Ist da jemand unter dem Sofa? |
Ich habe nicht viele Kindheitserinnerungen, aber mir wabert zur Zeit eine im Kopf herum, die ich Euch nicht vorenthalten möchte. Das Spannende daran ist, dass diese Erinnerung sehr intensiv ist, aber ich weiß nicht, ob das damals tatsächlich passiert ist. Faszinierend. Aber erst eine Erinnerung, die bestätigt ist: Ich hatte früher Angst vor der Stille.
Wenn ich abends im Bett gelegen habe und ich im ganzen Haus keine Geräusche gehört habe, dann hat mich das beunruhigt. Ich kann gar nicht erklären, warum; zur Not hatte ich mir damals im Bett selbst eine Geschichte erzählt, die sich anhand der Bilder entsponnen hat, die an der Wand hingen. Ich brauche scheinbar irgendwelche Beweise, dass die Welt am Leben ist. Und das ist heute immer noch so: Der Verkehrslärm von der Hamburger Chaussee draußen macht mir überhaupt nichts aus, im Gegenteil, es beruhigt mich, zu wissen, dass draußen das Leben seinen Gang geht. In Husum war es totenstill, das war nicht immer so schön. Und in Kronshagen hatten wir immer mal wieder das Geräusch der Fahrstühle, die sich in Bewegung setzen - ich habe gern gesagt, es klinge, als würde ein Elefant kotzen.
Ich könnte mir vorstellen, dass der Stadtlärm einer der Gründe ist, warum ich mich in dieser Wohnung wohlfühle. Wenn im Hintergrund etwas pasiert. Und damit geht es zurück zu der Kindheitserinnerung, die ich nicht genau festmachen kann: Ich bin im Wohnzimmer gern unter die Couch oder unter den Tisch gekrabbelt, wenn Erwachsene da waren - zum Beispiel, wenn Mama und Papa Gäste eingeladen hatten. Ich habe von dem Erwachsenen-Talk so gut wie nichts verstanden, ich kannte die Themen damals nicht, aber da machte gar nichts; ich habe mich unglaublich geborgen gefühlt, unter der Couch, wo nicht viel Platz war. Fast wie ein Haustier, das am sozialen Leben teilhaben möchte.
Wie gesagt, ich weiß nicht, ob das eine reale Erinnerung ist - aber sie kommt mir so vor, so lebhaft und intensiv, und gerade wegen meiner heutigen Haltung zum Thema Stille kann ich mir gut vorstellen, dass das damals schön war. Nebenbei, ich war immer glücklich, wenn wir Gäste hatten. Ich musste zeitig in's Bett, konnte aber die Geräusche aus dem Wohnzimmer hören, das war einfach paradiesisch...
Heute passe ich nicht mehr unter die Couch.
post scriptum: Heute habe ich die Kurzgeschichte "Der Wiederholer" im Unterricht vorgelesen. Keine Ahnung, ob es irgendwas bewirkt hat, aber wir haben danach einmal über das Arbeitsverhalten gesprochen. Weil ich viel zu nett bin und die Schüler sich bei mir etwas zu sehr ausruhen.
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