Freitag, 30. Juni 2023

KVG in Nöten

Weiterhin ein Zukunftstraum...

Momentan kann Busfahren in Kiel ein echtes Abenteuer sein. Seitdem das Deutschlandticket eingeführt wurde, nutzen deutlich mehr Menschen den ÖPNV. Die Busse sind voller, es ist lauter, drängeliger - nicht immer, aber immer öfter. Dazu kommt das Chaos in Kiel, hohes Verkehrsaufkommen, Baustellen und Umleitungen, Busse mit einer halben Stunde Verspätung kommen häufiger vor und das alles wird noch einmal verstärkt durch den erheblichen Personalmangel bei der KVG.

Es werden dringend BusfahrerInnen gesucht, um die Verkehrswende stemmen zu können. Man hat jetzt die Notreißleine gezogen und vorübergehend einige Änderungen im Fahrplan vorgenommen - so fahren die Linien Zwölf und Dreizehn nur noch zwischen Strande und Hauptbahnhof, nicht mehr die Hamburger Chaussee hinunter. Auf einigen Linien wird die Taktung reduziert, und so kann es vorkommen, dass ich unten an der Bushaltestelle gute zehn Minuten auf einen Bus warten muss, in der Hauptverkehrszeit.

Zum Glück fahre ich immer etwas früher los, denn manchmal bekomme ich meinen Anschlussbus nach Dietrichsdorf nicht mehr (vielleicht brauche ich ihn ja bald eh' nicht mehr. Aber da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen), und gegen den Stress im Bus habe ich meine Hefte mit Logikrätseln dabei, so kann ich die vielen Menschen ausblenden, die seit zwei Monaten die Busse bevölkern.

Ich finde, dass das Deutschlandticket eine tolle Sache ist. Allerdings haben wir dafür noch nicht die nötige Infrakstruktur, und das dauert... ich mag mir gar nicht ausmalen, wie das erst wird, wenn in Kiel die Straßen aufgerissen werden für die neue Stadtbahn. Noch gut zwei Jahre, dann dürften die Bauarbeiten beginnen. Aber immer das Ziel im Blick haben - irgendwann wird es in Kiel einen dicht getakteten, ausgelasteten ÖPNV geben, mit reichlich Menschen, die ihre Ausbildung als BusfahrerIn machen, damit die Menschenmassen befördert werden können.

Es kann sich nur noch um Jahrzehnte handeln.

Mittwoch, 28. Juni 2023

Vor Gericht


Morgen stehen neben zusätzlichen mündlichen Prüfungen für ESA und MSA die Versetzungskonferenzen an. Das Kollegium entscheidet bei SchülerInnen, deren Zeugnis nicht die Anforderungen für einen Aufstieg nach Zehn oder in die Oberstufe erfüllt. Sie haben einen Antrag gestellt; morgen wird entschieden. 

Ich bin mir noch ein wenig unschlüssig. Mal angenommen, mich würde eine Schülerin gefragt haben, ob ich bitte für die Versetzung stimmen könnte. Weiterhin angenommen, dass ich die Schülerin dann im Gespräch ausführlich darüber aufgeklärt habe, dass der Sprung in die SekII für Manche unerwartet hoch ist. Dass es durchaus ein realistisches Szenario sei, dass sie es - in meinem Fach - nicht auf eine ausreichende Leistung bringe. Sie sagt dann: "Okay, vielleicht wird das wirklich nichts, aber ich könnte es doch zumindest einmal probieren, mich richtig reinzuhängen, oder?"

Für mich wäre in einem solchen Fall klar, dass ich für die Versetzung stimmen würde. Einen Versuch ist es wert, aber mit allerlei Auflagen für das nächste Schuljahr. Meine Frage an Euch: Könntet Ihr mir Gründe nennen, warum ich mit Nein stimmen sollte? Das würde mir wirklich weiterhelfen, denn mir fallen sie von allein nicht ein - Theory of Mind klappt bei mir eben nicht so gut.

Ich freue mich über jeden Kommentar!

Montag, 26. Juni 2023

Die Diktierfunktion

Erstaunlich sexistischer Aufkleber.

"Moin moin,

bei wem bin euch hat Lara S. Englisch. 

Grüße von ..."

Es muss einfach alles immer schneller gehen, und die Menschen werden schreibfaul (Gehst du Rewe?). Tippen kostet Zeit, und eigentlich will man sich gar nicht darauf konzentrieren müssen. Also benutzt man die Diktierfunktion, die wie Pilze überall aus dem Boden schießt. Bei den Suchmaschinen, Fernbedienungen, Spielekonsolen, you name it.

Eigentlich eine geile Sache, aber ich traue dem Braten nicht. Es ist schon so oft vorgekommen, dass meine Amazon prime-Fernbedienung irgendwelchen Käse vorgeschlagen hat, nach dem Muster: "Der Exorzist." - "Ja, hier habe ich Countrymusik, die auf Amazon prime verfügbar ist." Und jetzt sagt mir bloß nicht, Euch sei sowas noch nie passiert. 

Deswegen benutze ich diese Diktierfunktion gar nicht mehr. Es ist ja nicht nur, dass die blöde Kuh mir dann die Countrymusik anzeigt, sondern sie wird auch direkt abgespielt, und wenn ich auf "zurück" drücke, läuft der Scheiß einfach weiter im Hintergrund. Ich kann mich auf diese Funktion nicht verlassen, und hier kommt wieder der Aspi: Ich habe Angst, dass sie mich missversteht, das ist ein Ungewissheitsfaktor, also bleibe ich bei'm guten alten Tippen.

Ein Gutes hat die Funktion allerdings - sie kann in unerwarteten Momenten willkommenen comic relief bescheren, wie zum Beispiel bei einer Mail aus dem Kollegium. Ich bin vor Lachen (die große Buba sagt Kachen) fast gestorben, nicht zuletzt, weil mir nicht in den Kopf gehen will, wie man statt "von" "bin" verstehen kann. 

Ich geh' Film.

post scriptum: Ich meine mich an gewisse Studien zu erinnern, die einen positiven Effekt von Schreiben auf die Entwicklung des Gehirns postulierten. In einer Zeit, in der Tafelbilder nicht mehr abgeschrieben, sondern abfotografiert werden, frage ich mich, was das irgendwann mit unserer Sprache macht...

Freitag, 23. Juni 2023

Unterrichtsversuch - fehlgeschlagen, zumindest teilweise


Was bin ich froh, wenn mir SchülerInnen ehrliches Feedback geben und nicht einfach nur Nettigkeiten schreiben, weil sie es sich nicht mit mir verderben wollen. Die Hutmethode funktioniert wunderbar. So kann ich neue Sachen im Unterricht ausprobieren und erleben, ob meine Befürchtungen möglicher Hindernisse sich bewahrheiten oder Probleme aufgekommen sind, an die ich nie gedacht hätte. 

In diesem Halbjahr habe ich versucht, eine Lektüre durch eine Miniserie zu ersetzen. Das Thema war gothic fiction, und als Lektüre hätten wir Shirley Jacksons The Haunting of Hill House (1959) gelesen. Da es aber eine brillante moderne Verfilmung als zehnteilige Miniserie gibt, habe ich gedacht, ich versuche das mal. Wir schauen das im Unterricht; zehn Wochen lang in der Doppelstunde mit Aufarbeitung danach, und in der Einzelstunde erarbeiten wir die nötigen Skills für das Abitur, ergo das Verfassen diverser Aufsatztypen. 

Da ist viel Gutes bei herumgekommen, manche SchülerInnen fanden es hilfreich, zusätzlich zum Text ein Bild vor Augen zu haben. Das kann aber auch zuviel des Guten sein, wenn zum Beispiel jemand lieber nicht hinsieht (gothic fiction ist eben eng mit horror verknüpft) und dadurch wichtige Details verpasst. Auch hat nicht jeder einen Netflix-Zugang, um die Episoden oder Teile davon nochmal zu schauen, wohingegen man in einem Buch einfach gewünschte Partien mehrmals lesen kann. Dazu kommt die Überforderung: Man schaut etwas Neues, Spannendes, in einer Fremdsprache. Man ist so gebannt auf den Bildschirm, dass man darüber hinaus seine Notizen vollkommen vergisst. 

Ich hätte nach jeder Episode die SchülerInnen eine kleine summary schreiben lassen sollen. So hätten sie den Plot jederzeit zur Hand gehabt und dazu mehr Schreibübungen. Mir fällt sowas immer erst im Nachgang auf, und das mag jetzt wie eine Ausrede klingen, aber es liegt zum Teil am Autismus. Genauer der Theory of Mind. Ich kann mir vollkommen neue Dinge nicht so einfach vorstellen; auch im Referendariat war es für mich immer schwierig, mögliche Probleme bei den SchülerInnen bei der Stundenplanung zu antizipieren. 

Ich werde lieber dreimal überlegen, ob ich so etwas noch einmal mache. Ändert aber nichts daran, dass ich nach wie vor gern mit Film im Unterricht arbeite, und unterstreicht meine Vermutung, dass Anthologieserien wesentlich besser geeignet sind für den Unterricht

Und in der Klausur waren auch vierzehn Punkte dabei, also will ich nicht meckern.

Dienstag, 20. Juni 2023

Erschreckende Analogie


Manchmal gruselt es mich, wenn ich Parallelen, Zusammenhänge oder Ähnliches in meinem Leben entdecke. Im Grundstudium der Amerikanistik hatte ich mich für das Theatre of the Absurd interessiert - absurde Literatur auf der Bühne. Eines der Theaterstücke, die ich gelesen habe, war Arthur Kopits Oh Dad, Poor Dad, Momma's Hung You In The Closet And I'm Feeling So Sad: A Pseudoclassical Tragifarce In A Bastard French Tradition (1963).

Es geht um eine Helikoptermutti, die mit ihrem Sohn und ihrem toten Ehemann Urlaub in der Karibik macht. Der Ehemann ist natürlich konserviert und reist im gemütlichen Sarg. Die Mutter, Madame Rosepettle, lebt ihr Leben nach dem Tod des Gatten am Rande des Nervenzusammenbruchs und tut so, als wäre nichts. Das geht eine Weile gut, aber Sohn Jonathan lernt gegen den Willen der Mutter eine junge Frau kennen. Damit beginnt der Zusammenbruch der Madame, der kulminiert in den Fensterläden, die von der Wand fallen, und einem herrlichen Schlussatz der Mutter, den ich gern zitieren würde, aber das Buch liegt im Keller. Es ist etwas in Richtung "Jonathan, das verstehe ich nicht. Auf deinem Bett liegt ein totes Mädchen, dein Vater hängt im Kleiderschrank und die Fensterläden sind heruntergefallen. As a mother to a son I ask you: What is the meaning of this???"

Madame Rosepettle versteht natürlich nicht, dass sie sich gerade im Nervenzusammenbruch befindet, aber die Symbolik im Stück ist eindeutig. Die Parallele zu meinem Leben? Über meinem Schreibtisch klebt an der Dachschräge seit acht Jahren eine Pinnwand, voll mit allem, was irgendwie wichtg ist, wenn ich am Computer tätig bin. Habt Ihr sicherlich auch in irgendeiner Form, Telefonnummern, Adressen, To Do-Listen, Fotos der besten Freundinnen und so weiter.

Ohne Vorwarnung ist vor ein paar Tagen mitten in der Nacht die Pinnwand herabgefallen. Abgesehen davon, dass ich mich zu Tode erschrocken habe, passte das Timing einfach perfekt zu meiner Lebenssituation. Ich musste direkt an das Theaterstück denken. Das Gute: Ich bin inzwischen ein paar Schritte weiter als Madame Rosepettle, habe mich gesammelt, habe viel Unterstützung und bin wieder auf dem Weg nach vorn. Oder nach oben. 

Und ich habe keine Leiche im Schrank.

Montag, 19. Juni 2023

Dreißig Grad

Erinnert mich an Griechenland. Trinken nicht vergessen!

Eigentlich reicht der Titel schon aus. Wie in jedem Jahr kommt irgendwann der Blogbeitrag, in dem ich feststelle, dass es in meiner Wohnung über dreißig Grad Celsius sind. Alle Sitzgelegenheiten sind wieder mit Handtüchern tapeziert und der Ventilator ist im Dauerbetrieb. Das alles macht es manchmal schwer, sich zu konzentrieren, ich liege in den letzten Zügen, um die Noten für die Kiddies in der Oberstufe fertigzumachen.

Das ist auch die Zeit, in der ich immer Wassermelone im Kühlschrank habe. Ich liebe das! Nicht so süß, unglaublich kühl-erfrischend und durstlöschend. Essen ansonsten eher auf dem Minimum, mein Magen mag gerade nicht alles. Und: Die Reise in's Königreich Hyrule in The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom muss eine ordentliche Pause einlegen. Jetzt geht es um Schule, Wohnung und das Bürokratiergehege.

Falls jemand von Euch Black Mirror mag, oder damit im Unterricht arbeitet: Es ist eine sechste Staffel herausgekommen, die extrem durchwachsen ist, aber eine richtig gute, pädagogisch wertvolle Geschichte dabei hat: Joan is awful thematisiert AI-generated content, deepfakes, das Recht am eigenen Bild und ist gleichzeitig eine witzige Komödie. Echter Tipp!

Aber bei dieser Hitze gehen die meisten Menschen wohl lieber an den Strand...

Samstag, 17. Juni 2023

Rückenwind


Meine Generation erinnert sich bei dem Titel vielleicht noch an einen Song von Thomas D in den Neunzigern. Ein Gute-Laune-Song, motiviert und hoffnungsvoll. Mir ist der Titel angesichts der neuen Situation eingefallen, die mir tatsächlich Rückenwind gibt, denn ich habe Unterstützung von mehreren Seiten. Ich will da keine Katze aus dem Sack lassen, aber es geht mir gerade deutlich besser als noch bei'm letzten Eintrag. Gespräche und Nachrichten haben das bewirkt.

Das führt dazu, dass ich mich gerade mit klarem Kopf in den Korrekturen befinde (Franzen anyone?). Meine Elfer haben eine Arbeit über Literaturgenres geschrieben, Themen-Schwerpunkt gothic fiction, Skill-Schwerpunkt Charakterisierung, letter of complaint, comment. Das war eine Klausur, die ich persönlich rund fand, passgenau, und über die olle Areté habe ich in diesem Blog früher ja öfters geschrieben. Uneingedenk des Hintergrundes, warum mir genaue Passformen immer so wichtig waren.

Da sind ein paar tolle Texte bisher herausgekommen. Aus aktuellem Anlass muss ich aufpassen, sparsamer zu benoten, aber es könnte etwas im Einserbereich dabei sein, vielleicht sogar oberer Bereich. Ich kann diese Korrekturen jetzt genießen, weil ich mich ob des Rückenwinds auf meine Arbeit konzentrieren kann, und das ist immerhin schon viel wert.

Was ein Stein des Anstoßes manchmal ausmachen kann.



Donnerstag, 15. Juni 2023

Völlig überfordert


Jetzt beginnen Bewegungen. SchülerInnen und Eltern möchten sich für mich einsetzen, damit ich an der Schule bleiben kann. Das berührt mich, und ich weiß gar nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich bekomme ein Gesprächsangebot, aber ich weiß gar nicht, worüber ich reden soll. Und ich bekomme endlich wieder Adressen, GEW, Hauptpersonalrat im Bildungsministerium, aber was soll ich schreiben? Und ich habe Angst, dass ich mir damit selbst in's Bein schieße; ich habe gesehen, wie mein Bruder (ASS-Verdacht) sich bei Zuständigen für sein Recht eingesetzt hat: Sachlich vollkommen richtig, aber freundlich ist etwas Anderes. 

Ich bin darauf angewiesen, dass Andere jetzt die Arbeit für mich machen, und da fühle ich mich mal richtig behindert. Links in der Linkliste gibt es einen Eintrag Hochbegabt und hilflos, weil ich nie gelernt habe, wie man um Hilfe fragt. Mittlerweile weiß ich, dass für Autisten nicht nur das Wie, sondern auch das Wann ein Problem darstellen kann.

Ach ja, und nebenbei sollte ich vielleicht auch noch meinen Job machen. Compartmentalizing, ich nenne es Geistige Quarantäne. Ich schiebe das alles in meinem Kopf beiseite und konzentriere mich erstmal nur darauf, die Klausuren durchzukorrigieren, damit jeder rechtzeitig seine Note hat.

Und das Essen nicht vergessen ;-)

Sonntag, 11. Juni 2023

Die Ruhe


So langsam kehrt die Ruhe wieder ein.

Ich kann meine Uhr danach stellen - vier Tage dauert es, bis ich nach einem Zusammenbruch wieder auf die Beine komme. Vier Tage hat es damals bei'm dämlichen Gutachten meiner Schulleitung im Referendariat gedauert, vier Tage, als ich meinen Kurs im Schuljahr an ein neues Kollegiumsmitglied abgeben musste, vier Tage nach der Botschaft, dass ich die Schule verlassen muss. An fast jeder Schule.

Es ist angenehm, wenn die Gedanken keine Extremsprünge mehr machen und die Ideen, was man tun könnte, sich wieder auf ein normales Niveau begeben. Wenn man sich wieder auf Unterrichtsvorbereitungen konzentrieren kann und das Telefon wieder eingestöpselt werden darf. Wenn ich wieder daran denke, mir die Zähne zu putzen.

Es beginnt dann die Zeit der Resilienz. Aktiv werden, Dinge tun, die längst hätten getan werden müssen, mit einem klaren Blick an die Arbeit gehen und sich selbst nicht mehr unerträglich zu fühlen. Konkret fange ich nun endlich an, die Klausur des elften Jahrgangs zu korrigieren und wichtige Unterlagen an die Psychiatrie und das Landesamt für soziale Dienste und meinen Vermieter zu schicken.

Ich freue mich darauf, meine SchülerInnen morgen wiederzusehen, bin mir aber unsicher, wie ich ihnen gegenübertreten werde. So zu tun als wäre nichts, das kann ich nicht. Vielleicht mache ich es so wie an den letzten Schulen und gehe einmal in den Stuhlkreis, um über die Möglichkeit von Niederlagen im Leben zu reden. Das war bisher gar nicht so unsinnig, weil viele Jugendliche sich immer noch für unbesiegbar halten und davon ausgehen, dass da draußen das Schlaraffenland ist und ihnen alles direkt zugeflogen kommt. Und es ist schön, dabei die Bestätigung zu bekommen, dass es zumindest nicht an meinem Unterricht oder meiner Lehrerpersönlichkeit liegt.

Jetzt wird erstmal die Spülmaschine ausgeräumt. Stumpfe Arbeiten helfen ganz wunderbar in solchen Phasen - und dann das Nachdenken über berufliche Möglichkeiten.

Donnerstag, 8. Juni 2023

Arbeitslos


Ab August bin ich arbeitslos. Keine Chance für mich an der Toni.

Bitte nicht anrufen oder schreiben. Ich beantworte keine Fragen, erst recht nicht "Warum denn?".

Samstag, 3. Juni 2023

Wieder einen Schritt weiter im Bürokratiergehege


Es ist nur ein kleiner Schritt, aber ich sollte ihn hier festhalten, damit meine liebe Susifee mich wieder zu Recht anschimpfen darf, dass sie die News nur durch meinen Blog und nicht durch mich selbst erfahren hat: Es kommt Bewegung in meinen Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung.

Und dabei stellt sich heraus, dass die Schuld für die elfmonatige Verspätung nur zu einem Teil bei'm Landesamt für soziale Dienste in Neumünster liegt. Im Gegenteil, dort hat man schon im letzten August eine Anfrage an meine Hausarztpraxis gestellt und um Befundunterlagen zu meinem atopischen Ekzem äi käi äi Neurodermitis gebeten. Einmal im August, dann noch zweimal im September, jedesmal ohne Reaktion der Praxis. 

Zum Verständnis: Das Vorliegen einer Neurodermitis kann einen Grad der Behinderung (GdB) von bis zu 30% geben und auf andere Diagnosen aufgerechnet werden, das hängt vom individuellen Fall und der Schwere der Erkrankung ab. Wenn es mir damit richtig schlecht erginge, könnte ich insgesamt einen GdB von achtzig Prozent bekommen (tut es derzeit aber nicht, also würde das wahrscheinlich eh' hinten überfallen) - eine Autismus-Spektrums-Störung gibt mindestens 50%, und ab jenem Wert gilt man laut Gesetz als schwerbehindert mit bestimmten Rechten und Nachteilsausgleichen.

Natürlich habe ich also beide Faktoren in meinem Antrag angegeben, und natürlich hat das Landesamt versucht, zu beiden Aussagen Befunde einzuholen. Es hätte vielleicht geholfen, wenn man mir mitgeteilt hätte, dass meine Hausarztpraxis nicht reagiert, dann wüsste ich wenigstens, wie der Stand der Dinge ist - denn ein Autist fragt von sich aus nicht unbedingt nach, zumal es in der Antrags-Eingangsbestätigung heißt 

"....sodass wir Sie bitten, von zwischenzeitlichen Nachfragen abzusehen. Sollten unerwartete Schwierigkeiten auftreten (z.B. dass befragte Ärzte trotz Erinnerung nicht antworten) oder wir weitere Angaben von Ihnen benötigen, werden wir Sie hierüber umgehend informieren."

Ich habe das wörtlich genommen und fühle mich in hindsight als behinderter Mensch ein wenig verarscht.

Streichen wir das "ein wenig". Zehn Monate lang hat mein Hausarzt nicht reagiert und es ist nichts passiert, und ich bin eine behinderte Person, die offensichtlich nicht in der Lage ist, diese Angelegenheit allein zu händeln. Zum Glück praktiziere ich Lojong, sonst würde mir der Kragen jetzt bereits dreiundzwanzig Mal geplatzt sein. Vierundzwanzig ist besser, weil das eine gerade Zahl ist.

Es tut mir tatsächlich ein wenig im Herzen weh, wenn ich hier und da SchülerInnen mit ähnlichen Verhaltensweisen sehe und ich mir denken muss, dass sie vielleicht mit ähnlichen Komplikationen im Leben konfrontiert sein werden. Sorry, aber barrierefrei ist Deutschland noch lange nicht, da reichen nicht ein paar Fahrstühle an U-Bahn-Stationen und abgesenkte Bordsteine. 

Immerhin war die Dame am Telefon nett und hat mir bestätigt, dass mein Fall schnellstmöglich in die Prüfung geht. Wieder einen Schritt weiter im Bürokratiergehege.