Freitag, 18. August 2017

Ein ungutes Gefühl

Eine Geste, die mittlerweile weltweit bekannt ist - die Merkel-Raute

Jetzt auch in einem aktuellen Youtube-Netzinterview gefragt, warum sie gegen die Ehe für alle gestimmt habe, wiederholt Angela Merkel ihr ständiges Credo - das sehe das Grundgesetz nun mal nicht so vor und dass sie "ein ungutes Gefühl im Bauch" habe (wenngleich nicht mehr expressis verbis). Und ich frage mich, wie diese nichtssagende Dame (entschuldigung, aber ist es nicht so?) nach all den jüngsten Entwicklungen in der Politik, nach all den gesellschaftspolitischen Umschwüngen in dieser Thematik weltweit immer noch so halsstarrig-merkelrautig bei ihrer Ansicht bleibt. Liegt das am Alter? Ist es vielleicht so, dass ältere Menschen generell ihre Meinung nicht mehr so einfach ändern können - oder wollen?

Betrachten wir den Fall von Frau Liebe (Name geändert et requiescat in pace, scheiß auf Grammatik), mit der ich während meines Zivildienstes jede Woche dreimal einkaufen und Eis essen gegangen bin. Eine nette alte Dame, damals Anfang achtzig, und noch sehr von der alten Schule. So konnte sie zum Beispiel "mit de Schwatten" nie so richtig viel anfangen, die mochte sie nicht so. Und eigentlich, diese Schwulen, das war ihr auch einigermaßen fremd. Aber irgendwann hatte sie mal mit zwei Schwulen Kaffee getrunken und festgestellt, dass die gar nicht so komisch sind. Im Gegenteil, die waren sehr höflich "und man konnte sich richtig gut mit denen unterhalten!" - und ich habe Frau Liebe gesagt, dass das doch mal eine schöne Erkenntnis ist, und dass ich ihr da nur zustimmen konnte. Frau Liebe war in mich als Zivi vernarrt. Ich war damals ungeoutet und hatte auch keine Schwuppen-Leuchtschrift über dem Kopf, wie die verrückte Tuba manchmal behauptet. Eigentlich immer. Frau Liebe hat also noch gelernt, umzudenken.

Und auch meine eigene Oma, die jetzt in den Neunzigern steckt, der ich vor einigen Monaten dann mal erzählt habe, dass ich mich in einen Mann verliebt habe, und ein paar Jahre zuvor hatte meine Tante ihr das auch schon gesteckt. Und meine Oma findet das so toll - ich zitiere aus ihrer Geburtstagskarte, die mich vor ein paar Tagen erreicht hat:

"Lieber Dr Hilarius! Ich wollte Dir für's neue Lebensjahr noch alles Gute wünschen. Ich bin nicht mehr so stabil, habe zu wenig Courage. Nicht mal eine schöne Geburtstagskarte habe ich hier! Aber ich denke öfter an Dich und wünsche Dir von Herzen viel Glück beruflich und auch sonst. (...)"

Abgesehen davon, dass ich mich wahnsinnig gefreut habe über die Karte, handschriftlich selbst geschrieben, was meiner Oma mittlerweile sehr schwer fällt, sind da diese drei Worte "und auch sonst", und ich weiß genau, worauf sie sich bezieht. Und wünschte mir nichts sehnlicher, als dass ich ihr noch zu Lebzeiten sagen könnte, dass ich sowohl im Beruflichen als auch im Privaten glücklich geworden bin. Meine Oma hat da mit bald Mitte Neunzig kein ungutes Bauchgefühl.

Warum also Angela? Warum dieses unbeugsame, sich stetig diesem Fortschritt verweigernde Getue? Diese Ablehnung, die nur noch von der AfD (non requiescat in pace, sed requiescat nihilominus) übertroffen wird - und selbst die FDP lehnt das gemeinsame Adoptionsrecht zu einem großen Prozentsatz ab. Wenn selbst die leicht fehlbesetzte Marianne Mortler als Drogenbeauftragte der Bundesregierung sich (mit granitschwerer Träge) der Freigabe von Cannabis zu medizinischen Zwecken geöffnet hat - was der CDU immer ein Dorn im Auge war - warum streikt die Kanzlerin gerade bei so einem humanen Thema?

Ein ungutes Gefühl im Bauch... das hätte ich auch, am vierundzwanzigsten September, wenn ich mich kreuztechnisch der Bundes-CDU anschlösse. Auf Landesebene hätte ich es fast gemacht und befürworte Günthers Arbeit. Aber Landes- und Bundespolitik sind nun mal zwei unterschiedliche Bühnen.

Geht wählen. Wer sein Kreuz nicht setzt, hat keinerlei Recht, sich zu beschweren. Noch gut einen Monat...

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