Fernweh hat mich damals auch nach Kings Island gebracht. |
Ich habe einigermaßen ernsthaft darüber nachgedacht, auszuwandern. Das war im Studium. Ich hatte mich gefragt, ob ich mein Leben lang in diesem Schleswig-Holstein verbringen möchte. Mir gingen diese langen, grauen Winter auf die Nerven, in denen es fast nur noch regnet. Immer müde, antriebslos, lustlos - es hat eine Weile gedauert, bis ich realisiert hatte, was das fehlende Sonnenlicht mit mir anstellt. In der Folge hatte ich angefangen, mich nach anderen Orten auf der Erde umzusehen.
Vielleicht, dachte ich mir, gibt es ja einen Ort auf der Welt, wo mehr Sonne scheint. Mehr Sonnentage pro Jahr, mehr Energie und Freude. Und vielleicht gibt es ja einen Ort, an dem ich okay bin, so anders, wie ich nun mal bin (und nein, ich fühle mich heute immer noch nicht überall akzeptiert). Ich bin an zwei Orten hängengeblieben - das wäre zum einen Kalifornien gewesen, zum anderen die Florida Keys.
Aus unterschiedlichen Gründen: Rund um Key West leben sehr verrückte Menschen, anders und tolerant, das habe ich mir sehr befreiend vorgestellt. Allerdings haben die regelmäßigen Tornados und Stürme die Aussicht etwas versauert. Dennoch - in einer Dokumentation hatte ich den Lebensstil der Einheimischen ein wenig kennen gelernt und fand das sehr interessant. Naja, und Kalifornien ist nun mal der sunshine state. Es gibt so Vieles, was mich lockt. Die Sonne, die Trockenheit, der Strand, das amerikanische Lebensgefühl, und nicht ganz unschuldig ist auch der Roman Es gibt hier nur zwei Richtungen, Mister von Reinhold Ziegler gewesen. Sein quasi-Reisebericht quer durch die Staaten hat das Fernweh in mir geweckt. Und außerdem ist San Francisco eine der gay capitals of the world. Ecke Market und Castro, irgendwann will ich da einmal sein.
Und nun ist es viele Jahre später und ich sitze immer noch in Kiel. Ich habe gelernt, etwas besser mit Regen umzugehen, und ich habe gelernt, mich an dem Ort wohlzufühlen, an dem ich bin. Ich hätte es wohl nicht über's Herz gebracht, meine Freunde und Familie in Deutschand zurückzulassen und dann in den USA komplett neu zu beginnen. So verlockend das damals klang - und immer noch klingt - hatte ich dann doch zuviel Angst davor. Trotzdem ist dieser Gedanke in meinem Herzen versenkt, und vielleicht sondiere ich irgendwann die Möglichkeiten, mich für ein paar Jahre in's Ausland versetzen zu lassen. Sowas geht nämlich.
Und wieso gerade heute diese Gedanken? Ein Film, welch' Überraschung. Nicht. Wake in Fright (1971) zeichnet das Leben im australischen Outback nach, und ich habe schon wieder etwas Fernweh bekommen - auch wenn manche der Lebensumstände und der anderen Denkweisen mir vielleicht nicht so sehr zusagen. Der Film ist richtig gut, weil er es schafft, die Atmosphäre eines Lebens im Outback realistisch darzustellen, mit den positiven und negativen Seiten. Da wird man überall aufgefordert, auf ein Bier anzustoßen und da vertraut man sich (zumindest eher als hier) auch Fremden gegenüber. Es ist heiß, immer, und alle versuchen, klarzukommen. Es geht in dem Film um einen Lehrer, der in einem Kaff im Outback arbeitet und einen für ihn ungewohnten Lebensstil kennenlernt - anfangs genießt er es, allerdings wird er später mit seinem Gewissen konfrontiert, wenn er, total betrunken, ein Känguruh töten soll.
Das ist kein Spoiler, sondern bekannt (wenn man den Film kennt): Es werden definitiv Tiere in diesem Film verletzt und getötet. Szenen einer Känguruhjagd wirken deswegen so authentisch, weil der Regisseur Ted Kotcheff eine tatsächliche Jagd gefilmt hat. Natürlich hat das für Grauen bei manchem Kinogänger gesorgt, aber aus Sicht der Filmkritik gewinnt der Film gerade dadurch an Wirkung: Die Rezensionen auf rottentomatoes.com sind zu einhundert Prozent positiv, mit einer Punktzahl von Acht Komma Sieben von zehn Punkten - das ist weit über dem Durchschnitt, und seit heute weiß ich, warum.
Und ich habe ernsthaft überlegt, ob ich den Film mal in einer Unterrichtseinheit Australien in der Schule einsetze; das sollte ich aber nur bei erwachsenen Schülern machen, gerade weil die dort gezeigte Lebensweise sich nicht unbedingt an uns gängigen Moralvorstellungen orientiert.
Nun lebe ich also in Kiel, und mittlerweile kann ich das richtig genießen, und das freut mich. Aber der Fernweh-Funke bleibt...
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