben diese Schulen mich aufgenommen, trotz schwarzen Outfits und komischer Denkweise. Und jedesmal hat es sich an der Schule so entwickelt, dass ich ein beliebter Lehrer geworden bin. Das spricht sich rum, und so ist der Eingangssatz einer Kollegin ganz ehrlich gemeint: So ein beliebter Lehrer findet doch problemlos eine Arbeit!
Tja. Schauen wir uns mal den anderen Fall an. Jenen, bei dem an einer Schule eine Lehrerstelle frei ist und Dr Hilarius sich, wie viele andere auch, darauf bewirbt. Die Auswahlkommission hat also keine Arbeitserfahrungen, sie hat keine Ahnung, dass Dr Hilarius auch an ihrer Schule ein beliebter Lehrer werden könnte. Der einzige Eindruck ist ein halbstündiges Auswahlgespräch, und dabei komme ich nicht gegen die anderen Bewerber an. Mein Outfit schreckt ab ("Der ist wohl gerade aus der Uni, der ist uns noch zu unerfahren"), meine Sprechweise schreckt ab ("Arrogant! Überheblich! Scheint sich für Gottes Geschenk zu halten!").
Da nützt es nichts, dass ich ein Examen mit 1,9 habe (geht definitiv besser). Da nützt es nichts, dass ich Einser-Gutachten in der Tasche habe (kann ja jeder sagen). Da nützt es nichts, dass meine ehemaligen Schulleiter sich bereit erklärt haben, Werbung für mich zu machen - denn den Aufwand, dort anzurufen, macht sich die Auswahlkommission nicht.
Es ist also ganz logisch, dass meine einzige Chance auf eine Lehrerstelle darin besteht, eine Vertretung zu übernehmen ("Ja, wir nehmen Dr Hilarius, in der Not frisst der Teufel Fliegen") und die Schulleitung irgendwie davon zu überzeugen, dass ich eine großartige Bereicherung für ihre Schule wäre.
Dieses Szenario ist nicht gänzlich unrealistisch; in SPO ist es genau so gelaufen. Dort stand letzten Endes eine Entfristung bevor - aber ich bin gegangen, und ich weiß immer noch, was mir dadurch entgeht. Ich vermisse die Nordseeschule wirklich sehr.
Und somit warte ich weiter darauf, dass sich dieses Szenario wiederholt.
post scriptum: Ich habe heute angefangen, "Rime" auf der PS4 zu spielen. Toll, Nostalgie pur, ich fühle mich ganz stark an "Myst" erinnert und genieße jeden Schritt auf dieser unbekannten Insel, jedes Rätsel, das es zu lösen gilt.
Mittwoch, 30. August 2017
Wahltendenzen
Sollte es mich beunruhigen, dass meine Haltung immerhin zu fast einem Drittel der der AfD entspricht? |
Es ist nicht mehr lange hin bis zur Bundestagswahl. Seit heute mittag steht für Interessierte wieder der Wahl-O-Mat zur Verfügung. An alle, die ihn noch nicht kennen: Hier erfährt man anhand von achtunddreißig Thesen, welche Parteien der eigenen politischen Meinung am ehesten entsprechen. Natürlich dient das Programm nur zur Information; es soll keine politische Vorschrift geben.
Und so habe ich das Ganze heute ausprobiert und bin ein wenig erstaunt, dass Die Linke am ehesten meine politische Gedankenwelt widerspiegelt, dicht gefolgt von B'90/Grüne. Die Grünen lagen bei meinen Wahlomaten immer recht weit oben. Was mich wirklich ernüchtert ist, dass die Schnittmenge mit der NPD größer ist als mit der FDP - und die hatte ich einst gewählt.
Wie schaut es bei Euch aus? An die Große Buba: Dein Parteienspektrum würde mich mal interessieren. Klick auf den Link da unten, dauert nicht lange.
Hier geht es zum Wahl-O-Mat!
Wie soll man das eigentlich schaffen, junge Menschen dazu zu bringen, sich eine politische Meinung zu bilden? Ich fand Politik immer furchtbar uninteressant, ich kann gar nicht genau festmachen, wann der Schalter in meinem Kopf gekippt ist. Passiert das bei jedem? Zeigt jeder Mensch irgendwann politisches Interesse?
Sonntag, 27. August 2017
Sie ist weg (+Treppen)
Sie ist weg - WEG! ...und ich bin wieder allein, allein...
Meine Generation dürfte sich noch gut an diese Worte der Fantastischen Vier erinnern, die Fantas haben das Gefühl des Verlassenwerdens beschrieben, allerdings auch mit einem selbstkritischen Kommentar über Egozentrik. Klingt wie mein Leben, denn jetzt ist sie weg: Gerade eben in's Auto gestiegen, mit all' ihren Möbeln, Taschen, Bildern, Kissen, Erinnerungen. Und sie hinterlässt während dieser Minuten eine große Lücke in mir, und das ist kein Wunder, denn sie war Die große Buba, oder je nach Standpunkt "die komische dicke Frau da", wenn man keine Ahnung hatte.
Und warum sitze ich jetzt überhaupt am Computer und schreibe diese Zeilen. Eigentlich sollte ich im Auto sitzen, auf dem Weg in diese neue, fremde Stadt, die mir meine Pomsa geklaut hat, und Kisten und Möbel schleppen (schweppedäh). Und ich war ja auch heute morgen pünktlich um halb zehn bei ihr, und mit der Hilfe von ein paar Freunden haben wir dann den Umzugswagen beladen. Das ging sogar relativ einfach, die große Buba hat das ganz gut geplant. Ich war allerdings ehrlich überrascht, wie schwer eine schmale Toploader-Waschmaschine sein kann; meine ganz normale, breite kam mir irgendwie leichter vor.
Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass mein Kreislauf nicht so gut mitmacht, wie ich das gern hätte, und das hat auch seine Gründe. Ich habe in den letzten Tagen mal wieder zu wenig gegessen (passiert eben in schwierigen Situationen), und das rächt sich heute. Und somit habe ich mich nach dem Einladen des Wagens davongestohlen und sitze jetzt hier und finde zwischendurch immer mal die geistige Freiheit, diesem Beitrag einen neuen Absatz hinzuzufügen.
Die beiden Träsch-Trüllers, die dicke Frau und die Schwuchtel, kennen sich jetzt seit elf Jahren, und sie behauptet immer noch ihr Märchen vom "Das war sofort klar, dass der schwul ist", mit Leuchtschrift und so, aber soll sie mal, dafür ist sie für mich immer noch Corinna Beilhardt. Wir sind in unserer Freundschaft große Schritte aufeinander zu gegangen, und das war auch nötig. Es hat gedauert, bis wir gemerkt haben, dass wir manche Dinge am Anderen einfach nehmen müssen, wie sie sind, und dass das Umdenken und die Akzeptanz in unserem eigenen Kopf anfangen muss. Und seitdem müssen wir uns einander gegenüber nicht mehr verstellen, keine Notlügen, all sowas, was man "unter Freunden" gern mal macht. Brauchen wir nicht, und das erleichtert ungemein.
Jetzt ist sie nicht mehr einmal über die Straße rüber. Jetzt gibt es erstmal nicht mehr dieses "Du gibst laut, wenn ich rüberkommen soll", kein Monsterplätten, kein Rebecca-sterben-lassen, kein Tetris, während der Hochbegabte rumnerded. So kann man sich das alles einreden, wenn man im Drama Queen-Modus bleiben möchte. Muss anfangs auch mal sein - aber letztlich ist sie nichtmal eine Stunde Zugfahrt entfernt, und wir werden schon bald wieder Monster töten und die Welt retten und uns vor alten Klingelopas vor Angst an die Wand scheißen. Schmeißen. Ich weiß nicht mehr, was ich sagen wollte, aber Grammatik war uns sowieso nie wichtig. Sie versteht Wörter wie "deidäh" und "ni wi wi a a a". Und sie hat Arbeit, also soll sie gefälligst froh sein ;-)
Aber das ist zunächst gar nicht so leicht, wenn man realisiert, dass man eine Menge Leute hinter sich zurücklässt, gerade wenn man ein sehr sozialer Mensch ist. Dann kann man sich in diesen Abschiedsschmerz richtig hineinsteigern, das hatte ich neulich hier beschrieben. Und dann ist es gut, wenn man sich ablenken lassen kann, und als Lehrerin sollte es ihr an Arbeit und Ablenkung eigentlich nicht mangeln.
Und was hat das Ganze nun mit Treppen zu tun? Nun ja, ich erzähle gern, dass ich keine Höhenangst habe, wohl aber Angst vor dem Fallen, und das intensiviert sich, wenn ich mit einer Kiste im Arm eine Treppe hinuntergehe und nicht genau die Stufen sehen kann. Ich habe Schuhgröße neunundvierzig, und wenn die Treppenstufen dann klein und schmal sind, habe ich Angst, dass ich danebentrete, abrutsche, mit dem Fuß nicht ganz auf der Stufe lande oder was noch alles so möglich ist, und dass ich dann in der Konsequenz stürze. Mir ist das heute wieder ganz nah in Erinnerung gerufen worden. Ich möchte in meinem nächsten Leben also gern etwas weniger intelligent und ein Stück kleiner sein (wenn ich Ansprüche stellen darf).
So, nun versuche ich mich an den "Zustand ohne große Buba" zu gewöhnen. Und ich kann mir glücklicherweise in Erinnerung rufen, dass ich zu meiner Zeit in Husum selbst über eine Stunde von ihr entfernt gewohnt habe, wir haben uns nur etwa einmal im Halbjahr gesehen, ansonsten blieb nur das Internet, und dort habe ich mich auch ziemlich einsam gefühlt, und warum genau wollte ich das jetzt nochmal als Trost hier schreiben???
Um mich daran zu erinnern, dass wir auch jene Zeit überlebt haben, und dass auch jene Zeit absehbar war und man nicht für den Rest seines Lebens an einem Ort bleiben muss, bzw. sollte, an dem es einem nicht gefällt.
Auch Du nicht, meine große-Buba-dicke-Tuba-Träsch-Transe-Pomsa-Tittenplatz-Kopfabdreh-Gabybarbie!
Samstag, 26. August 2017
Brunkert
Ob Brunkert oder Skinner - der Blick war derselbe. |
Es waren immer nur die Anderen, die Brunkert hatten. Meine Brüder, oder die Parallelklasse, oder der Jahrgang über uns. Und so hörte ich von Brunkert. "Der ist richtig scheiße", hieß es. Der soll seine Schüler beleidigen, sich über sie lustig machen, bei Brunkert bekommt niemand mehr als neun Punkte, das war bekannt. Brunkerts selbstgerechtes, fieses Grinsen, wenn er einen Schüler fertiggemacht hat, das war auch bekannt. Alle hassten Brunkert, das war mir klar, und deswegen hatte ich Angst vor Brunkert. Und deswegen war ich froh, dass immer nur die Anderen ihn hatten. Und deswegen fand ich Schlotfeldt auch gar nicht sooooooo schlimm. Schlotties "Wiiieeeee, das wissen sie nicht???" war halt kein "Tja, du kannst eben nix, damit wirst du da draußen auch nix."
Und dann die Hiobsbotschaft: Nächstes Jahr Erdkunde bei Brunkert. Dürfte nachvollziehbar sein, dass ich die ganze Zeit quasi mit gesenktem Haupt dagesessen habe, Angst, drangenommen zu werden und etwas Falsches zu sagen. Aber in der Klausur, da zeig' ich es ihm, das habe ich mir vorgenommen und gelernt. Gebüffelt wie ein Irrer, stundenlang, das Thema interessierte mich nicht die Bohne! Aber ich wollte es dem Kerl zeigen. Dann kam die Klausur, dann das Ergebnis - neun Punkte. SO EIN SCHEISS! Und dann bin ich auf die Barrikaden gegangen und habe Brunkert gefragt, warum er so schlechte Noten gibt, warum er so fies und gemein zu den Schülern ist - jedenfalls zu denen, die mit seinem "von hinten schräg durch die Brust in's Auge"-Humor nichts anfangen konnten.
Und Brunkert antwortete. Nicht der originalgetreue Wortlaut, daher ohne Anführungszeichen. Weil ich euch auf die Welt da draußen vorbereiten möchte, auf etwas, das sich Realität nennt. Auf fremde Betriebe, die nur pure Leistung bewerten, kein Bemühen, keinen Charakter. Denn ihr seid so glücklich in eurer egozentrischen, wohlbehüteten Welt, in der Mama und Papa alles für euch tun, in der es reicht, ein paar Vokabeln zu lernen und nett zu lächeln für eine gute Note. Das ist ja alles schön und gut, aber so funktioniert die Welt da draußen nicht. Und deswegen möchte ich euch darauf vorbereiten, damit ihr nachher nicht genauso wie begossene Pudel dasteht wie bei dieser Klausur jetzt. Ihr sollt lernen, das zu erwarten, und ihr sollt Respekt vor den euch gestellten Aufgaben lernen.
Ich war so wütend, ich habe fast angefangen zu heulen, weil ich das überhaupt nicht verstanden habe, was Brunkert damit meinte. Wohlbehütete Welt? Sorry, aber meine Jugend fühlte sich für mich nicht wohlbehütet an. Die Welt da draußen? Mann Brunkert, ich mach' mein Abi, dann gehe ich an die Uni, ich muss mich sowieso nicht mit diesen Betrieben auseinandersetzen, du Arsch! Ich habe nichts davon verstanden, auch nicht nach meinem Abi, auch nicht in meinem Grundstudium, noch nichtmal zu meinem ersten Staatsexamen.
Aber Brunkert hatte Recht.
In dem Moment, wo wir uns auf dem freien Arbeitsmarkt befinden, behütet uns niemand mehr. Da geht es unfair und fies zu, da wird einem nichts hinterhergeworfen, da kassiert man Absage um Absage, da interessieren sich die Leute einen Scheiß für mich. Und ich verstehe das nun.
Er hatte vollkommen Recht, wenn man es richtig betrachtet. Von hinten schräg durch die Brust in's Auge.
post scriptum: Wenn man keine Freunde mehr in der Nähe hat, weil alle wegziehen, dann bastelt man sich eben einen neuen Freund aus nicht-newtonschem Fluid, geht ganz schnell und einfach, man kann super mit ihm spielen, man kann ihn schlagen ohne schlechtes Gewissen und ohne dreckig zu werden und er fasziniert einen immer wieder auf's Neue. Ist das nicht toll? Und wer genau so verzweifelt ist, der nehme Speisestärke und Wasser im Verhältnis 1,2 zu 1, geduldig vermengen und Spaß haben. Und wer seinen nichtnewtonschen Freund entsorgen will, lässt ihn entweder trocknen und bröselt ihn dann in den Biomüll oder verflüssigt ihn komplett (wirklich großzügig), bevor er dann in den Ausguss wandert.
ps2: Weil ich so mutig war und das Maul aufgemacht habe, hat Brunkert mir im Zeugnis dann zehn Punkte gegeben.
Freitag, 25. August 2017
Supermodelblick: Mr DILF?
"Wer braucht schon Inhalte, wenn man so ein geiler Typ ist?" titeln andere Persiflagen recht treffend... |
Die Partei der freien Demokraten hat sich für eine "geile Sau in natura"-Plakatkampagne entschieden. Daran ist eigentlich nichts Verwerfliches. Außerdem setzt sie darauf, dass bei den Plakaten nichts retuschiert worden ist (natürlich nicht...), will Christian Lindner als einen Mann des Volkes, nahbar, unverfälscht, authentisch zeigen.
Genau. Deswegen hat er diesen "Da hinten um die Ecke ist meine Wohnung"-Blick drauf. Deswegen zieht er sich auf den Plakaten aus und zeigt, wie rank und schlank ein Parteichef sein kann, und bloß nicht zu viel lächeln! Und deswegen auch der leicht verschämt-frivole Blick nach unten auf einem anderen Plakat. Okay, vielleicht liegt meine "Hält der sich für Mr Supersex"-Wahrnehmung daran, dass ich etwas undersexed bin (no comment) - aber es ist doch wirklich so: Andere Politiker zeigen ein offenes, oder ein warmes, oder ein verschmitztes Lächeln, unser Kubicki scheint sich auf seinen Plakaten über Lindners Posen schelmisch zu freuen. Warum also so gewollt megacool?
Dieses "Wetten, ich trage keine Unterwäsche?"-Bild verstehe ich nicht. Warum zeigt Lindner sich nicht ein wenig menschlicher, wenn das schon so eine "Mr Authentizität"-Kampagne sein soll? Es tut mir leid, aber ich nehme ihn eher als Mr DILF wahr. Oder, der Versuch einer DILF-Inszenierung. Personenkult. Oder wie andere Satiren es auf's Korn genommen haben: "Wer braucht schon Inhalte, wenn man so ein geiler Typ ist?"
Hat die FDP nichts Anderes mehr parat, was sie attraktiv macht? Okay, ich mag Kubicki wirklich gern, er ist so wunderbar bissig. Aber das eine Mal, als ich die Partei gewählt habe, bereue ich schon wieder. Und wenn ich dann in Statistiken sehe, dass gerade einmal etwas mehr als die Hälfte der Mitglieder für eine Gleichstellung beim Adoptionsrecht ist, dann vergeht mir die gute Laune. Vor zwölf Jahren hat diese Partei als Einzige das Konzept der Bildung in ihr Wahlprogramm mit aufgenommen und es ist nichts Gutes dabei herausgekommen. Das hängt mir noch nach, und deswegen landet mein Kreuz nicht mehr bei Gelb.
Da hilft auch kein Möchtegern-DILF.
Donnerstag, 24. August 2017
"Hochbegabung ist eine Gnade."
Das DGHK-Logo - die Deutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind scheint nach Ansicht dieser fiktiven (?) Mutter der einzige Ansprechpartner für Hochbegabte zu sein. |
Heute möchte ich mich im Blog mit einer Sichtweise zu meinem Dauerthema auseinandersetzen, die mir so noch nicht begegnet ist und ich möchte sie einfach mal zur Diskussion stellen, bevor ich "einfach nur dagegen" bin. Denn vielleicht habe ich mich in den letzten Jahren etwas zu engstirnig werden lassen, was das angeht.
So las ich vor einiger Zeit einen fiktiven Artikel, nicht geschrieben von der Mutter eines HB-Sohnes. Sie selbst hat sich viel mit dem Thema HB auseinandergesetzt und ihren Sohn über lange Zeit hinweg in der Hinsicht betreut. Sie machte sehr deutlich, wie sie zu dem Thema steht: "Hochbegabung ist eine Gnade - aber kein Freifahrtschein!" Sie erläuterte daraufhin, dass HB toll sei, die Leistungen, die man damit erbringen könnte, seien wesentlich besser als das, "was sonst so abgeliefert wird". Aber das bedeutet nicht, dass einem hochbegabten Menschen völlig ohne Mühe alle Türen offenstünden. Wie man das zu verstehen habe?
Nun, Hochbegabte müssten schon in der Lage sein, sich den Gegebenheiten unterzuordnen. "Entweder, man passt sich an und kommt weiter, oder eben nicht, dann schafft man nichtmal ein Abitur, so ist das eben."
Da mag etwas dran sein. Allerdings ist das nicht die Haltung einer Person, die sich jahrelang mit Hochbegabung auseinandergesetzt hat und nun Expertin darin ist, wie sie behauptet. Zumindest kann ich das nicht verstehen - weil eine andere Person, die ich jedenfalls für eine Expertin halte (nämlich Andrea Brackmann), genau diesen Punkt mit der Anpassung ganz kritisch beleuchtet und herausstellt, wie sehr manche Hochbegabten darunter zu leiden hätten.
Der Sohn jener Hochbegabung-ist-eine-Gnade-Mutter muss sehr anpassungsfähig sein und definitiv keiner von den unerkannten Underachievern, deren Existenz von einigen Lehrkräften gern geleugnet wird. Die Mutter ist auch der Meinung, dass "Hochbegabung nichts mit Schule zu tun hat" - und versteht darunter, dass es nicht Aufgabe der Lehrkräfte ist, Underachievern beizubringen, wie sie für ihre HB Anerkennung ernten könnten - denn das hätten die HBs selbst zu bewerkstelligen, dazu seien sie schließlich intelligent genug.
Vielleicht fragt sich nun der eine oder andere Leser, ob diese Sätze nicht teils zu detailliert sind, um auf einem fiktiven Artikel zu beruhen.
Das kommentiere ich nicht weiter.
post scriptum: Aber immer wieder, in den verschiedensten Situationen, werde ich vor die Wahl gestellt: Passe ich mich an? Sage ich den Menschen, was sie hören wollen? Oder sage ich lieber die Wahrheit? Bleibe ich mir selbst treu? Und verbaue mir damit Chancen und Wege?
Montag, 21. August 2017
Gedreht
"Right" ist hier durchaus zweideutig gemeint... |
Es geht mal wieder um Blickwinkel. Wobei, genauer gesagt um Hörwinkel. Oft habe ich hier meine Begeisterung für 5.1-Soundsysteme auf's Tapet gebracht, ich finde das toll, dieses Eintauchen in dreidimensionale, plastische Klangwelten. Gerade weil diese Welten so komplex sind (und umso komplexer, je mehr Kanäle verwendet werden, bis hin zu Hamasaki 22.2), müssen die einzelnen Lautsprecher genau ausgerichtet und aufeinander abgestimmt werden, immer in Relation zum Zuhörer.
Leider ist das in meiner Wohnung nicht so einfach für mich, das liegt an den Gegebenheiten: Die Dachbalken verhindern, dass ich meine Couch irgendwo nach Belieben platzieren kann, die Dachschrägen verhindern, dass ich die Towers der Surround-Lautsprecher passgenau hinstelle. Also habe ich meine Anlage so gut wie möglich aufgestellt und liege bei den Meditationen quer, sozusagen. Ich nehme die Musik als komplex abgemischt wahr, aber die einzelnen "Rollen" der Lautsprecher erkenne ich nicht so, wie vorgesehen. ABER: Das macht überhaupt nichts!
Ich lebe jetzt seit dreieinhalb Jahren in dieser Wohnung und ebenso lange erlebe ich meine Meditationsmusik quasi um neunzig Grad gedreht. Und ich habe überhaupt kein Problem damit. Ich genieße jede Meditation auf's Neue, ich habe mich daran gewöhnt, es funktioniert doch.
Und spätestens jetzt wird die große Buba misstrauisch.
Und vollkommen zu Recht. Heute habe ich zum ersten Mal meine Meditation in der "korrekten" Ausrichtung genossen. Eben wegen oben beschriebener Gegebenheiten musste ich dazu die Schlafcouch ausklappen, mich dann quer drüberlegen und die Füße auf den Couchtisch (mit Kissen) legen. Sozusagen Blick nach vorn, und jeder Lautsprecher nun auch dort, wo er sein sollte. Ich wollte einfach mal probieren, ob es wirklich einen Unterschied macht.
Und das tut es, und zwar gewaltig. Gerade im Zustand der Meditation, wo die Sinne abgeschaltet werden und ich mich vollkommen auf das Hören konzentrieren kann, erlebe ich meine Lieblingsalben nun endlich so, wie sie von den Künstlern konzipiert waren. Es ist, als hätte die Musik eine zusätzliche Dimension gewonnen. Das war ein tolles Erlebnis, und ich denke, ich werde es ab jetzt immer so machen, auch wenn es ein wenig umständlicher ist - mit den Füßen auf dem Couchtisch. Vielleicht finde ich ja nach und nach einen Weg, es zu optimieren.
Und warum überhaupt dieser Nerd-Beitrag? Nun, wie oben angesprochen geht es um Blickwinkel. Zu oft gewöhne ich mich an eine Situation (zum Beispiel die gedrehte Musik), "naja, es geht doch eigentlich!", verliere den Blick dafür, dass jene Situation nicht die optimale Lösung darstellt. Werde zu bequem, das mal zu ändern. Zu unflexibel, zu starr, um den Blick-/Hörwinkel überhaupt zu ändern. "Warum sollte ich irgendwas anders machen? Es läuft doch, never change a winning horse!"
Nun, für mich war das heute eine Lehrstunde, oder besser gesagt eine Erinnerung daran, aufgeschlossen zu bleiben, mich nicht der Bequemlichkeit der Gewohnheiten hinzugeben. Und sei es nur bei einem Nerdthema wie Dr Hilarius und seine komische Meditationsmusik.
Sonntag, 20. August 2017
Do It Yourself!
Das Bild geht bis zur Zimmerdecke hinauf. |
Ich habe jüngstens darüber geschrieben, wie Euphorie erzeugt wird, mit oder ohne Zufuhr psychoaktiver Substanzen, in jedem Fall aber durch chemische Abläufe im Gehirn. Ich habe dort sogenannte Happy Events (HE) erwähnt, mittels derer Endorphine freigesetzt werden, die dazu führen, dass wir uns über etwas freuen. Eines dieser HEs ist es für mich, wenn ich in meiner Wohnung etwas selbst geschafft habe.
So habe ich zum Beispiel mein Bett, meine Couch, den Wohnzimmertisch, das TV-Lowboard, die Wandtattoos und vieles mehr selbst zusammengebaut bzw. angebracht. Mit kleinen Schönheitsfehlern, denn ich bin kein Handwerksmeister, aber es fühlt sich einfach toll an, vor dem eigenen Werk zu stehen! Bei Wandregalen oder allen Dingen, wo etwas in die Wand gebohrt werden muss, brauche ich Hilfe, denn ich kann nicht gut mit einer Bohrmaschine umgehen. Oder vielleicht könnte ich es, aber ich traue mich nicht.
Heute habe ich wieder ein Stück Home Improvement abgeschlossen, und zwar ein Fliesenbild im Bad. Ich möchte mehr Farbe in's Bad bringen, und während meine Wohnung von Holz, Glas und Schwarz dominiert wird, habe ich im Bad das Weiß an vielen Stellen durch Blau- und Türkistöne abgelöst und bringe gerade bei Entspannungsbädern durch Dunkelheit und Stimmungslicht noch mehr Farbtöne in's Spiel.
Dieses Fliesenbild ist eine Art Pilotprojekt, ich wollte das einfach einmal ausprobieren. Und so habe ich zwischen acht und zehn Stunden Arbeitszeit (das war eine Scheißarbeit, die Kleber um die ganzen Armaturen herum zurechtzuschneiden!) und neunzig Euro Materialkosten investiert und ich bin bisher ziemlich zufrieden, muss ich sagen. Jede der sechsundfünfzig beteiligten Fliesen ist einzeln beklebt, die Bilder sind abwaschbar und halten scheinbar bombenfest. Ich sollte sie nur nicht mit scharfen Reinigern abwischen. Ich denke, wenn ich irgendwann etwas mehr Geld zur Verfügung habe, bringe ich ein weiteres Motiv auf die Fliesen.
Nett auch in stimmungsvollerem Licht! |
Vor diesem Bild zu stehen, es im Hellen oder Dunklen mit Stimmungslicht zu betrachten, zu sehen, wie bei leuchtendem Badewasser die Wellenmuster darauf tanzen, das ist schon großartig. Das trägt dazu bei, dass ich mich hier immer wohler fühle.
Es sieht großartig aus, wenn das Licht der Unterwasserlampe durch die Wasseroberfläche hindurch an die Zimmerdecke und -wand geworfen wird. Dr Hilarius und sein Spielkram... |
Samstag, 19. August 2017
Ticket
Richtig schön scheiße geparkt, Dr Hilarius! |
Selbst beim Thema Parken fallen mir ein paar Dinge ein - zunächst einmal, dass es in meinem Viertel zum Feierabendverkehr sehr schwer sein kann, einen Parkplatz zu finden. Er wohnt eine Straße weiter, und auch Er hat schon des Öfteren etwas länger suchen müssen. Und manchmal parke ich dann ganz bewusst blöd, so wie auf dem Foto. Das Interessante ist: Wenn ich selbst an einer Kreuzung stehe und wegen eines so dämlich parkenden Fahrzeugs nicht die Seitenstraßen einsehen kann, rege ich mich auf, fange an zu fluchen, Führerschein wohl im Lotto gewonnen! Und mache es dann selbst nicht besser. Die Tickets bezahle ich gern, denn vielleicht lerne ich ja mal daraus.
Was mir noch aufgefallen ist: Früher habe ich immer versucht, einen Parkplatz möglichst nahe bei meiner Haustür zu finden. Der "Sechser im Lotto" war hier der letzte Parkplatz vor dem Parkverbotsschild - fünf Meter zu meiner Tür, perfekt! Aber das hat sich jetzt geändert. Weil ich keine Lust mehr auf den Ampelstress am Waldwiesenkreuz hatte, habe ich mir angewöhnt, über die Rendsburger Landstraße in's Viertel zu fahren. Und nun versuche ich, den Wagen idealerweise direkt vor einer Kreuzung zu parken - Sicherheitsabstand natürlich gewährleistet, oder auch nicht. Jedenfalls mit dem Hintergedanken: Nächstes Mal, wenn ich irgendwohin muss, kann ich direkt den Motor anwerfen und drauflosfahren. Kein Ausparken, kein Wenden in drei Zügen, direkt auf die Straße. Und das gibt mir ein gutes Gefühl. Das mag ein bisschen in Richtung Asperger gehen, aber so ist es nun mal.
Oh, und noch eine Sache zum Parken. Früher ist mir jedesmal, wenn ich sein Auto gesehen habe, womöglich noch direkt vor oder hinter ihm geparkt habe, das Herz in die Hose gerutscht. Keine Ahnung, warum sowas passiert. Das war in einer Phase, in der ich wirklich Angst hatte, Er könne enttäuscht von mir sein, und vielleicht mag Er mich irgendwann nicht mehr. Wenn ich dagegen heute sein Auto parken sehe, gibt es keine weichen Knie mehr, ein kleines Schmunzeln und ich gehe weiter. Ob das ein Zeichen dafür ist, dass ich ein bisschen weiter gekommen bin? Dass ich jetzt nicht mehr so viel Angst habe, dass Er mich nicht mehr mag?
Soviel zur Parkplatzsuche.
Freitag, 18. August 2017
Ein ungutes Gefühl
Eine Geste, die mittlerweile weltweit bekannt ist - die Merkel-Raute |
Jetzt auch in einem aktuellen Youtube-Netzinterview gefragt, warum sie gegen die Ehe für alle gestimmt habe, wiederholt Angela Merkel ihr ständiges Credo - das sehe das Grundgesetz nun mal nicht so vor und dass sie "ein ungutes Gefühl im Bauch" habe (wenngleich nicht mehr expressis verbis). Und ich frage mich, wie diese nichtssagende Dame (entschuldigung, aber ist es nicht so?) nach all den jüngsten Entwicklungen in der Politik, nach all den gesellschaftspolitischen Umschwüngen in dieser Thematik weltweit immer noch so halsstarrig-merkelrautig bei ihrer Ansicht bleibt. Liegt das am Alter? Ist es vielleicht so, dass ältere Menschen generell ihre Meinung nicht mehr so einfach ändern können - oder wollen?
Betrachten wir den Fall von Frau Liebe (Name geändert et requiescat in pace, scheiß auf Grammatik), mit der ich während meines Zivildienstes jede Woche dreimal einkaufen und Eis essen gegangen bin. Eine nette alte Dame, damals Anfang achtzig, und noch sehr von der alten Schule. So konnte sie zum Beispiel "mit de Schwatten" nie so richtig viel anfangen, die mochte sie nicht so. Und eigentlich, diese Schwulen, das war ihr auch einigermaßen fremd. Aber irgendwann hatte sie mal mit zwei Schwulen Kaffee getrunken und festgestellt, dass die gar nicht so komisch sind. Im Gegenteil, die waren sehr höflich "und man konnte sich richtig gut mit denen unterhalten!" - und ich habe Frau Liebe gesagt, dass das doch mal eine schöne Erkenntnis ist, und dass ich ihr da nur zustimmen konnte. Frau Liebe war in mich als Zivi vernarrt. Ich war damals ungeoutet und hatte auch keine Schwuppen-Leuchtschrift über dem Kopf, wie die verrückte Tuba manchmal behauptet. Eigentlich immer. Frau Liebe hat also noch gelernt, umzudenken.
Und auch meine eigene Oma, die jetzt in den Neunzigern steckt, der ich vor einigen Monaten dann mal erzählt habe, dass ich mich in einen Mann verliebt habe, und ein paar Jahre zuvor hatte meine Tante ihr das auch schon gesteckt. Und meine Oma findet das so toll - ich zitiere aus ihrer Geburtstagskarte, die mich vor ein paar Tagen erreicht hat:
"Lieber Dr Hilarius! Ich wollte Dir für's neue Lebensjahr noch alles Gute wünschen. Ich bin nicht mehr so stabil, habe zu wenig Courage. Nicht mal eine schöne Geburtstagskarte habe ich hier! Aber ich denke öfter an Dich und wünsche Dir von Herzen viel Glück beruflich und auch sonst. (...)"
Abgesehen davon, dass ich mich wahnsinnig gefreut habe über die Karte, handschriftlich selbst geschrieben, was meiner Oma mittlerweile sehr schwer fällt, sind da diese drei Worte "und auch sonst", und ich weiß genau, worauf sie sich bezieht. Und wünschte mir nichts sehnlicher, als dass ich ihr noch zu Lebzeiten sagen könnte, dass ich sowohl im Beruflichen als auch im Privaten glücklich geworden bin. Meine Oma hat da mit bald Mitte Neunzig kein ungutes Bauchgefühl.
Warum also Angela? Warum dieses unbeugsame, sich stetig diesem Fortschritt verweigernde Getue? Diese Ablehnung, die nur noch von der AfD (non requiescat in pace, sed requiescat nihilominus) übertroffen wird - und selbst die FDP lehnt das gemeinsame Adoptionsrecht zu einem großen Prozentsatz ab. Wenn selbst die leicht fehlbesetzte Marianne Mortler als Drogenbeauftragte der Bundesregierung sich (mit granitschwerer Träge) der Freigabe von Cannabis zu medizinischen Zwecken geöffnet hat - was der CDU immer ein Dorn im Auge war - warum streikt die Kanzlerin gerade bei so einem humanen Thema?
Ein ungutes Gefühl im Bauch... das hätte ich auch, am vierundzwanzigsten September, wenn ich mich kreuztechnisch der Bundes-CDU anschlösse. Auf Landesebene hätte ich es fast gemacht und befürworte Günthers Arbeit. Aber Landes- und Bundespolitik sind nun mal zwei unterschiedliche Bühnen.
Geht wählen. Wer sein Kreuz nicht setzt, hat keinerlei Recht, sich zu beschweren. Noch gut einen Monat...
Mittwoch, 16. August 2017
Es ist doch alles scheiße! ...oder???
Irgendwie sind fast immer die Anderen scheiße, die Mitmenschen, die Mücken, das Wetter, die Börsenkurse, die Benzinpreise... |
Vor nicht allzu langer Zeit habe ich mich hier im Blog darüber aufgeregt, warum ich das alles überhaupt mache. Warum engagiere ich mich, warum opfere ich meine wertvolle Zeit für Andere, warum bin ich trotz aller Egozentrik immer noch für Andere da, wenn ich doch eh' nichts davon habe. Wenn die Welt da draußen doch eh' scheiße ist. Wenn Er sich dauernd einreden lässt, ich tue ihm nicht gut und sei eine Gefahr, wenn Schulen der Meinung sind, man könne mich nicht auf die Schüler loslassen. Und meine Dachgeschosswohnung ist im Sommer zu heiß und im Winter zu kalt, und irgendwas finde ich immer, über das ich mich aufregen kann.
Vor Jahren habe ich dazu ein kurzes Video von Pema Chödrön gesehen, eine buddhistische Nonne, die in einem kurzen Beitrag genau das thematisiert, und das hat sie so anschaulich gemacht, dass ich dieses Video immer bei mir habe und mich zwischendurch daran erinnere und es wieder anschaue, wenn ich schon wieder alles um mich herum nervig finde und mich aufregen möchte:
Was sie sagt, ist grundvernünftig, erfordert aber die Bereitschaft, an sich selbst zu arbeiten, und auch wenn viele Menschen von sich behaupten, ja na klar, natürlich entwickele ich mich weiter, natürlich lerne ich, mit den Umständen umzugehen - oft ist es nichts weiter als ein Lippenbekenntnis.
Warum ich heute mal wieder dieses Video poste - eine Bekannte hat einen Ausschnitt eines Vortrags von Vera Birkenbihl gepostet, die ich für eine wunderbare Motivationstrainerin halte, die nun leider nicht mehr unter uns weilt. Auch Birkenbihl hat immer wieder klargemacht, dass wir meistens an uns selbst arbeiten müssen, wenn sich uns ein Problem eröffnet.
Ich habe das auch im Umgang mit ihm gemerkt - gern habe ich behauptet, Er trage durch sein Fehlverhalten die Verantwortung für die Probleme in unserer Kommunikation, und erst in unserer langen Pause jetzt habe ich mal gründlich über meine Verantwortung nachgedacht und festgestellt, dass ich Vieles an meiner Denkweise und an meinem Handeln ändern sollte. Seitdem trete ich ihm mit einer anderen Haltung gegenüber. Das heißt nicht, dass jetzt alle Probleme geklärt sind, denn diesen Schritt der Selbstveränderung, den hat Er noch zu gehen, und das kann noch eine ganze Weile dauern, solange Er denkt, dass Er alles richtig macht, indem Er Anderen nach dem Mund redet (denn dadurch können sie ja nicht von ihm enttäuscht sein, also müsste das doch eigentlich ein gutes Verhalten sein). Aber genug davon.
Diese Welt ist wesentlich einfacher zu händeln, und wesentlich besser zu ertragen, zu genießen, wesentlich leichter mit dem von Buddha geforderten Lächeln zu durchwandern, wenn man lernt, sich selbst auf die Unwägbarkeiten des Lebens einzustellen. Ich glaube, es kann helfen, das irgendwann einzusehen.
Montag, 14. August 2017
Glücklich durch Chemie
Ich denke mal, ein nicht kleiner Teil der Leser wird bei dieser Überschrift an Drogen denken. Um die geht es allerdings erst in zweiter Instanz: Es geht darum, wie Glücklichsein funktioniert, anhand von Serotonin (gibt natürlich auch noch Dopamin, aber ich möchte diesen Artikel kurz halten). Ich möchte ein bisschen aufklären, weil ich selbst das ganz spannend fand - was wiederum bedeuten könnte, dass es für Normalbegabte langweilig ist.
(Im Kopf der großen Buba läuft jetzt Tetris-Musik, das passiert immer, wenn ich abhebe und irgendwelche Sachverhalte erkläre, die sie nicht versteht - und das passiert regelmäßig, weil ich nie weiß, wo die Grenze zwischen "Normalwissen" und "Spezialwissen" ist - hat mein Lateinmentor im Ref innerhalb einer Woche sofort bemerkt.)
Ich bin weder Arzt, noch Chemiker; alles, was ich hier schreibe, ist mit einem gesunden Misstrauen zu goutieren.
Ich mache gern Dinge, die mir Spaß machen. Achterbahn fahren, Videospiele, Rätsel lösen, Musik hören. Was heißt das eigentlich, "die mir Spaß machen"? Was passiert da im Gehirn? Warum bin ich nach einer Achterbahnfahrt glücklicher als vorher? Ich benutze in diesem Artikel den Begriff Happy Event (HE). Eine Achterbahnfahrt ist für mich ein HE - das bedeutet aber nicht, dass es für alle Menschen so ist, manche empfinden ein Grauen davor (und ich muss immer wieder darauf achten, nicht von mir auf Andere zu schließen).
Für meine Mutter ist ein Gang durch ihren Garten ein HE, für meinen Vater eine Zigarre am Abend. Es ist auch ein HE für mich, wenn ich ein besonders kniffliges Rätsel gelöst habe. Dann wird im Gehirn Serotonin freigesetzt. Machen wir es bildlich: Die Serotoninspeicher sind Körbe mit Tennisbällen, die Tennisbälle sind das Serotonin. Bei einem HE wird der Korb umgekippt und das ganze Serotonin rollt durch die Gegend: Wir sind glücklich.
Irgendwann merkt aber der Hausmeister, dass die Tennisbälle überall herumliegen, und er sammelt sie nach und nach ein und legt sie in den Korb zurück: Die Euphorie legt sich. Und das ist auch gut so! Wenn nämlich das Serotonin nicht in die Speicher wiederaufgenommen würde, wäre ich zwar glücklich, dauerglücklich sogar - aber der Zustand würde zur Normalität werden und ich würde es nicht mehr als glücklich empfinden.
Dieser Tennisball-Kreislauf kann aber aus unterschiedlichsten Gründen gestört sein. Zum Beispiel räumt der Hausmeister viel zu schnell auf und die Euphorie hält nur für einen kurzen Moment. Oder aber der Korb kann gar nicht erst umgekippt werden. Dann bleiben die Tennisbälle drin und man freut sich gar nicht erst über ein HE. Bei Menschen mit Depressionen können solche Störungen im Serotoninsystem vorliegen.
Zum Glück ist die Medizin einen guten Schritt weiter gekommen. Es gibt eine Vielzahl an serotonergen Substanzen, die in das Serotoninsystem eingreifen (Herr Leinhos weiß natürlich, dass sich das "-erg" vom griechischen érgon ableitet). So gibt es zum Beispiel sogenannte selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (selective serotonin reuptake inhibitors - SSRI). Sie bewirken, dass die Tennisbälle nach einem HE nicht so schnell wieder in den Korb gelegt werden können. So schafft man es - je nach Substanz über einen längeren Zeitraum - das Glücklichsein zu erzeugen bzw. verlängern. Solche Substanzen werden als Antidepressiva (AD) bezeichnet.
Leider haben ADs keinen guten Ruf. Die Menschen wollen ohne Chemie klarkommen, sie wollen keine Medikamente nehmen. Aus persönlichen Gründen, denn mit Sachlichkeit hat das nichts mehr zu tun. Und damit ist nicht zu spaßen: Der amerikanische Autor David Foster Wallace (Infinite Jest) hat nach Jahren, in denen er ADs genommen hat, das Medikament abgesetzt. Die Depressionen sind zurückgekommen, und zwar so stark, dass er sich das Leben genommen hat.
Also, eigentlich wollte ich mit diesem Beitrag nur darauf aufmerksam machen, dass Glücklichsein genaugenommen eine Abfolge von chemischen Reaktionen ist. Ich finde das faszinierend.
Und bei der großen Buba läuft gerade wieder Tetris.
Sonntag, 13. August 2017
Samstag, 12. August 2017
Immer an meiner Seite: Die Neurodermitis
Sie kann grausam sein. Sehr grausam. Aber dagegen kann man etwas tun. |
Willkommen im Land der chronischen Krankheiten, irgendwie klingt das gar nicht so schlimm, fast schon entspannt. Es kommt halt immer darauf an, in was für Worte man die Umstände hüllt - man könnte auch sagen, diese Krankheiten gelten als unheilbar. Und schon klingt es wie ein Todesurteil. Die große Buba hat eine solche Krankheit: Migräne. Abgeleitet aus den altgriechischen Worten für halb und Kopf, ist das etwas ganz Anderes als Kopfschmerzen. Kopfschmerzen tauchen mal auf, Aspirin und fertig. Die Migräne ist immer mit dabei, die große Buba hat ihr einen Namen gegeben: Medusa.
Das mag für manch' einen Menschen albern klingen (wer gibt seiner Krankheit schon Namen???), ist aber sehr vernünftig. Wenn man schon an einer unheilbaren Krankheit leidet, dann sollte man sie akzeptieren und in sein Leben zu integrieren versuchen. Das macht jeder Mensch auf seine eigene Weise. Ich finde den Umgang der großen Buba mit ihrer Medusa toll.
Ich leide auch an einer unheilbaren Krankheit, nämlich der Neurodermitis, und wie ich schon häufiger im Blog geschrieben habe, vermute ich einen Zusammenhang zwischen Hochbegabung und Neurodermitis. Irgendwas mit der Überempfindlichkeit von Nerven oder so, vielleicht. Deswegen frage ich Schüler, bei denen ich eine Hochbegabung vermute, ob sie Neurodermitiker sind. Oft höre ich "Ja, Neurodermitis hatte ich früher mal, aber jetzt nicht mehr..." - sorry, aber dann hast du sie immer noch. Aber du hast sie unter Kontrolle bekommen, und das ist auch gut so.
Ärzte nennen sie auch das atopische Ekzem, und das trifft es ganz gut: a-topisch bedeutet, dass das Ekzem keinen festen Platz hat. Es ist sozusagen immer im Körper vorhanden, manifestiert sich aber an den unterschiedlichsten Stellen. Das können blutende Ohrläppchen sein, verkrustete Mundwinkel, Quaddeln am ganzen Körper - oder lange, blutige Schrammen an Armen und Beinen als Symptom des Kratzens, um den Juckreiz zu bekämpfen.
Ich bin der Medizin und Tradition unendlich dankbar, dass es Mittel und Wege gibt, die Krankheit zu behandeln, so dass ich in langen Phasen gar nichts mehr von ihr bemerke. Nun ist es mal wieder soweit, ich habe einen Schub. Das kann passieren, potentielle Auslöser gibt es viele: Zuviel Zucker in der Nahrung, zuviel geduscht, privater oder beruflicher Stress. Ich habe mir über die Jahre hinweg Verhaltensweisen angeeignet, um mit einem Schub umzugehen - vielleicht kann das hier ja jemandem helfen:
- Ich stelle meine Ernährung radikal um und reduziere Zucker auf ein Minimum. Manchmal bedeutet das für mich, dass es nur noch Wasser und Brot gibt - und das ist wesentlich besser, als es klingt!
- Ich nehme zweimal in der Woche ein Bad, in dem ich Totes-Meer-Salz aufgelöst habe (gibt es sehr günstig) und ein spreitendes Mandelöl zugebe. Dadurch bekommt die Haut einen schützenden Ölfilm und trocknet nicht so schnell aus.
- In Phasen, in denen ich mich nicht mehr beherrschen kann, in denen der Juckreiz so stark ist, dass ich unbedingt kratzen muss, ziehe ich dicke Handschuhe dabei an. Dadurch wird aus dem Kratzen eher ein Reiben und es bleiben nicht so viele blutige Schrammen zurück.
Ich habe meiner Neurodermitis noch keinen Namen gegeben, mal schauen, vielleicht fällt mir irgendwas Nettes ein. Jetzt jedenfalls habe ich erstmal einen Anreiz, nicht mehr so viel Süßes in mich reinzustopfen. Etwa nach einer Woche dürfte der Effekt spürbar sein, und bis dahin gilt: Durchhalten!
Die Krankheit ist Bestandteil meines Lebens, also jammere ich nicht mehr ganz so viel darüber herum wie früher, sondern akzeptiere sie. Wer Elisabeth Kübler-Ross kennt, weiß, dass das der ideale Umgang mit der Situation ist.
post scriptum: Vermutlich wird Herr Leinhos mich gleich korrigieren, weil ich etymologisch geschlampt habe. Und ich möchte mich auf diesem Wege noch einmal bei Allen bedanken, die mir zum Geburtstag gratuliert haben!
Freitag, 11. August 2017
One year none the wiser
Ich muss doch mal meinem Ruf gerecht werden - arrogant, selbstverliebt, vermessen... ;-P |
Vierunddreißig.
Ich bin nun also seit vierunddreißig Jahren auf dieser Welt, und was habe ich vorzuweisen? Keinen Job. Keine eigene Familie. Keine eigene Wohnung. Kein eigenes Auto. Keinen eigenen Kleiderschrank.
Und trotzdem bin ich glücklich, denn die wirklich wichtigen Dinge im Leben habe ich. Meine Eltern, die immer hinter mir stehen, auch wenn es nicht so läuft, wie es soll. Meine beiden besten Freundinnen, die immer zu mir halten, egal, wie erratisch mein Verhalten sein mag, denn sie wissen, dass man wahre Freunde so akzeptiert, wie sie sind. Das lerne ich auch noch. Und ich habe, wenn auch derzeit auf Sicherheitsabstand, diesen Mann da drüben, der mein Leben vor fünf Jahren aufzumischen begonnen hat. Und ich habe Lebensträume - eine Perspektive.
Und ich habe eine Fliegenklatsche in der Hand, mit der ich das verdammte Scheißviech, das um meinen Kopf schwirrt, jetzt zu Püree verarbeiten werde!
Auch wenn es im Titel des Beitrags heißen mag, dass ich ein Jahr älter, aber nicht weiser geworden bin, so muss ich das hier schon wieder hinterfragen - denn ein bisschen habe ich dazugelernt. Und ein kleines bisschen geduldiger bin ich geworden. Winzige Fortschritte, die man mit Geld nicht erkaufen kann, und die daher unabhängig von der Jobsituation sind.
Ich beneide Menschen, die älter sind als ich, um ihren Erfahrungsvorsprung. Ich habe in den letzten dreihundertfünfundsechzig Tagen viele Erfahrungen machen können, kuriose, schöne, sehr unschöne; sie alle füge ich meinem Erfahrungsschatz hinzu, lerne aus ihnen und stelle fest, dass das letzte Jahr doch recht reichhaltig war.
Ich habe mich in diesem Blog schon häufiger gefragt, was zum Glücklichsein nötig ist. Und eigentlich habe ich diese Dinge. Die oben angesprochenen Menschen, die mir wichtig sind, und dass ich im Einklang mit mir selbst leben kann - dass ich mich nicht für irgendwelche Vorteile verraten und verkauft habe. Daran hat die Sannitanic mich erinnert und das bedeutet mir tatsächlich etwas.
Donnerstag, 10. August 2017
"Du wohnst in Hassee...?!"
In meiner Kronshagener Zeit fand ich es ganz spannend, die Reaktivierung des Bahnhofs Kiel Hassee-CITTI Park mitzuerleben. |
Ich mag diesen Titel - auch, weil der schönste Teil oben gar nicht drin steht, nämlich die hinterhergeschobene Frage: "Du wohnst in Hassee...?! Warum das denn???" Ich denke, die Buba la Tättah wird es mir sicher verzeihen, dass ich diese Frage aus einem ihrer Alltagserlebnisse entführt habe, denn mir hätte sie genau so gestellt werden können. Und warum sollte nicht auch mal was Lehrreiches aus dem Leben der großen Buba kommen? Da steckt ein ganz interessanter Mensch drin. Besonders dieser Tage (ich spül mich weg...).
Das hier wird eine Liebeserklärung an einen Stadtteil Kiels, der ganz bestimmt nicht Düsternbrook ist - und auch nicht Mettenhof oder Gaarden, aber schon ganz gut in die Richtung geht. Wenn man unter diesen Stadtteilnamen ein Gefühl versteht. Ja, Hassee ist ein Gefühl, ein Statement, genau wie der ganze Satz "Ja, ich wohne in Hassee." Und ich denke, ich kann das Gefühl am authentischsten beschreiben, wenn ich einen Einkauf schildere, da unten bei Sky. Bei meinem Sky. Wobei, nein, machen wir einen Einkauf mit der großen Buba daraus, und statt meinem Sky, wo man immer nett gegrüßt wird, nehmen wir Edeka, wo einst der Wanderer den Höllenschlund geöffnet hat:
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Geh du mal vor, ich renn sonst in die Tür rein. Oh,
Zigaretten!
Ich brauche Paprika….
Ne rote Zwiebel und Ka---OOoh, Angebote! Addegebot-häh! A a a a
Wie peinlich, ich kann mich hier nicht mehr blicken lassen.
Ach, du meinst die Kiste da vorne! Kist-HÄH?!
Dhei-DHÄH!! Gedhau
gedhau. Was gibt es denn… Kekse, Suppen und Schokolade. Was für eine Kombi!
Das ist egal, Hauptsache, es ist billig. Geh mal da weg, da
will jemand an dir vorbei. Wir unterhalten schon wieder den ganzen… Joghurt!
Den brauche ich, ich hab meinen Einkaufszettel vergessen, ach nein, ich hab
kein Geld dabei.
Ich hab Geld mit. Ich
brauche auch Joghurt. Und saure Sahne…. Wo ist die denn… Und wo bist du
eigentlich? Ach da, huch, ich hab schon wieder mit mir selbst geredet!
Wow, hast Du die Schwulen da vorne gesehen? Ja der Typ, der
mit dem Mädchen rumknutscht, alles nur pseudo, guck Dir mal seine Fußstellung
an, wo bleibst du denn? Ich brauch dich zum Bezahlen. Bezahwen! Verzieh dich,
oder es kracht…
Du dumme Thöööööhwe!
Ach wie süß! Und wie verstohlen er zu uns rüber schaut. Darf ich den haben? Ich
adoptiere ihn und du machst ihn schwul!
Bitte was? Der kauft Hackfleisch? Lass mal, der ist
wahrscheinlich doch hetero. Und hier, du brauchtest doch saure Sahne, Angebot,
die läuft ab am… gestern. Morgen musst du eh nicht ins Seminar, da macht es
nix, wenn du Magenkrämpfe hast.
Du KUH! Na dankeschön!
Ich nehme lieber eine frische, ich will ja nicht heute kochen. Ich brauche
Pizz-HAH! Ist was im Angebot?
Cool, mir wird gar nicht schwindelig, wenn ich stehen
bleibe! Und die Schwuchtel hat grad zu uns rübergeschaut, ich wette, der will
dazugehören! Kannst du nicht diese doofen Tussis mit deinen Titten erschlagen?
Oh Pizza! OHHHH, ich brauch die… warte mal… die, na du weißt, die haben so
eine… mann, wo… oh nö, haben die hier… doch… nein… oh, ich glaube es gerade…
Oh, ich liebe die Prosciutto!
Aber ich darf die nicht so oft essen sonst habe ich sie irgendwann über. Oh,
guck mal, die doofen Tussis gaffen uns an, vielleicht sollten wir mal die
Jurassic Park Diva raushängen lassen. HALLOOOOAAAARGHL!
Hör auf, sonst denken die, wir reden über sie! Wie peinlich…
ich geh mal eben vier Regale weiter, damit die nicht denken, wir gehören
zusammen. Ich komm dann wieder zurück, du kannst ja bis dahin Pizza anschauen.
Und vielleicht höre ich so, was die kleine Schwuppe so zu sagen hat.
Ja toll, lass mich
alleine mit meiner Entscheidung. Deinetwegen kaufe ich wieder vier Pizzen statt
einer. Aber warte es mal ab, an der Kasse stehst du auch wieder mit fünf Teilen
mehr in der Hand als geplant – und ich bin gerne Schuld!
Das ist wie wenn man sich vornimmt, bei McD nur einen Salat
zu essen: „Ja, ich hätte gern ein Salat mit Joghurtdressing und ein
Mineralwasser bitte.“ – „Joghurtdressing haben wir nicht mehr.“ – „Gut, dann
nehme ich fünf BigMac, drei große Pommes mit Majo, zweimal Cola, vier
Juniortüten und zwei McFlurry mit Erdbeer.“ a a a a a a a
Gedhau gedhau. Oh, McD
wäre auch mal wieder eine Idee. Einmal im Jahr habe ich da auch Lu- oh, da
fällt mir ein: KÄSE!
KWÄÄÄHSE! Und überhaupt hast du eben deine thöäarcht-Chance
verpasst, als ich gesagt habe „ich glaube es gerade…“, ich glaube, du wirst
hetero!
Bitt-HÖÖÖÄÄÄÄH??? Wann
hast du das gesagt? Da war ich bestimmt mit dem Kopf im Kühlfach!
Ja eben, als wir über die Pizza geredet haben und ich keinen
klaren Satz rausgebracht hatte! Aber nein, du warst ja wieder abgelenkt, ich
konzentriere mich wenigstens auf das Wesentliche, so wie bei Resident Evil.
____________________________________________
Warum dieser Einkaufsdialog? Weil solche Albernheiten in Hassee vollkommen in Ordnung sind. Das hier ist ein kunterbuntes Stadtviertel mit Menschen aller Altersgruppen, diverse ethnische Hintergründe, die soziale Leiter rauf und runter. Quasi wie in einer Gemeinschaftsschule: Hier ist jeder willkommen, hier darf jeder sein, wie er will, und das finde ich wunderbar. Da kann ich auch komplett schräg sein. Das ist meine Antwort auf "Du lebst in Hassee? Warum das denn???".
Hätte es nicht mit Kismet zu tun, wenn ich Lehrer an der Gemeinschaftsschule Hassee würde?
Wer mehr über dieses Viertel lesen möchte: Linie 52, Schlimme Ecke, The Bare Necessities, Der Wanderer, Die Zimtsterne (gerade wieder mal gelesen und zu Tode gelacht, was geht nur in diesem kranken Kopf vor???)
post scriptum: Manche Dinger kann ich mir einfach nicht verkneifen.
Mittwoch, 9. August 2017
Der Rebecca-Effekt
Scheinbar sind auch Gothics nicht vor dem Rebecca-Effekt gefeit... |
Die große Buba und ich haben ein regelmäßig wiederkehrendes Verhaltensmuster bei mir festgestellt, und ich glaube, wir können es auf die Hochbegabung schieben. Vielleicht findet sich ja der eine oder andere HB-Leser in diesen Zeilen wieder.
Zuächst zur Genese des Begriffs. Die große Buba und ich haben Resident Evil gespielt. Wir waren dabei, ein altes Herrenhaus zu erforschen - wir waren auch schon ziemlich weit gekommen, standen in einem düsteren Arbeitszimmer und hörten von oben einen Schrei um Hilfe. Buba: "Das klingt nach Rebecca, wir sollten schnell dahin und ihr helfen!" Hilarius: "Jaja, machen wir gleich, ich muss erst noch schauen, ob ich diese Schrotflinte jetzt mitnehmen kann oder nicht. Und wir sollten erst noch den Tresor aufbrechen, nicht, dass wir etwas verpassen!"
So haben wir gehandelt - und dann im Abspann erfahren, dass Rebecca von Monstern vernichtet wurde. Buba: "DUUUUUUUUUUU wolltest ja unbedingt noch nach der Schrotflinte suchen, ich hab dir gleich gesagt, dass Rebecca jetzt wichtiger ist, und nun ist sie tot, weil die Zombies sie gefressen haben, nur weil der Hochbegabte wieder nichts verpassen wollte, römpömpöm."
Das lässt sich abstrahieren in "Eigentlich haben wir ja eine Mission, aber nein, der HB muss erst noch alles Andere abklappern und lässt die da hinten verrecken."
Und da ist ja tatsächlich etwas dran! Wenn ich als HB mich für eine Sache voll interessiere, muss alles Andere warten. Dann habe ich keine Wahrnehmung für Anderes. Manchmal kann das unpraktisch werden: Wenn zum Beispiel etwas auf dem Herd kocht und ich plötzlich einen spannenden Artikel im Internet finde. Erst das Zischen dessen, was da auf die Herdplatte spritzt, erinnert mich dran, dass ich da ja eigentlich gerade Wichtigeres zu tun hatte.
Der Rebecca-Effekt bezieht sich also darauf, dass es mir manchmal nicht leicht fällt, anstehende Aufgaben ihrer objektiven Wichtigkeit nach zu sortieren - sondern wie ein Kleinkind gehe ich danach, was ich gerade am spannendsten finde. Und so sorgt dieser Effekt für die große Buba auch weiterhin für Titten-Platzanfälle, wenn ich eigentlich die Welt retten sollte, aber nein, da vorne blinkt ja noch etwas und da links ist eine ungeöffnete Schatztruhe. Buba: "Kannst Du jetzt bitte mal das Dorf vor der Zerstörung bewahren und den Monsterpudding besiegen???" Hilarius: "Warte, ich will nur noch schnell die Level-Ups überprüfen, und da vorne können wir noch einkaufen gehen."
And so the story goes...
Ich möchte nur noch einmal darauf verweisen, dass es für diese Neigung zur Ablenkung ein antikes Vorbild gibt, und zwar die olle Atalante. Streitbare Dame, tötete alle Männer, die scharf auf sie waren, im Wettlauf - bis da jemand so geschickt war und an der Rennbahn drei goldene Äpfel platzierte (Meilanion, du Schuft...!). Da wurde die offensichtlich hochbegabte Atalante so abgelenkt, dass sie sich danach bückte und schließlich von Hippomenes im Lauf besiegt wurde. Als Belohnung gab es Sex, leider nicht in ihrem eigenen kleinen Liebesnest, sondern in einem geweihten Tempel. Die Strafe? Absolut tierisch, sage ich nur, lässt sich nachlesen in Ovids Metamorphosen X, ein ganz wunderbar unterhaltsames-tragisches-perverses Buch (Myrrha und so, aber insgesamt eine sehr schöne Lektüre).
Wir merken: Der Rebecca-Effekt taucht immer wieder auf, und das wussten die Macher von Resident Evil natürlich ganz genau.
post scriptum: Ich fange jetzt einfach mal an, meine Beiträge mit Labels zu versehen, damit man schnell erkennen kann, ob es relevant für einen ist oder nicht.
Montag, 7. August 2017
"Du musst dir nur die Mutter anschauen..."
Diese Uhr - meine Armbanduhr - hat heute pädagogische Gedanken ausgelöst. |
"...dann weißt du, woher das kommt."
Das ist mal wieder eine Phrase aus dem Lehrer-Bullshit-Bingo. Haben bestimmt einige schon gehört. Der Satz fällt gern, wenn an Schülern etwas in irgendeiner Hinsicht auffällig ist. Das kann lautes Reden sein, Neigung zu Gewalt, ungepflegtes Äußeres, besonderes Sprachregister - wir alle haben schon mal spezielle Kinder unterrichtet, und wir alle haben uns bei diesen Auffälligkeiten gedacht, dass etwas dahinter steckt. Und oft führen wir das auf die häuslichen Verhältnisse zurück, und oft ist das auch korrekt.
Was mir aber an Schulen bereits begegnet ist, ist eine voreingenommene Lehrerhaltung: Dieser Schüler ist auffällig, kein Wunder bei der Mutter (besonders beliebter Satz nach Elternsprechtagen, nicht wahr?), und eine Verschlossenheit. Wie Mutter, so Kind, wird mir da vorgelebt und ich finde es ganz schrecklich. Dass man dem Kind nicht einmal eine Chance gibt, individuell zu sein. Dass man sich selbst noch höher positioniert und auf den Schüler herabblickt.
Elitäre Schulsysteme neigen zu solch' einem Verhalten. Lehrer in diesen Schulen neigen dazu. Ich habe mich einmal an einer Schule vorgestellt, die ohne Klingelzeichen auskommt, weil die Kinder natürlich so gut erzogen sind. Selbstverständlich ein Gymnasium, das etwas auf sich hält, ich nenne keine Namen. Ich bin dort mit netten Worten hinausgebeten worden, und ich bin heilfroh! An jener Schule hätte ich nicht arbeiten können, denn das stellt sich mir verschlossen, arrogant und herablassend vor - und vor allem: voreingenommen. Ich kann damit nicht um.
Das war sicherlich einer der Impulsgeber für meinen Wunsch, an einer Gemeinschaftsschule zu unterrichten. Ich möchte wirklich jedem Kind an der Schule eine Chance geben - ob es daher rührt, dass ich selbst viel Ablehnung erfahren habe und es deswegen einfach besser machen möchte? Ich würde gern einen Aufruf an jeden meiner Kollegen loswerden:
"Lasst euch in eurem pädagogischen Wirken nicht von Äußerlichkeiten beeinflussen, gebt jedem Kind eine Chance, egal, ob sein Umfeld verwahrlost, krank, an der Armutsgrenze, obdachlos oder auf psychologische Hilfe angewiesen ist, jedes Kind hat ein Recht darauf, dass ihr ihm die Möglichkeiten und Grenzen, Rechte und Pflichten unseres Lebens erklärt."
Anlass für diesen Beitrag gab es heute zweifach. Heute vormittag ist mir eine Familie aufgefallen, die manche Menschen beim ersten Anblick "abwerten" würden, und ich musste daran denken, dass es auch für jenes Kind eine Schulpflicht gibt, und wer weiß, vielleicht steckt da ein ganz helles Köpfchen drinnen! Ich kenne jemanden, der selbst aus einem, sagen wir mal, komplizierten Umfeld kommt und sich richtig dort heraus gekämpft hat. Das finde ich toll, und solche Menschen sind darauf angewiesen, dass "wir Pädagogen" ihnen eine Chance geben.
Außerdem war ich beim Juwelier Happe am Alten Markt; ich war dort schon vor zwei Jahren, um mich wegen meines Freundschaftsanhängers (für ihn) beraten zu lassen. Heute, um eine neue Batterie in meine Armbanduhr einzusetzen (brauche ich als Lehrer immer, früher haben mich Armbanduhren genervt). Damals wie heute bin ich unglaublich freundlich und offenherzig begrüßt und bedient worden, und so hat sich heute beim Abholen der Uhr dieser Wortwechsel entsponnen:
Hilarius: "Ich muss ihnen ja mal sagen, dass ich es toll finde, dass sie mich so freundlich behandeln, trotz meines etwas abschreckenden Äußeren."
Happe: "Aber das Eine hat doch mit dem Anderen nichts zu tun, das ist doch selbstverständlich."
Hilarius: "Ja, das sagen sie, aber ausgerechnet in meinem beruflichen Umfeld - Lehrer - wo ich eigentlich aufgeschlossene Menschen erwarten sollte, ausgerechnet dort schlägt mir von Kollegen immer mal wieder Ablehnung entgegen allein aufgrund meines Erscheinungsbildes, und das ist ein Armutszeugnis."
Happe: "Sehen sie mal, und es hat doch jeder Mensch ein Anrecht auf seinen eigenen Stil und auf einen freundlichen Umgang miteinander."
Solche Aufgeklärtheit würde ich mir häufiger wünschen, und deswegen gehe ich auch gern zu Happe, wohingegen mir die Türsteher bei Mahlberg Angst einjagen, und ich befürchte, dass man dort voreingenommener an mich als Kunden herangehen würde (wobei, vielleicht unterstelle ich den Juwelieren hier auch etwas, das sind schließlich Profis).
Schlusswort: Ich muss mich immer wieder daran erinnern, unvoreingenommen an Menschen heranzutreten!
Sonntag, 6. August 2017
Expeditionen in die Tiefe II
Vor Jahrmillionen hinterlassenes Peace-Zeichen in der Waschgrotte |
Ich danke ihnen, meine Damen und Herren, dass sie es so kurzfristig einrichten konnten. Es ist ein Notfall eingetreten, da während unserer Expedition in die Spülgrotte leider ein anderer Bezirk unbewacht geblieben ist. Hier wird es wirklich gefährlich, hier müssen wir mit Todesgefahren rechnen. Es geht um die Zwillingshöhle der Spülgrotte, die Waschgrotte. Diesmal müssen wir uns mit Waffen ausrüsten, es nützt nichts. Unsere Forschungsabteilung hat die Lage bereits sondiert und uns ein Paket bereitgestellt mit Allem, was wir brauchen.
Unser erstes Ziel ist der Einspülschacht. Er wurde von tapferen Bergleuten vor Hunderten von Jahren errichtet, ein Zeugnis wahrer Handwerkskunst. Mittlerweile wurde ein Fahrstuhl eingerichtet, damit die Waschweiber bequem zur Trommel der Reinheit fahren konnten. Das System ist auch heute noch aktiv. Allerdings sind die Regenzuläufe erodiert - wir sollten damit kein Problem haben, denn wir haben das Waschelixier, das unser Herr Rossmann entwickelt hat, und jeder möge bitte mit einem Schwamm die Zuläufe befreien. Das ist absolut nötig, damit der Lift nach unten ordnungsgemäß funktionieren kann, scheinbar wurde dieser Bereich zu lang vernachlässigt.
Wir gehen nun weiter zur Technologie der Altvorderen, sie sehen vor sich die Waschmittelkanone, ja, mit ein wenig Phantasie erkennen sie den Einsatzzweck als Geschütz, um die Feinde aus der Tiefe wahlweise mit Weichspülergranaten, Hygienebomben oder Stärkenetzen aufzuhalten. Doch genau diese Stärkenetze haben das Geschütz hier, da und dort verkleistert. Sehen sie diese milchig-weiße, schimmernde Schicht, die sich wie ein Spinnennetz um die Bauteile der Kanone legt? Wir müssen sie herausziehen, notfalls mit unseren Überlebensmessern abtrennen, und es kommt noch schlimmer! Kleine schwarze Punkte haben sich in diesem Gespinst eingenistet. Diese Punkte stellen eine akute Gefahr dar und müssen eliminiert werden. Niemand weiß, woher sie genau kommen, man vermutet eine Abstammung aus dem Einspülschachtsystem. Zum Glück hat unsere Forschungsabteilung Waffen mitgegeben, mit denen wir diese kleinen, fiesen Punkte bis in die hintersten Verstecke verfolgen können. Jeder möge sich nun bitte mit einem Wattestäbchen bewaffnen, ja, auch die Kinder! Tunken sie die fluffige Spitze in unser Waschelixier, um ihre Waffen mit Reinigungsenergie aufzuladen. Und dann stoßen sie gnadenlos zu, stochern sie jeglichen Punktebefall aus den hintersten Ecken heraus, hier hat kein Bösewicht etwas verloren! Wir müssen die Waschmittelkanone endlich wieder einsetzen können! JAAAAAAAA!!!!!!
Endlich haben wir uns unsere Technologie zurückerobert. Die Waschweiber können wieder den Einspülschacht-Lift benutzen und die Dreckmonster können wieder mit Zusatzmitteln bombardiert werden. Es bleibt nur noch ein letzter Bereich, vor dem man uns immer gewarnt hatte. Ein Tor, das seit Entdeckung der Waschgrotte sicher verschlossen blieb, es gab auch keinen Ansatzpunkt, es irgendwie zu öffnen. Sehen sie, dort rechts unten, das Flusensieb. Es handelt sich um ein Gerücht, von diesem Flusensieb haben wir noch nie etwas gehört, wir konnten immer nur das weiße, runde Tor sehen. Nun haben unsere Forscher allerdings einen Schlüssel gefunden, der genau in dieses Tor passt, und wir stehen womöglich vor einer großen Entdeckung. Nehmen wir also den Schraubenzieher und hebeln das Tor auf... unglaublich! wir sehen einen Griff, der sich scheinbar drehen lässt. Nicht nach rechts, da geht es nicht weiter (haben wir doch schon vor Jahren in der Schule gelernt, dass man zum Verschließen immer rechtsrum dreht, mittels des Spruches: "Solang' das Deutsche Reich besteht, wird die Schraube rechts gedreht!" Und das Deutsche Reich war ja definitiv verschlossen für Menschen von außen, so haben wir uns das gemerkt).
Also drehen wir linksherum, um hundertachtzig Grad und es passiert... nichts. Wir drehen weiter, nochmal, und nochmal, das scheint tief eingedreht zu sein, doch plötzlich löst sich der Griff and all hell breaks loose: Fluten an Stauwasser verteilen sich im gesamten Badreich, hierhin, dorthin, unbändig wabern die Wogen des wallenden Wassers ("Jaaa, lesen sie das mal laut, toll, oder?") hervor und verteilen Flusen, Sandkörner, Fäden und Kleinkram im gesamten Badreich. Nützt nichts, da werden wir später putzen müssen. Aber schauen sie! Es hat sich etwas angefunden im Flusensieb! Es ist also nicht nur ein Gerücht, und somit dürfen wir heute stolz zeigen, wie wir einen Schatz bergen konnten - nach Restauration des Einspülschachtes und Eliminierung der schwarzen Punkte sind wir jetzt um einen Cent reicher! Das ist doch was!!!
Action gibt es in den Gefilden dieser Weltraumbasis immer wieder, seien es nun Stürme, Badreich-Monster oder Spülgrotten-Expeditionen. Wir hoffen, sie bald wieder bei uns begrüßen zu dürfen!
post scriptum: Ja, es gibt einen Grund für diese beiden Geschichten gestern und heute. Nein, ich schreibe ihn hier (noch) nicht.
Samstag, 5. August 2017
Expeditionen in die Tiefe
Into the deep... |
Meine Damen und Herren, ich sehe ihnen an, dass die damaligen Expeditionen in's Badreich Lust auf mehr gemacht haben. Ich freue mich, ihnen mitteilen zu können, dass wir einen neuen Sektor freigelegt haben, und zwar geht es in die Tiefe. Da sie ja sehr groß sind, müssen sie bitte auf den Knien rutschen, damit sie die aufregenden Kleinigkeiten bestaunen können, die wir da haben.
Ich kläre sie zunächst über diesen neuen Ort unserer Expedition auf - es geht um die Spülmaschinengrotte. Die kennen sie bereits hinlänglich, sie haben schon immer gestaunt ob der blinkenden, funkelnden Eindrücke und der Geruchswelle, wenn die Grotte nach dem Wasserspektakel ihre Pforten geöffnet hat. Alles sauber, alles rein, so denkt man sich, doch wir haben genauer geforscht. Ein paar Schalter umlegen, ein paar Teile entnehmen, und plötzlich ließen sich Paneele drehen!
So entdeckten wir die tieferliegenden Höhlen, in die wir vorher noch nie gewandert sind, und was haben wir nicht alles entdeckt! Die geheime Salzkammer und der Wasserablauf, das Reinigungssieb.
Gehen wir zur Salzkammer. Dort fällt uns sogleich auf, dass das Gewinde mit einer seltsamen Schicht organischen Materials überzogen ist, gelblich-rötlich gefärbt, ein nicht identifizierbarer Geruch geht davon aus. Wir wappnen uns besser mit Putzschwämmen und legen unsere Spülmittelpanzer an, um keine Keime davonzutragen. Auch hat unsere Rüstungsabteilung neuartige Handschuhe entworfen, die unbedingt zu tragen sind. Wir erkennen, dass diese Schicht sich leicht abtragen lässt, wunderbar, entfernen wir alles, was nicht in die Salzkammer gehört - dieser Bezirk ist sauber!
Auch bei dem Wasserablauf entdecken wir diese Substanz und entfernen sie umgehend. Wir haben herausgefunden, dass man die Kuppel des Ablaufs anheben kann - eigentlich eine Selbstverständlichkeit, sagt unsere Forschungsabteilung, aber bei diesem Ablauf geht es tatsächlich nicht! Im Hebelmechanismus hat sich ein Tomatenästchen verhakt, wie mag es nur dorthin gelangt sein? Helfen sie bitte alle, mit vereinten Kräften können wir das Gestrüpp entfernen. Lassen sie sich nicht von dem Mozzarella-Basilikum-Aroma in die Irre führen, Konzentration ist angesagt. Hau-RUCK! Und da sehen sie es, wir haben den Ast entfernt, der die Kuppel des Wasserablaufs blockiert hat - auch dieser Bezirk ist nun rein!
Lassen sie uns noch ein wenig tiefer gehen. Sie sehen dort an der Wand uralte Aufzeichnungen, die vermutlich von den Altvorderen stammen. Wir lesen dort S I E M E N S, Buchstaben, doch deren Sinn erschließt sich uns nicht, und unten auf der Tafel steht "empfiehlt CALGONIT". Soll das etwa bedeuten, dass in den tieferen Ebenen der Spülmaschinengrotte das sauteure Mineral Calgonit abgebaut werden kann? Lassen wir uns von diesen Hinweisen nicht aufhalten, streben wir direkt zum letzten Brennpunkt.
Und da sind wir nun, meine Damen und Herren, an den Staugefilden des Reinigungssiebs. Das Wasserspektakel, das sich mit schöner Regelmäßigkeit in der Grotte abspielt, fließt hier durch, und es gab eigenlich noch nie Probleme, doch nachdem wir diesen Schalter hier nach links gekippt haben, dann jenes Rad nach rechts gedreht, konnten wir einen Bolzen entfernen und einen noch tiefergehenden Blick werfen. Und da sahen wir ein Relikt aus uralten, längst vergangenen Zeiten. Niemand konnte genau sagen, auf welches Zeitalter dieses Artefakt zu datieren ist, weißlich, länglich, es schlängelt sich durch die Löcher des Reinigungssiebs. Unsere Forschungsabteilung weist uns darauf hin, dass es sich hierbei um eine Nudel handeln könnte, die das Wasserspektakel überlebt hat und sich nun hier ein gemütliches Zuhause eingerichtet hat. Wir müssen diese Nudel eliminieren, damit das Reinigungssieb wieder voll funktionstüchtig ist. Zum Glück ist das heutzutage mit einem Handgriff schnell erledigt. Wir stellen fest: Der Staudamm am Reinigungssieb ist nun auch lupenrein.
Meine Damen und Herren, werfen sie nun noch einen letzten Blick in die Spülgrotte, quasi zum Abschied. Wer weiß, vielleicht werden wir ihr eines Tages noch weitere Geheimnisse entlocken können? Seht, wie sie strahlt!
post scriptum: Das war unterhaltsam? In diesem Blog finden sich einige lustige Geschichten, ich denke, ich sollte bei Gelegenheit eine Übersicht dazu erstellen.
Freitag, 4. August 2017
Auf zu neuen Ufern!
Es ist mehr als einfach nur irgendein Ausspruch Buddhas - und es wirkt... |
Die große Buba ist in Aufbruchstimmung, es geht an eine neue Schule und in eine neue Wohnung. Das triggert Erinnerungen in meinem Kopf...
Und zwar an Kronshagen. Mein Leben war bis zum ersten Staatsexamen so rund, es passte einfach alles, die olle Areté wäre stolz gewesen. Ich hatte Burger King in zehn Minuten Gehweite - und den Laden habe ich in meinem Studium oft besucht! YazzTazz und ich hatten immer mal wieder BK-Dates, sozusagen, schnacken bei Fast Food, es war großartig. Aldi war in fünf Minuten zu erreichen, ich hatte zwei Bushaltestellen zur Auswahl, wenn ich in die Stadt fahren wollte, und das habe ich auch oft gemacht. Der Bahnhof Suchsdorf war nur einen kurzen Fußmarsch entfernt, und ich bin oft mit dem Zug in die Stadt gefahren, einfach, weil es Spaß machte. Suchsdorf-Kiel-Suchsdorf. Meinen Hausarzt habe ich dort gefunden, und meinen ersten Freund und meinen ersten Kuss - ich hatte alles in Reichweite, Freunde, meine WG mit Conny und Paul. Behördengänge waren ein Kinderspiel, nachdem ich mich an das Kronshagener Bürgerhaus gewöhnt hatte. Ich habe mir über neun Jahre hinweg ein Leben aufgebaut, eine Identität, alles so, wie es sein sollte, ich sag nur Areté.
Das Stellenangebot kam dann aus Husum. Ganz woanders. Darf man ein Stellenangebot ablehnen? Hab ich mir damals noch nicht so intensiv überlegt. Soll ich jetzt wirklich aus Kronshagen wegziehen? Ich hab' doch alles, was ich brauche, soll ich das nur für einen Job aufgeben? Aber irgendwoher muss das Geld kommen, und so war ich einigermaßen überfordert, als die Schulleiterin der Husumer Theodor-Storm-Schule mich kontaktierte, und ich sagte "Okay, dann muss das jetzt wohl so sein, das ist der Gang der Dinge, ich muss die Kronshagener Berge verlassen." Und ich wurde zu einem Häufchen Elend. Angst, traurig, mein Zimmer entmöblieren, helle Flecken an den Wänden, wo jahrelang die Poster hingen. Ich saß in der Ecke und weinte. All' das ist jetzt weg, kaputt, nicht mehr da.
Und dann haben sie mir alle gesagt, dass es total toll ist, dass ich eine Vertretungsstelle bekommen habe, wo doch die Lage für Junglehrer im Land so mies ist. Und die neue Schule soll einen sehr guten Ruf haben, und meine Mama hat aus ihrem Erfahrungsschatz berichtet: "Mach' Dir keine Sorgen, du wirst da nicht allein sein, du kommst in ein Kollegium, das dich aufnimmt. Da findest du schnell neue Bekanntschaften." Aber das wollte ich in dem Moment nicht hören. Mein Blick war nicht nach vorne gerichtet, ich sah nur, wie hinter mir alle Brücken einstürzten. Das war eine Scheißzeit, es fühlte sich an, als ob man mir alles wegnimmt...
Neue Wohnung besichtigen, und ich lächelte und zwang mich, die freigewordene Wohnung gut zu finden. Muss ja. Ist ja der Gang der Dinge. Und auf einmal war Schlüsselübergabe. Auf einmal lebte ich in Husum. Plötzlich waren sie alle weg. Alleingelassen in einer fremden Welt. Und ich hatte kein Smartphone und in der neuen Wohnung auch nicht sofort Telefon und Internet. Ich war komplett abgeschnitten von meinem alten Leben, gezwungen, jetzt in Husum neu zu funktionieren. Ich fand McD in Husum, ein Hauch von Bekanntem. Und Aldi, wo ich meine gewohnten Einkäufe tätigen konnte. Ich suchte überall nach Dingen, die mir bekannt vorkamen - überhaupt nicht aufgeschlossen für Neues, ich versuchte, mein altes Leben in Husum wiederzufinden.
Die ersten Wochen waren die Hölle. Freunde weg, Kronshagener Berge weg, YazzTazz weg, komische Kesseltherme für heißes Wasser, Wände dünn wie Papier, so dass ich den Nachbarn bei - Allem - zuhören konnte. Ich wollte mich nicht einfinden. Ich wollte mich nicht wohlfühlen. Ich wollte da nicht hingehören.
Aber Zeit bringt Gewohnheit, und so lernte ich meine Nachbarin von gegenüber kennen. Und lernte Kollegen kennen. Und genoss die Zeit in der Schule, weil es mir irgendwann ein Gefühl von Zugehörigkeit brachte. Das musste es sein, was Mama gesagt hat: Das Kollegium, dem ich gezwungenermaßen täglich begegnen musste, brachte mir eine neue Gewohnheit. Ein neues Sozialleben. Die Lerngruppen, die ich unterrichtete, das gab mir Kraft. Das waren neue Gefühle, die da mit der Zeit aufkamen, und es dauerte lange, bis sie kamen, aber sie bewirkten bei mir vor allem Eines: Sie waren der Beweis, dass es immer etwas Neues gibt am neuen Ort, an der neuen Schule - im neuen Lebensabschnitt.
Und so schließe ich diesen Beitrag mit Reminiszenzen an die emotionale Achterbahn, die ich damals durchgemacht habe. Trauer, tiefe Traurigkeit über den Verlust meines Kronshagener Lebensabschnitts. Angst davor, dass es in Husum nichts Neues geben würde ("Ich habe mir in Kronshagen ein Leben aufgebaut, das werde ich niemals wieder schaffen!"). Leere. Einsamkeit allein schon durch nicht funktionierendes Telefon und Internet. All' das hat mich so weit runtergezogen, dass ich irgendwann sehr empfänglich wurde für den Wandel, irgendwann akzeptierte ich, dass das Leben rückwärts verstanden, aber vorwärts gelebt wird.
Vielleicht erkennt der eine oder andere Leser sich wieder. Diese Gefühle. Und weiß mittlerweile, durch Lebenserfahrung, dass die neuen Ufer immer etwas bereit halten, man muss es nur empfangen wollen.
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