Freitag, 17. Mai 2019
Ein Satz
Ich werde heute nur einen einzigen Satz schreiben, inspiriert durch den Roman, den ich zur Zeit lese, nachdem er über acht Jahre in meinem Regal gestanden hat, und das obwohl Professor Doktor Jan Radicke der Kieler Uni ihn mir sehr an's Herz gelegt hat - weswegen ich ihn mir dann zugelegt habe, aber bis vor ein paar Tagen war er fast komplett jungfräulich, denn obwohl ich es mehrere Male versucht habe, das Buch zu lesen, war doch immer irgendwie nach zehn bis zwanzig bis dreißig Seiten Schluss, zu detailliert der Schreibstil und zu stark mein Drang, zu jedem Zeitpunkt jedes noch so kleine Detail der Geschichte verstehen zu müssen, was sich als ziemlich schwierig herausstellt, wenn man merkt, dass der Roman über hundert Hauptcharaktere hat, allesamt dreidimensional ausgestaltet, um einen Reichtum an Informationen zu erstellen, von dem man sich als Leser sehr schnell erschlagen fühlen kann und sich als Überlebensstrategie in dieser Lektüre schnell angewöhnen sollte, alles auf das Gehirn hereinprasseln zu lassen, mit dem unerschütterlichen Vertrauen, dass jedes in diesem Moment noch so unpassende Puzzleteil irgendwann mit zwanzigtausend weiteren Teilen ein Gesamtbild ergeben wird, quasi ein kleines Universum, in das der Autor Thomas Pynchon uns entführt, und wenngleich ich eigentlich dachte, an den Stil des Schriftstellers gewöhnt zu sein, nachdem ich The Crying of Lot 49 (1966) zu einem meiner Lieblingsbücher erklärt habe, muss ich dieser Tage feststellen, dass jener Roman nur eine Fingerübung gewesen sein kann im Vergleich zu diesem Monument von neunhundert Seiten, und mir wird langsam klar, warum Pynchon mit Lot 49 nicht zufrieden gewesen ist, auch wenn ich es als ein klassisches Werk der amerikanischen Postmoderne erlebt habe, denn der unfassbare Reichtum an sehr schrägen Charakteren mit den üblicherweise seltsamen Namen - so wie der Dr Hilarius aus Lot 49 - und dem irren Humor, der mich an Joseph Hellers Catch-22 (1961) denken lässt, insgesamt ein Füllhorn an urkomischen Situationen, ein Humor, der seinesgleichen sucht und dafür sorgt, dass dieser Klotz von einem Buch als das opus magnum des Autoren bezeichnet wird, ein Bericht der letzten Tage des zweiten Weltkrieges - aber es handelt sich hier nicht um eine Geschichtsstunde, das wird der aufmerksame Leser innerhalb der ersten hundert Seiten spätestens dann merken, wenn er erfährt, dass ein Charakter namens Tyrone Slothrop daraufhin konditioniert worden ist, eine Erektion zu bekommen, wann immer eine V2-Rakete abgefeuert worden ist, und wenn sich das schon schräg anhört, dann sollte man sich gern das gesamte Werk zugute führen, so wie ich es jetzt endlich mache, weil ich gelernt habe, nicht aufzugeben, nur weil ich ein paar Sachen nicht verstehe, oder auch extrem viele, und mittlerweile ist mir der Stil so vertraut geworden, dass ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen kann, und ich freue mich auf noch sehr viele verrückte Menschen, Begebenheiten und Lacher, während ich mich endlich durcharbeite, durch Gravity's Rainbow (1973).
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