Freitag, 31. Dezember 2021

Ter Perforatus


Hey die große Buba!

Ich hoffe, Du nimmst es mir nicht übel, dass wir gestern mit einem Cliffhanger geendet haben. Das war pure Absicht, und irgendwie bereitet es mir sogar eine biestige Freude - dass wir beide nicht wissen, ob Peter Olivia direkt darauf ansprechen wird (wir schauen Fringe), oder ob er erstmal den Schein wahrt, um zu planen. Dass Du heute keine Fortsetzung bekommst. Dass Du mindestens bis morgen Abend warten musst. Aber es bereitet mir auch deswegen Freude, weil auf diese Weise Dein Gefühl verlängert wird: Das Gefühl von Spannung, Aufregung, Involviertheit. Du hast mehr Zeit, um aus Deinem Autorenherz neue Weiterentwicklungen der Geschichte sprießen zu lassen - als Aspi gehe ich immer alle möglichen Entwicklungen vorher durch, um nicht überrascht zu werden; das geht automatisch und versaut einem manchmal tolle WOW-Momente. Also genieße diese Zeit, überlege Dir, wie unsere "Familie" wohl mit ihrer derzeitigen Situation umgehen wird.

Ich war heute unterwegs zur dritten Impfung - sehr drollig, Thema Bus: Termin war um Zwölf Uhr Dreißig, also verlasse ich um zehn Minuten vor Zwölf meine Wohnung, um den Bus zum Schwedenkai zu nehmen. Angezeigt wird mir, dass der nächste Bus in fünfundzwanzig Minuten kommt - scheinbar gilt heute der Feiertags-Fahrplan?! Ich hätte mich ja auch mal informieren können und nicht einfach logisch denken "Heute ist ein ganz normaler Arbeitstag, da gilt der reguläre Plan". Und ich wollte auf keinen Fall zu spät kommen ("Seien Sie pünktlich da, erscheinen aber nicht vorzeitig" war die ausgedruckte Anweisung, und daran halte ich mich) - also blieb nur der Fußmarsch.

Und so bin ich heute also im T-Shirt (das sollte ich laut Anleitung tragen) und Jacke durch den Regen von mir zuhause bis runter an den Schwedenkai gewandert, das sind keine drei Kilometer, etwa eine halbe Stunde, und Bewegung tut meinem Rücken grad gut. Angst, dass alle Formulare vom Regen durchweichen, nützt nichts, jetzt oder nie. Zum Glück hatte ich den Regenschirm dabei. Und so bin ich also angekommen, mit dem Fahrstuhl so hochgefahren, wie ich dat brauche, nämlich zum Impfzentrum.

Das lief alles wunderbar, ich lege meine Zettel vor, zeige meine KV-Karte, aber der junge Mann an der Annahme möchte gern meinen Personalausweis sehen. Den habe ich vor Wochen irgendwo liegen gelassen (liebe Eltern, bitte NICHT anrufen, ich kümmere mich drum!), aber die Anleitung sagte mir, dass die Versichertenkarte mit Bild geht. Das wusste der junge Mann dort nicht, whatever, rein, Schirm wegstellen, Jacke aus. Dank T-Shirt ist keine Krempelei nötig. Dann erzähle ich der Ärztin, warum ich so nass bin - die Busgeschichte - und sie erzählt mir freudig, dass sie heute ganz regulär mit dem Bus zum Zentrum fahren konnte. What the what. Mein Gehirn versucht das zu verstehen, ich nehme den Pieks überhaupt nicht wahr, weil ich total überfordert bin. 

Zum Glück unterhalten wir uns ganz lustig weiter, ich frage sie noch, ob ich am Ende der Wartezeit aufgerufen werde oder ob ich nach fünfzehn Minuten selbständig zum Ausgang gehen soll. Ich erzähle ihr die Geschichte von meinem Bruder, der ebenfalls Aspi ist - jedenfalls bin ich davon felsenfest überzeugt, er muss das nur noch selbst realisieren - und der eine halbe Stunde lang am Ausgang darauf gewartet hat, dass sein Name aufgerufen wurde; vollkommen logisch, denn bei den ersten beiden Impfungen wurde er (wie ich) ja auch mit Namen aufgerufen.

Ich sollte mir einen Satz in meinen Methodenkoffer legen: "Entschuldigen sie bitte, ich bin Autist, ich brauche eine ganz genaue Anweisung, wie das hier abläuft und wie ich mich hier verhalten soll." Ich habe diesen Satz mittlerweile mehrfach benutzt - bei der Hand-OP zum Beispiel - und er hilft ungemein. Das macht es alles so viel einfacher! Ich sollte auch weiterhin offen mit meiner Autismus-Spektrums-Störung umgehen.

Genau so, wie eine etwas ältere Dame mit ihrer Angst offen umgegangen ist: Sie stand am Ausgang allein am Fahrstuhl und hat mich gefragt, ob ich sie mit in den Fahrstuhl nehme, denn allein traut sie sich nicht rein. Was für ein wunderbares Gespräch sich daraus ergeben hat! Nur eine Etage lang, aber erleuchtend, und dann öffnet sich die Tür des Fahrstuhls und ich stehe einer vier Meter langen Warteschlange gegenüber. Fühlt sich an wie in der Twilight Zone...

...aber der Gedanke verfliegt schnell, denn es regnet draußen und ich muss den Schirm aufspannen. Der Schirm. Wo ist der Schirm? (Erinnerungen an Lola Rennt) Bei der Ärztin, wunderbar, ich war so überfordert, dass ich daran nicht mehr gedacht habe. Whatever, nichts ist entspannender als das anzunehmen, was kommt, und so bin ich durch den Regen gegangen und schirmlos-nass, aber glücklich zuhause angekommen.

Boob, Du liest, ich wehbe noch. Morgen Abend erwartet uns die nächste Folge Fringe, und damit Dein Gehirn ein bisschen Spaß haben kann, sage ich Dir schonmal den Titel, denn der kann Gedankenzüge auslösen:

Entrada.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen