Donnerstag, 3. August 2017

Kommt auf den Blickwinkel an

Immer ausgehend vom Weltall

Ich habe gestern mal wieder das jüngste Werk The Journey des Projektes Lichtmond angeschaut. War erst mein zweites Mal, da ich mich noch erinnerte, dass ich beim ersten Ansehen absolut enttäuscht war. Gestern wollte ich mich dann erinnern lassen, warum das so war, und das Vorhaben ist gnadenlos gescheitert, denn es hat mir echt gut gefallen. Das lag nicht nur daran, dass ich nach langer Pause endlich mal wieder einen 3D-Film gesehen habe, sondern auch daran, dass es immer mehr als einen Blickwinkel auf eine Sache gibt, und dass es nie schaden kann, aus mehr als einer Perspektive draufzuschauen. Diese Erkenntnis ist für Menschen wie mich sehr wertvoll, denn ich neige manchmal dazu, etwas zu schnell zu verurteilen und keine zweite Chance zu geben - oder aber im anderen Extrem die Dinge über den Klee zu loben, ohne auch mal einen kritischen Standpunkt einzunehmen. Und das gilt nicht nur für Filme, sondern für alle Situationen im Leben, und anhand von Lichtmond stelle ich diese unterschiedlichen Blickwinkel vor.

Man kann das Projekt so beurteilen:

Der neue Lichtmond-Film gehört wie auch die vorherigen Filme der Brüder Koppehele zu den Werken, die die Welt nicht braucht. Sie entbehren genau genommen jeglicher Substanz: Sie haben keinen Plot (auch wenn mancher mit viel Wohlwollen im letzten Film eine voranschreitende Handlung erkennt). Die Musik ist hochgradig weichgespülter Mainstream-Pop, die Texte bestehen aus Platitüden, egal ob als Lied oder als Rezitativ, egal ob auf deutsch oder englisch. Wobei man sich wünschen würde, dass die Sänger ausgetauscht werden, weil gerade ein paar der männlichen Stimmen (von I Muvrini mal abgesehen) sehr nach Amateurgesang klingen - man möchte reinspringen und das Ganze abbrechen - und es selbst besser machen. Und dann das Visuelle: Wie auch in den vorherigen Filmen sind es Kameraflüge durch generische, digitale Landschaften mit Edelsteinen, die vom Himmel regnen, und morphender Flugkörper, zwischendurch mit Weltallszenen versehen. Es ist unglaublich schwer, sich in den ersten Sequenzen von den Gedanken freizumachen, eine schwebende Kloschüssel am Himmel zu sehen, durch die Kristalle auf die Erde regnen - getoppt eigentlich nur von den überdimensionalen Kristalldildos in der anschließenden Sequenz. Spätestens nach einer halben Stunde fragt man sich, warum man das Ganze überhaupt weiter anschaut, und wünscht sich seine vergeudete Lebenszeit zurück. Man munkelt, der Film sei nur auf Drogen zu ertragen.

Oder aber, man sieht es so:

The Journey ist, genau wie die vorherigen Filme, ein Genuss für Menschen, die sich gern audiovisuell auf höchstem technischen Niveau berieseln lassen. Es wird die Entstehung der Welt beschrieben - sozusagen. Es beginnt bei der DNS und führt uns durch die Entstehungsphasen der Menschheit. Grafisch ein Genuss, noch detailreicher als bei den Vorgängern. Die Inspirationen kommen nicht selten aus der Mathematik - wenn man zum Beispiel durch einen Menger-Schwamm schwebt oder das Sierpinski-Dreieck wie ein Raumschiff abhebt. Man bekommt viele Denkimpulse, Inspirationen, und kann seinen Geist schweifen lassen, während man die Bilder genießt. In 3D wirkt das Ganze natürlich noch immersiver, und die Soundmischung sorgt dafür, dass man live dabei ist. Ich höre, wie links neben mir ein Raumschiff vorbeischwebt, ich höre, wie der Sprecher die Gedichte mal hier, mal dort spricht, als wäre er mit im Raum und ginge um mich herum. Das ist ein echtes Erlebnis, es passiert so viel in diesen Bildern, ich kann mich gar nicht satt sehen. Gegen Ende mag es ein wenig lang wirken, aber wenn man die Melodien von Robert Miles' Children wiedererkennt, ist man sofort wieder bei der Sache und am Ende der Reise angekommen.

Hoffentlich kommt man am Ende des Tages zu der Einsicht, dass eine Meinung, die beide Perspektiven einbezieht, die beste ist. Nüchtern betrachtet bietet die Scheibe wenig Neues, Sound in 2.1, 5.1, 7.1 und Dolby Atmos, Bild in 2D, 3D und 4K UHD. Man muss schon ein vernünftiges Equipment besitzen, um sich von diesem Film beeindrucken zu lassen.

Hinweis an alle Kieler: Lichtmond 3 gehört zum Programm im Mediendom der Fachhochschule, da kann man sich - wie im Planetarium - in den gemütlichen Sesseln zurücklehnen und sich mittels Kuppelkino auf die Reise mitnehmen lassen.

Hier geht's zum Mediendom.

Abschließend noch ein Video aus Lichtmond 3, um das Thema Kitsch-Pop zu veranschaulichen: Wenn man es bei Youtube ansieht, naja, geht so. Aber mit Heimkino zieht's mich vom Sessel.


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