Donnerstag, 22. September 2016

Wartezeit


Dritter Kühlschrankhinweis: Sie ist kühl. Kalt. Fast schon emotionslos.

Heute geht es darum, mit welch unterschiedlichen Blickwinkeln man Wartezeit betrachten und vielleicht sogar wertschätzen kann. Anlass sind einige unqualifizierte Beiträge in einem Fanforum des Hansa-Parks zur neuen Achterbahn, die mich zum Schmunzeln bringen und gleichzeitig zur Reflektion über eben jene Wartezeit anregen. Das habe ich vor ein paar Monaten schon einmal gemacht. Aber es scheint mir keine Ruhe zu lassen.

Es bleibt auch mit fast fertiger Thematisierung dabei: Der Kärnan hat eine Kapazität von etwa 384 Fahrgästen pro Stunde. Das ist für eine Attraktion dieser Größenordnung unglaublich wenig. Von anderen Parks kennt man Zahlen, die sich zwischen 1600 und 2400 Fahrgästen bewegen, was bei einem jährlichen Besuchervolumen von knapp fünf Millionen - wie z.B. im Europa Park - auch absolut nötig ist.

Der HaPa hat etwa eins komma vier Millionen Besucher im Jahr zu versorgen - das ist zwar weniger, dennoch ist die Kapazität der neuen Achterbahn horrend gering. Das führt zu Wartezeiten, die in der Hauptsaison bei etwa fünfundvierzig Minuten liegen. Wenn man die Originalintention der Macher kennt, ist das eine vollkommen akzeptable Wartezeit. Leider kennen viele der User, die sich im Forum äußern, diese nicht und gehen davon aus, dass nur sie die Weisheit mit Löffeln gefressen hätten.

So sprechen manche dort von einer "Fehlplanung". Das halte ich für eine sehr wagemutige Äußerung bei einem Investitionsvolumen im zweistelligen Millionenbereich und fünf Jahren reiner Planungszeit. Da ist nichts zufällig, da ist nichts "aus Versehen falsch geplant", das hat alles Methode. Die Bahn kann keine schnelle Abfertigung ermöglichen. Im achtzig Meter hohen Hauptturm der Kärnan-Festung gibt es einen Effekt, der die Bahn zu einer Abfahrt alle hundertfünfzig Sekunden bringt (ich verrate weiterhin nicht, worum es sich handelt).

Mehr geht nicht. Das sagen fünf Jahre Planung, das sagt eine mehrmonatige TÜV-Abnahme, das ist einfach so. Also hat man die Warteschlange genau darauf ausgerichtet. Im 2:30-min-Takt werden Besuchergruppen á sechzehn in die letzten Räume geschleust - Museumsgewölbe, Gepäckraum, Bannraum, Bahnhof. Überall erwarten sie Videos und Effekte, um sie für jeweils zwei Minuten dreißig zu unterhalten, und das tun sie recht überzeugend. Meiner Auffassung nach wird die Absicht der Macher effektiv umgesetzt.

Und diese Absicht war es nicht - und wird es niemals sein (auch wenn eben viele Parkjunkies so denken, vermutlich weil es in vielen Vergnügungsparks so läuft), möglichst viele Besucher diesen Thrill erleben zu lassen. Die Wartezeit - außerhalb der Festung, unterhalb des furchteinflößenden Turms, innerhalb der Festungsanlage, in den düsteren Gewölben - ist ein integraler Bestandteil des Gesamterlebnisses. Das hier ist mehr als ein Thrillride. Wie schon beim Fluch von Novgorod haben wir hier eine Kombination aus Achterbahn und Dark Ride. Das ist nicht üblich, kommt aber ab und an auf der ganzen Welt vor (Revenge of the Mummy, Expedition Everest, Space Mountain 2, Arthur, Winjas etc.), und sollte auch als genau solches respektiert werden.

Der Zweck der Bahn ist es nicht, dem Thrill-Publikum zu dienen. Und ich muss immer wieder schmunzeln, wenn manche Achterbahnjunkies davon ausgehen und sich daher das Maul darüber zerreißen, wie schlecht der HaPa hier anscheinend geplant habe.

Bis zur Nasenspitze gedacht. Weiter könnte ja wehtun, oder gar anstrengend sein.

post scriptum: Faszinierend. Ich lasse mich über "nicht bis zu Ende gedacht" aus der Ruhe bringen, dabei komme ich selbst beim Nachdenken oftmals nicht über die Nasenspitze hinaus...

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