Disclaimer: Diese
Geschichte ist Fiktion. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen und
Ereignissen sind rein zufällig und nicht vom Autor beabsichtigt. Das wäre ja
sonst ein roman à clef, und zu solchen literarischen Kunststückchen ist der
Autor sicher nicht fähig.
Dieser Abschnitt der
Geschichte enthält explizite Darstellungen von Drogenkonsum sowie seinen
Auswirkungen und/oder Szenen körperlicher Nähe. Wer an solchen Bildern Anstoß
nimmt, möge dieses Kapitel bitte überspringen. Darüber hinaus möchte der Autor
immer zu einem verantwortungsbewussten Konsum psychoaktiver Substanzen mahnen:
Das ist der sicherste Weg zur Drogenmündigkeit, dem Gegenstück zur
Abhängigkeit.
Identität – die
Geschichte von Timo und Julian
part 10
Berlin kann
mir jetzt gerade mal scheißegal sein, was kümmert mich diese dämliche Tussi
a.k.a. Schulleiterin, die ihre eigene Schule konsequent runterwirtschaftet –
ist das nicht geil, in diesem Schuljahr gab es nur halb so viele Neuanmeldungen
wie sonst. Woran das nur liegen mag… aber ist die blöde Kuh imstande, mal
eigene Fehler zuzugeben? Nein, „da wird man drüber nachdenken müssen, woran das
gelegen haben könnte, und wir sollten uns da jetzt keinen großen Kopf drum
machen.“ Loser. Und die Erinnerung an diese Szene zieht das Grinsen auf meinem
Gesicht noch breiter. Ich bin jetzt gerade so glücklich, so voller Vorfreude, so
aufgeregt, so… Ju tapst etwas unbeholfen über die Türschwelle, och nö, sollen
wir uns jetzt wieder höflich die Hand schütteln? Fuck you, Knigge – und ich
mache einen beherzten Schritt nach vorn und nehme Ju in den Arm. Er fühlt sich
so gut an, endlich kann ich mal wieder einen Menschen im Arm halten, der nicht
mindestens um einen Kopf kleiner ist als ich. Und er hat so einen breiten
Rücken… Wir haben noch nichts gesagt, und ich halte ihn eine Sekunde länger
fest als nötig. Hat ihn vielleicht
überrumpelt, aber das ist mir jetzt egal, irgendwie muss ich das Eis brechen. Dann
lösen wir die Umarmung, strahlen uns gegenseitig an.
„Hey Ju, immer
herein in die gute Stube.“
„Ja, ich muss
gleich noch mal zum Auto, da sind noch ein paar Taschen…“
„Soll ich dir
helfen? Das bekommen wir fix geregelt.“
Wir gehen
zusammen zu seinem Wagen, er holt aus dem Kofferraum eine große Tasche mit
Bettzeug und einen Rucksack; beides stellen wir in einer Zimmerecke ab.
„So, lass uns
das hier mal ein bisschen gemütlicher machen, schließlich werden wir hier
einige Zeit verbringen. Magst du einmal die Decken aus dem kleinen Raum holen?“
Gesagt, getan,
und wir decken alle Partien des Raumes ab, in denen noch der Fußboden zu
erkennen ist. Jetzt wirkt es tatsächlich fast gemütlich, sagt auch Ju.
„Timo, ich bin
echt aufgeregt, das ist aber wahrscheinlich ganz normal, oder?
„Na klar, mach
dir nicht zu viele Gedanken, das legt sich bald wieder. Komm, wir setzen uns
erstmal auf die Liegewiese, ich muss dir noch ein paar Dinge sagen. Sind das deine
bequemen Sachen?“
„Ja, moment,
noch nicht ganz“, mit den Worten zieht er eine lockere Trainingshose aus der
Tasche und tauscht sein Poloshirt gegen ein schwarzes Tanktop aus, das seinen
trainierten Oberkörper mit den Tattoos sehr vorteilhaft betont. Ich schaue
krampfhaft weg. Nicht jetzt, nicht hier, nein.
Ich mache im
Hintergrund etwas Musik an und hole aus einem Schränkchen meine Digitalkamera.
„Ich würd gern
immer zwischendurch mal Deine Gedanken festhalten, ich könnte mir vorstellen,
dass das ein ganz schönes Erinnerungsstück für später ist. Ist das okay für
dich?“
„Klar, das
können wir gerne machen.“ Und ich schalte die Kamera auf Aufnahme.
„So, wir
befinden uns jetzt auf der Weltraumbasis, etwa eine Stunde, bevor es losgeht…“
„…Weltraumbasis,
irgendwie finde ich den Namen witzig. Und passt ja auch“, wobei Ju auf die
Wandbehänge deutet, auf denen unter Anderem UFOs und Weltall-Landschaften
abgebildet sind.
„Ja, das find
ich auch. Früher in der WG war das meine erste Assoziation, als ich angefangen habe
mit den Trips. Das wirst du auch merken, wenn wir uns ein bisschen mit
psychedelischer Kunst auseinandersetzen, das Space-Element ist fast immer mit
von der Partie. Genau wie kleine Kobolde, Pilze, nackte Frauen und einiges
mehr. Und natürlich alles in Leuchtfarben.“
„Nackte
Frauen, dein Ernst?“
„Schau doch
mal hinter dich“, und Julian dreht sich um und schaut eine nur mit
Chakrensymbolen „bekleidete“ Frau in UV-aktiven Neonfarben an.
„Ich bin ja
mal gespannt, ob ich auf dem Trip nachher auch solche Bilder sehe.“
„Erklär der
Kamera doch mal, wie dein Tagesablauf heute war. Schwerpunkt darauf, wie du
dich fühlst.“
„Hmm, wo fange
ich da an? Ich hab tierischen Hunger, ich hab zuletzt heute am frühen Morgen
etwas gegessen, aber ich sollte ja ansonsten nüchtern bleiben.“
„Ist richtig,
zum einen kann der Stoff sonst eine starke Übelkeit auslösen – zum anderen kann
es ewig dauern, bis die Wirkung kommt.“
„Ich könnte
grad zweieinalb Schweine verdrücken, aber okay, ich fang dann mal an. Frühstück
hatte ich ja grad erwähnt. Wobei, das hat schon früher angefangen, das
Experiment. Eigentlich ging die Spannung ja schon los, als du mir das Päckchen
geschickt hast. Warte mal, ich such das eben raus, das werden wir ja sicherlich
brauchen.“ Er wühlt in seinem Rucksack herum und bringt schließlich die noch
unversehrte Post zum Vorschein.
„Ach, hast du
noch gar nicht reingeschaut?“
„Nein, ich hab
gedacht, das machen wir zusammen, war das falsch?“
„Keine Sorge,
alles vollkommen gut so. Dann mach es doch jetzt einfach mal auf.“
Nach und nach
befördert Ju den Inhalt des Pakets auf die Fläche zwischen uns – ich erläutere
ihm dabei die Funktion der einzelnen Sachen, nicht ohne ihn immer erstmal raten
zu lassen, ob er weiß, worum es sich dabei handelt. Schließlich sind alle
Sachen in Reih und Glied angeordnet, süß, Ju scheint ja doch Wert auf Ordnung
zu legen. Ist für mich ein spezielles Thema, und deswegen schiebe ich die
Gedanken erstmal beiseite.
„Okay, Ju, ich
mach jetzt mal die Kamera aus und erkläre dir die medizinischen Details zu
unserer Droge, damit du weißt, was passieren kann.“
Stück für
Stück erläutere ich das Wirkprofil von Cut, danach die Nebenwirkungen. Dabei
schaut Julian immer wieder auf die Schachtel mit der Substanz.
„Mir ist ganz
wichtig, wenn du irgendwo unsicher bist oder Probleme hast, dass du mir das
ohne irgendwelche Hemmungen erzählst. Dir muss nichts peinlich sein,
schließlich wollen wir beide doch ein positives Erlebnis haben.“
„Och, ich hab
eigentlich keine Probleme damit, offen mit Menschen zu reden, das wird schon.
Und ich fühle mich bei Dir auch recht sicher, ich weiß auch nicht, das ist, als
ob ich in ne ganz andere Welt komme. Da fällt mir das leichter, über alles zu
reden.“
„Dann ist ja
gut, ich vertraue einfach mal darauf, dass du dich gut genug kennst.“ Ich lege
eine kleine theatralische Pause ein. Wir setzen uns auf der Liegewiese im
Schneidersitz einander gegenüber, reichen uns die Hände über Kreuz. Ich sage
Julian, dass er seine Augen schließen soll, ich mache das auch. Seine Hände
fühlen sich warm an, ich spüre, wie aufgeregt er ist. Aber ich lasse mich jetzt
nicht hetzen, ganz in Ruhe, wir haben alle Zeit der Welt. Ich bin, so denke
ich, raus aus der Phase, in der ich nichts abwarten kann und alles sofort und
so schnell wie möglich passieren muss. Ich lasse Ju ein bisschen zappeln. Ich
möchte, dass er zur Ruhe kommt. Er soll alle gedanklichen Verbindungen zu der
Welt da draußen so locker wie möglich lassen. Ich möchte, dass er das
Zeitgefühl verliert, und auch das Gefühl für den Raum, ich möchte, dass es nur
noch ihn und mich und das „Hier“ gibt. Wir atmen ein paar Mal tief durch, dann
öffnen wir die Augen wieder. „Sollen wir loslegen?“
„Ja“,
antwortet er und seine Augen leuchten auf. Wie ein Kind zu Weihnachten. Dann
wollen wir doch mal schauen, wie das für ihn wird. Mir geht es jetzt schon
super, ich genieße es total, seine ganze Aufmerksamkeit zu bekommen.
„Ich glaub,
vor zwei Monaten hätten wir noch nicht gedacht, dass wir so was einmal machen
würden, oder?“
„Definitiv
nicht. Sag mal, Timo“, wobei er auf die Kapseln deutet, die er ebenfalls in
Reih und Glied angeordnet hatte, „wie viel soll ich denn jetzt eigentlich
nehmen?“
Ich frage nach
seinem Körpergewicht, rechne schnell im Kopf die benötigte Menge aus und teile
sie ihm mit, mit einem süffisanten „Und jetzt schluck, du Sau!“
Eine Kapsel
nach der anderen. Ich schaue ihm ein bisschen zu. So war das bei mir früher
auch, wurde mir dann zu umständlich. Ich schaufel mir meine Dosis in den Mund,
verschlucke mich fast am Glas Wasser danach, zack, ich bin bereit, Ju ist etwa
bei der Hälfte angekommen. Und irgendwie denk ich immer dieses „süß…“, wenn er
ein bisschen unbeholfen wirkt, oder unerfahren – und mir wird bewusst, das ich
ihn in diesem „Zustand“ noch nicht oft erlebt habe. Wenn wir uns irgendwo mit
Freunden getroffen haben, versucht er immer möglichst abgeklärt zu wirken,
Imagedenken oder so… und langsam realisiere ich, dass dieser Trip für ihn
wirklich offenbarend sein könnte, auch wenn er das vielleicht erst sehr viel
später erkennt. Zu diesem Zeitpunkt des Trips möchte ich ihm nicht reinreden.
Er soll das ausprobieren, er soll sich wohlfühlen und mal alles so machen, wie
er es für richtig hält. Und wenn er dabei Fehler macht, dann soll er sie ruhig
machen, das gehört dazu. Solange er nichts Gefährliches macht, lasse ich ihn in
die kleinen Fallgruben laufen. Ich glaube, er wird nur so daraus lernen. Er
wirkt sehr überzeugt von sich und von dem, was er tut, da kann ich nicht
einfach reinreden.
So, alles
intus, ich zücke die Kamera.
„Ju, was erwartest
du?“ Er lehnt sich zurück, stützt sich auf seinen Ellbogen ab und grinst etwas
unsicher in die Kamera.
„Also… ich
erwarte mir tatsächlich auch, Bilder zu sehen, weil ich mir überhaupt nicht
vorstellen kann, wie das Ganze läuft und außerdem…“, ich kann förmlich sehen,
wie das Chaos durch seine Gedanken tanzt, „joah, bin ich gespannt, nach dem
ganzen Gerede, was wir gemacht haben, bin ich jetzt richtig gespannt darauf,
und hoffe, dass es cool wird. Und ich hab eigentlich schon seit Wochen keine
Zweifel, dass es cool wird“, wirkt ein bisschen geschauspielert, aber egal, ich
lächel ihm aufmunternd zu, keine Bremsklötze in den Weg stellen! „Und ich lass
mich einfach mal überraschen, was passiert.“
„Eben“, ich
grinse breit in die Kamera, halte sie zu dicht vor mein Gesicht und filme nur
mein Kinn, like I care, „man soll sich ja auch ein bisschen überraschen lassen,
und im schlimmsten Fall bist du am Ende derselbe wie zuvor, schauen wir einfach
mal.“
Wunderbar. Es
scheint gerade alles genau richtig zu sein, dann packe ich doch mal eine kleine
Überraschung für ihn aus.
„Okay, Ju, du
wartest jetzt ne Sekunde, ich hab da was vorbereitet“, ich fühl mich wie ein
Fernsehkoch, während ich in die Küche gehe. Ich wette, er ist jetzt richtig
unsicher, was noch kommt. Perfekt, so soll es sein. Ich liebe es, mit den
Gedanken und Erwartungen meiner Gäste zu spielen – war schon immer so. Damals,
in meiner Jugend, dann bei unseren Spieleabenden in der Uni oder auch bei den
Theateraufführungen. Wie hat Alfred Hitchcock einst gesagt? „I like to play the
audience like a piano“, er hat auf seinem Publikum wie auf einem Klavier
gespielt. Er wusste genau, welche Tasten er zu drücken hatte, um Freude,
Überraschung und Horror auszulösen, und das machte seine Filme so einzigartig.
Und das habe ich immer bewundert. Ebenso versuche ich jetzt also auch, mit
Julian ein bisschen zu spielen. Ich hoffe, er merkt das nicht ganz so sehr.
„Alles klar
bei dir?“ tönt es von der Liegewiese. Wups, ich hänge schon wieder in Gedanken
fest.
„Jep, Sekunde noch!“
rufe ich zurück.
Ju hat sich
erwartungsvoll Richtung Tür gedreht, als ich mit zwei Gläsern in der Hand
zurückkomme.
„Das ist doch
nicht…“
„…Tee. Doch,
genau. Keine Angst, nicht sehr stark. Nur, damit wir ein bisschen entspannter
auf die Reise gehen können, damit der Start nicht ganz so ruppig wird. Ist das
okay für dich?“
„Klar! Ah, wie
praktisch, dass du auch wieder die Kaugummis in das Carepaket gepackt hast, die
können wir dann ja jetzt gebrauchen.“
Und wie damals
bei ihm in Frohnau, vor dem Weg in den Gemeindepark, kippen wir den extrem
bitteren Tee hinunter, verziehen wie auf Kommando unsere Gesichter und stopfen
uns danach die Kaugummis in den Mund, um den Geschmack loszuwerden. Es dauert
nicht lange, bis sich das erste Wohlgefühl breit macht und das Grinsen auf Jus
Gesicht noch breiter wird als vorher. Ich hätte es nicht für möglich gehalten
und zücke noch mal die Kamera.
„So, Julian,
wie fühlst du dich jetzt?“
„Ich fühle
mich auf jeden Fall bereiter, das Ganze durchzuziehen“, spannend aber, dass
sein Blick in die Kamera immer noch sehr unsicher wirkt – er realisiert
wohl langsam, dass das Große, Unbekannte
immer näher kommt und dass es kein Zurück mehr gibt…
„Lustig, ich
hab *breiter* verstanden“, kichere ich dazwischen.
„Nein nein,
be-reiter. Ich hab davor schon richtig Lust drauf gehabt und jetzt, durch den
Tee, fühl ich mich total entspannt, mir geht’s richtig gut. Ich bin mal auf
meine Playlist gespannt, ich hab mir ganz bewusst positive Musik draufgezogen,
sind n paar schnellere Sachen dabei und ein paar langsamere Lieder“, und an
dieser Stelle fällt es mir schwer, die Kamera noch gerade zu halten, weil ich
ne Ahnung habe, dass er auf seiner Musikliste auch einige Sachen aus dem
Metal-Bereich dabei haben dürfte, der olle Metal-Junkie, und das könnte sich
als ziemlich übel auf dem Trip erweisen. Aber nein, Timo, halt deinen Mund,
lass ihn machen, er soll das alles selbst erleben. Hör auf, ihn zu bevormunden,
lass das Ganze zu seinem Erlebnis werden. Nicht zu deinem.
„Das klingt
sehr abwechslungsreich, das wird genau zu der Reise passen“, stelle ich ihm
versichernd in Aussicht. Ich lege die Kamera beiseite, wir haben noch etwa eine
halbe Stunde zu überbrücken, bis es richtig losgeht. Um die Zeit zu vertreiben,
habe ich auf meiner externen Festplatte noch eine amerikanische TV-Serie bereit
gelegt – ein bisschen trashige Unterhaltung dürfte jetzt ideal sein, und so
schauen wir uns Insane Coaster Wars an,
jaja, der US-Reisekanal lässt in einem Wettkampf Achterbahnen gegeneinander
antreten und typisch amerikanische, braungebrannte Teenager mit entweder dicken
Titten oder dicken Muskeln – oder beidem – die Bahnen bewerten. Ein kleiner No
Brainer, das dürfte genau das Richtige sein.
„So als
kleiner Hinweis, Ju – ich hab mir die Videos in hoher Qualität auf den Rechner
gezogen. Die laufen komplett flüssig. Wenn du irgendwann das Gefühl hast, dass
die Videos ruckeln, sag gern bescheid – das liegt dann an dir, die Wirkung vom
Cut setzt dann ein. Dein Gehirn ist nicht mehr in der Lage, den ganzen visuellen
Input so schnell zu verarbeiten und deswegen können dann einige Hänger im Video
vorkommen. Das ist ein gutes Zeichen dafür, dass man in die Waagerechte gehen
sollte, weil der Trip losgeht.“
„Okay, das
klingt richtig weird, ich bin mal gespannt!“
Und so schauen
wir also, wie in verschiedenen Parks die Achterbahnen gegeneinander kämpfen und
machen uns über die pubertierenden Jugendlichen lustig. Ganz besonders gefällt
uns ein blondiertes Nuttentoaster-Produkt, das seine Schutzbrille während der
Fahrt verliert, aber nichts Anderes auf die Reihe bekommt, als sich vor Schreck
an die Brüste zu fassen. Sie wird kurzerhand „Tittenheidi“ von uns getauft und
wird als Meilenstein unserer Freundschaft in die Geschichte eingehen. In diesem
Moment ist uns das allerdings noch nicht bewusst. Während der Serie werden wir
immer schweigsamer und es fällt uns immer schwerer, uns zu konzentrieren auf
das, was da abgeht. Die Episode neigt sich dem Ende zu, und ich kann kaum noch
etwas mitbekommen, weil meine Gedanken schon längst nichts mehr mit der
Handlung auf dem Bildschirm zu tun haben. Es geht los, das Cut setzt seine
Wirkung frei, und auch Ju reibt sich in diesem Moment die Augen.
„Also, du hast
Recht, jetzt wird das irgendwie ruckelig“, kommentiert er wortkarg und seine
Sprache klingt ein bisschen belegt. Er scheint auch bereits abzudriften, ich
wüsste zu gern, ob ihm das bewusst ist.
„Okay, ich
würde dann vorschlagen, wir schauen uns noch die letzten Minuten der
Coasterschlacht an und dann geht’s ab ins Traumland.“
„Ja, machen
wir so“, stimmt Ju zu. Es sind tatsächlich nur noch wenige Minuten, an deren
Ende wir uns im Schneckentempo aufrichten und unser Equipment heraussuchen:
Kopfhörer, MP3-Player, Kissen, Ju deckt sich dabei mit einer Decke zu – würd
ich ja nie machen, das wird viel zu warm, da schwitzt man sich halbtot, aber
okay, Timo, lass ihn mal machen und überhaupt, konzentrier dich auf deinen
eigenen Kram, wo ist überhaupt dein MP3-Player, und mach doch einfach mal das
Licht an, man kann kaum noch etwas im Raum erkennen, weil die Sonne langsam
untergeht, wir haben immerhin Frühherbst, auch auch wenn in Lichtenberg eh nur
selten die Sonne scheint, irgendwann geht sie auch mal unter, also stolper ich
zur anderen Seite des Raumes, falle fast über Jus Beine und mache das Licht an,
oh, er liegt schon bereit da, bin scheinbar nur ich noch nicht zu Potte
gekommen, maaaaaaan, is mir schwindelig, „Bist du bereit?“ raune ich ihm
entgegen und er lallt ein leicht lispelndes „Ich bin vollkommen breit“ zurück,
so dass ich das Licht direkt wieder ausschalte und mich umdrehe, ach scheißßße,
ich knall mit dem Schienbein gegen den Nachttissch, der da irgendwo rumsteh,
fuck, aber es tutthh nichhh lange weh und ich kann eh nicht lannng drüber
nachdengen, also geh ich aufffe Knie, denn stehenisssszzu anstrengend, scheiißßßhhhtimo,
KONZENTRATION, und auf der Liegewiese taste ich nach Jus Beinen, um
drüberzusteigen auf meine Seite, ich kann grad echt nicht mehr, vom Schienbein
merk ich schon gar nichts mehr, ziehe all meine Verbindungskabel auf meine
Seite rüber, greife einmal kurz nach Jus Kopfhörern und ziehe sie zur Seite und
sage ihm, „Alles klar, Ju, ich wünsche dir eine gute Reise, und wenn irgendwas
sein sollte, egal was, fass an meinen Arm, okay?“ und er murmelt irgendwas
Unverständliches zurück, was ich aber kaum noch mitbekomme, weil ich erschöpft
auf die Matratze falle und mich endlich in den Rausch der Musik begebe und tief
durchatme… und spüre, wie mein rasender Puls endlich langsamer wird… … und das
Klopfen in meinem Kopf auch… … … und die knisternden Lichter vor meinen
geschlossenen Augen und dann………….. ……. ……. … .. .
fortsetzung folgt...
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