Sehr viele Schüler mögen spannende Geschichten |
Ich weiß nicht, woran es lag, aber wenn früher meine Englisch- oder Deutschlehrerin angekündigt hat, dass wir ein Buch lesen würden, stand für mich fest, dass das langweilig wird. Als wäre das ein ungeschriebenes Gesetz, dass alle Bücher, die man in der Schule liest, langweilig sein müssen. Nun, in den meisten Fällen waren sie das auch. Der Untertan, The Loneliness of the Long-Distance Runner, Katz und Maus, Romeo und Julia auf dem Dorfe - und die Liste kann noch lang weitergehen. Und auch in diesem Beitrag werde ich nicht müde, über Herrn Krüger zu schwärmen, der damals mein Interesse an der Literatur geweckt hat.
Warum lassen wir die Schüler Bücher lesen, die sie nicht interessieren? Weil es im Lehrplan steht, und weil generell gilt: You can't win 'em all. Es wird immer jemand in der Klasse sein, der das Buch scheiße findet. Und ich hatte als Lehrer irgendwann die Nase voll davon, den Schülern Lesehausaufgaben zu geben, die sie dann doch nicht machten, so dass ich in der nächsten Stunde keinerlei Grundlage hatte, auf der wir hätten arbeiten können.
Irgendwie musste es doch möglich sein, die Schüler so zu begeistern, dass sie von sich aus weiterlesen wollen. Das war für mich der Punkt, ab dem mir klar wurde, das suspense bei Mittelstufenschülern verdammt gut geht. Spannende Geschichten, die Fragen aufwerfen. Und die Schüler wollen wissen, wie es weitergeht, was steckt hinter dem geheimnisvollen Phänomen, und wer hat den Lehrer umgebracht. Es ist einer der Hauptgründe, dass ich Suspense-Filme mag: Sie spannen mich auf die Folter, sie ziehen mich rein und ich will wissen, wie es weitergeht. Das klappt auch bei Schülern.
Und gerade im Fach Englisch ist es bitter notwendig, dass wir in den Lernenden ein Interesse dafür schüren, ein Buch in die Hand zu nehmen und Seiten umzublättern. Digitalisierung schön und gut, und muss auch in den Unterricht integriert werden, aber es hat positive Effekte, wenn man mal ein richtiges Buch liest. Und es gibt Autoren, die sich wunderbar eignen, Populärliteratur. Auf der Suche danach bin ich auf Lois Duncan gestoßen.
Die gute Dame hat eine Reihe Romane der young adult fiction (YA) geschrieben und gilt mittlerweile so sehr als Klassiker, dass man ganze Unterrichtseinheiten online finden kann. Sie schafft es, die Denkweisen, Sprachverhalten und Handlungsweisen der Teenager in ihren Romanen authentisch wirken zu lassen (wenngleich der eine oder andere Roman mittlerweile ein Update erhalten hat, um ihn an neue Sprechweisen und neue Technologien anzupassen). Duncan ist extrem erfolgreich, wird in Schulen immer wieder gern gelesen, wie ich erfahren habe, und einige ihrer Romane sind auch verfilmt worden - wenngleich mit sehr unterschiedlichen Resultaten.
I Know What You Did Last Summer (1997) hat leider mit der Romanvorlage von 1973 kaum noch etwas zu tun, weil man versucht hat, krampfhaft auf der Slasherfilmwelle mitzuschwimmen. Teaching Mrs Tingle (1999) orientiert sich an der Prämisse von Duncans Roman Killing Mr Griffin, und auch wenn Helen Mirren eine wunderbare Leistung als Titelfigur präsentiert, fehlen dem Film der clevere Witz und vor allem der makabre Ernst in der zweiten Hälfte des Romans.
Ich schreibe heute über Lois Duncan, weil ich mir gestern ihre aktuellste Romanverfilmung angeschaut habe, Down A Dark Hall (2018, auf Amazon prime derzeit kostenlos verfügbar). Der Roman hat mich damals begeistert, weil er alle Merkmale einer klassischen gothic novel enthält und von übernatürlichen Ereignissen in einem Internat für schwer erziehbare Mädchen handelt. Die Verfilmung ist immerhin besser - und vor allem der Vorlage treuer - als die anderen, spielt aber nicht bei den großen Geistergeschichten wie The Haunting of Hill House mit. Trotzdem: Uma Thurman spielt mit einer herrlichen Prise Humor die Rolle der sinistren Madame Duret, und Mittelstufenschülern könnte der Film gefallen.
Ich habe mehrmals Duncan als Unterrichtslektüre verwendet, einmal I Know What You Did Last Summer und zweimal Down A Dark Hall, und die sind unter'm Strich gut angekommen. Kann ich allen Englischkollegen nur empfehlen! Und wer etwas für die Oberstufe haben möchte, dem empfehle ich Kurzgeschichten von Richard Matheson - sehr viele seiner Geschichten aus den Bereichen SciFi, Horror, Humor und Sozialkritik sind verfilmt worden - sechzehn Episoden der Serie The Twilight Zone (das Original) stammen aus seiner Feder. Ich lese gerade die bei Penguin erschienene Best of-Sammlung seiner Geschichten, und da sind tolle Ideen mit Denkanstößen und Gesprächsanlässen für den Unterricht dabei.
Ich freue mich wirklich riesig, wenn ich merke, dass ein Roman bei den Schülern die Lust zu lesen weckt.
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