Donnerstag, 21. März 2019

Schock zum Frühstück

Ich sehe... schwarz.

Ich habe heute morgen kein Frühstück gegessen. Ich esse nie Frühstück.

Und trotzdem gab es heute früh Schock zum Frühstück - dabei war es eigentlich ein Tag wie jeder andere. Wecker klingelt, ich springe direkt aus dem Bett, weil ich anders nicht wach werden kann, auch wenn die ersten zehn Minuten unangenehm sind. Fenster auf, ein Teil der Reihe Fahrenheit Project als Hintergrundmusik, Google News öffnen und die neuesten Nachrichten überfliegen, während das Koffein anfängt zu wirken. Anziehen, dann die Schultasche packen, über die Schulter hängen, zweimal auf beide Hosentaschen klopfen, um mich zu versichern, dass ich beide Schlüsselbunde - privat und dienstlich - bei mir habe, das ist mittlerweile Routine geworden, ich denke über diese Mechanismen nicht einmal mehr nach. Dann zum Küchenregal, Portemonnaie einstecken und ab die Post.

WENN denn das Portemonnaie auf dem Küchenregal gelegen hätte. Da liegt es eigentlich immer, ich bin ruhiger, wenn die Dinge alle einen festen Ort haben - aber heute liegt es nicht da. Ach klar, ich winke ab, ich hab das bestimmt wieder in der Tasche meiner Cargohose gelassen. Gehe zum Wäscheberg, finde aber nichts. Durchwühle alle Hosen - nada. Ach, kein Ding, nun mal nicht unruhig werden, du hast es doch in der Jackentasche gehabt, als du gestern Einkäufe erledigt hast. Alle Jackentaschen gecheckt - niente.

Oooooookay, jetzt werde ich doch ein wenig misstrauisch. Dazu kommt, dass ich mich wirklich beeilen mus, denn meine Ankunft in der Schule ist - seit Jahren schon - knapp auf Kante genäht. Also laufe ich durch die ganze Wohnung, hin und her, öffne die Abstellkammer dreimal, als würde ein Blick nicht ausreichen, Badreich, Küche, what the fuck!? Wo ist mein Portemonnaie???

Aber die Zeit drängt, und so schiebe ich das Problem im Kopf beiseite, verlasse die Wohnung und fahre los, ich werde schon nicht kontrolliert werden, und habe mich auf meinen anstehenden Unterricht konzentriert.

Glaubst Du das ernsthaft???

So eine Scheiße, während ich die Treppe runter hetze, zerbricht fast in Zeitlupe mein kompletter Tag. Was mache ich nun? Ich kann mir mittags kein Essen kaufen. Ich muss ohne Führerschein fahren. Ich kann meine Postsendungen nicht in der Filiale abholen. Ich muss einen neuen Perso beantragen. Und und und... das hochbegabte Gehirn ist äußerst talentiert darin, sich eine Unzahl an Horrorszenarien auszumalen.

Und dann reagiert eine Kollegin auf meine Schilderung: "Ach herrje, ja, aber ich glaube, das ist auch ganz normal, wenn mir sowas passiert, kann ich mich auch gar nicht mehr richtig konzentrieren." Ich erkläre ihr dann, dass ich im Kopf immer ein paar Stunden weiter bin, weil mir die Sicherheit, was passieren wird, im Hier und Jetzt Ruhe gibt. Wenn aber die drei Schritte weiter im Kopf von Unsicherheit geprägt sind, so wie heute, dann wird ein Schulvormittag zu einem Spießrutenlauf. Verwirrt, zerstreut und tierisch froh, dass heute Bowling for Columbine (2003) anstand, in der Zeit konnte ich dann ein bisschen nachdenken und meinen Kopf runterfahren (...iehn den Kellah, wo khalt ies! sagt die große Buba).

Okay, machen wir es kurz: Es hat richtig lange gedauert, aber ich habe mein Portemonnaie wiedergefunden. Lag auf meinem TV-Lowboard, mitten im Blick, aber ich habe es nicht erkannt, weil es schwarz ist. Schwarz auf schwarz (Suprematist Malevich anyone?), jep, ich habe es schon mehrfach erlebt, dass ich Sachen in meiner Wohnung nicht gefunden habe, weil alles schwarz ist. Und dennoch - schwarz gibt mir Ruhe, das bleibt hier.

Dafür nehme ich dann auch gern einen Schock zum Frühstück in Kauf.

post scriptum: Heute gab es einen kleinen britischen Thriller, "Exam" (2009). Ist bei den Kritikern nur so mittelmäßig angekommen, aber ich fand ihn klasse, weil er so schön logisch ist. Die Antwort auf die Frage in dieser Bewerbungsprüfung habe ich gleich am Anfang gefunden, aber das hat mir den Film nicht verhagelt, im Gegenteil, es hat sich alles echt toll entwickelt. Bluray ist unterwegs.

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