Freitag, 24. Mai 2019

"...und trotzdem nett..."

Was ist ein guter Lehrer?

Woher kommen Blogideen? Es gibt verschiedenste Auslöser, das kann ein interessanter Mensch sein, während der Busfahrt, oder ein Geräusch auf einer Baustelle, irgendwie ist dieser Kopf unvorhersehbar; ich weiß nicht, aus was er sich eine Idee für einen Eintrag zurechtspinnt. Dagegen war das heute geradezu geplant, bedingt durch die Schule, mal wieder.

Es sind die letzten Schulstunden in meinen Klassen, denn die jungen Erwachsenen müssen bald in ihr sechswöchiges Praktikum gehen. Ich bin sehr gespannt, wie sie sich da wohl machen werden, und ich hoffe sehr, dass ich sie in der Oberstufe wiedersehen kann. Für genau diese Weiterführung habe ich heute wieder die klassische Feedback-Runde gemacht; das ist der Tag, an dem ich mit Hut in die Schule gehe, das hat Methode.

Ich habe zum Thema Feedback schon einmal einen Beitrag verfasst. In der Schule mache ich es so, das ich jedem Schüler zwei kleine Zettelchen gebe. Auf dem einen sollen sie "+" und auf dem anderen "-" notieren. Dann soll auf den Pluszettel eine Sache geschrieben werden, die ihnen am Unterricht gut gefallen hat, und auf den Minuszettel etwas, "was Dr Hilarius in seinem Unterricht besser machen könnte". Das geht anonym, ich sage den Schülern, dass sie ganz offen sein sollen, die Zettel werden jeweils zweimal zusammengefaltet und dann in den Hut geworfen, den ich herumgeben lasse.

Ich erkläre den Schülern, dass mir besonders die Minuszettel wichtig sind. Klar ist es auf der einen Seite unangenehm, sich anonymer Kritik anzunehmen. Es ist ein bisschen kribbelig, einen dieser Zettel auseinanderzufalten. Natürlich machen mich die Pluszettel glücklicher. Aber auf der anderen Seite ist das eine tolle Art, dass mir meine Schwächen aufgezeigt werden, denn ich selbst bemerke die nicht. Vielleicht ist da draußen ja noch der eine oder andere Lehrer, der sich auch für makellos und sowieso viel besser als der ganze Rest des Kollegiums hält. Nicht umsonst heißt es im Buddhismus, dass ein wahrer Freund jemand ist, der Dich herausfordert (zum Beispiel mit Kritik).

Wir alle haben Fehler, oder etwas progressiver ausgedrückt: Wir alle haben Potential, unseren Unterricht weiterzuentwickeln. Und gerade wenn eine Kritik auf mehr als nur einem Minuszettel auftaucht, dann könnte da etwas dran sein; so neige ich zum Beispiel manchmal dazu, in spannenden Diskussionen in's Deutsche abzurutschen, und daran sollte ich arbeiten.

Was mich heute allerdings ebenfalls beschäftigt hat, war folgende Notiz auf einem der Pluszettel: "Die ehrliche und trotzdem nette Weise zu unterrichten." Das habe ich erstmal nicht verstanden. Trotzdem? Kann das denn nicht zusammengehen, ehrlich und nett zu sein? Ich habe versucht, mich an Unterrichtssituationen zu erinnern, auf die sich der Kommentar eventuell beziehen könnte, und schließlich ist mir eine Idee gekommen.

Manchmal klatsche ich meinen Schülern eine sehr direkte Ansage vor den Bug. Dass sie zu wenig für die Schule getan haben. Dass sie mit dieser Haltung draußen keine Stelle finden werden. Dass sie stinkfaul sind - und vieles mehr. Wenn ich Glück habe, rutscht es mir in einer harmlosen Diktion heraus, ohne Schimpfwörter. Ich werde dann ernst und deutlich - im Gegensatz zu meiner sonstigen "Schule soll Spaß machen"-Haltung. Die Schüler bekommen einen gründlichen Einlauf - aber sie wissen, dass ich ihnen so etwas nicht persönlich übelnehme. Sie wissen, dass ich danach wieder lächeln werde, dass ich sie weiterhin im Unterricht drannehme, dass sie trotzdem die Chance auf eine gute Note haben.

Ich weiß nicht, ob Ihr früher einen Lehrer hattet, von dem Ihr sagen konntet: "Der hat mich auf dem Kieker!" Sehr viele Schüler kennen das, fühlen sich als persönliches Zielobjekt für einen Lehrer, und so schaukeln sich Laune und Leistung gegenseitig herab, und jede Äußerung des Lehrers wird als Angriff verstanden. Vielleicht meinte dieser Zettel genau das - ich drücke den Schülern einen deutlichen Kommentar rein, wenn nötig, aber trotzdem macht der Unterricht auch weiterhin Spaß. Denn eine Sache, die versuche ich immer zu vermeiden, auch wenn mir das nicht immer gelingt:

Ich möchte auf keinen Fall, dass meine Schüler Angst vor mir haben.

3 Kommentare:

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    1. Das ist drollig, an genau den Kommentar musste ich nämlich denken und das hat die Sache dann aufgeklärt. Dann hoffe ich mal, dass wir uns im nächsten Schuljahr wiedersehen ;-)

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