Dienstag, 7. Mai 2019

Abitur zu schwer?


Heute hatte ich Besuch von einem alten Bekannten: meinem Kreislauf. Beziehungsweise nein, er hat mich nicht besucht, er hat mich verlassen. Wieder einmal der Klassiker, über den ich hier schon geschrieben hatte. Und was hat diesmal dafür gesorgt, dass ich das Essen vernachlässigt habe? Abschlussprüfungen, was sonst?

Es ist dieser Tage mein erstes Mal als Erstkorrektor. Ich habe in den letzten vier Jahren jeden Abiturdurchgang als Zweitkorrektor durchgemacht, und es hat sich ganz angenehm angefühlt, weil ich nicht das Gefühl hatte, dass auf meinen Schultern eine Notenentscheidung lastet. Das ist nun anders, und zwar in gleich zwei Abschlussklassen mit unterschiedlichen Abschlüssen.

Die erste Aufregung gab es ja schon bei'm Entwerfen einer der Klausuren. Mache ich alles richtig? Sind alle Aufgaben drin? Ist es fair, schaffbar? Mache ich viele Fehler? Das war tatsächlich ziemlich unter-Druck-setzend, aber immerhin gibt es dafür ja die Schulaufsicht, die die Klausurvorschläge genehmigen muss. Das hat sie gemacht, und das hat etwas Last von mir genommen, aber trotzdem war ich unsicher, ob alles klappen würde.

Werden alle Schüler kommen? Muss ich Nachklausuren stellen? Funktionieren alle Wörterbücher? Gibt es Baustellenlärm? Klappt die Ablösung der Aufsicht? Und selbst jetzt, wo das alles durch ist, lässt die Spannung nicht nach: Sehe ich alle Fehler? Bewerte ich korrekt, gebe ich zu gute oder zu schlechte Noten? Ja klar, dafür gibt es dann den Zweitkorrektor, der seine Sicht dazu äußern wird, aber ich fühle mich, als müsste ich selbst gerade eine Prüfung bestehen, wenn ich ihm den Klausurstapel aushändige.

Das ist also alles tatsächlich sehr aufregend, und die Korrekturen sind trotz Hintergrundmusik erstaunlich absorbierend. Ich sollte mir feste Essenszeiten verordnen...

...ach ja, und vielleicht sollte ich auch noch etwas zum Titel dieses Beitrags sagen - Ihr habt sicherlich verfolgt, dass es derzeit Tausende von Beschwerden von Schülern über die Schwierigkeit des diesjährigen Abiturs gibt. Spannende Geschichte, und ich muss zugeben, ich stimme eher den Lehrern zu, die mehr Vergleichswerte haben und sagen können, dass die Klausuren wohl im normalen Niveau lagen. Was es für Schüler so "unfair" macht, ist der Umstand, dass letztes Jahr die Klausur in Mathematik deutlich einfacher zu sein schien. Die Klausuraufgaben werden derzeit noch einmal geprüft, und ich bin sehr gespannt, was dabei herauskommt.

Was sich jedenfalls definitiv nicht geändert hat, ist die Tendenz mancher Schüler, die Gründe für ihr schlechtes Abschneiden in einer Prüfung überall zu suchen - nur nicht bei sich selbst. Und ich gebe zu, so normal dieses Verhalten auch sein mag, es nervt mich tierisch. Das ist eine Phase, in der ich den Dalai Lama mehrmals am Tag durch meinen Kopf wabern lassen muss, mit seinem Streben nach Ausgeglichenheit...

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