Dienstag, 27. September 2016
Das System stürzt ab
Dieser Beitrag bezieht sich auf den gestrigen Tag und ist ein schönes Beispiel hochbegabter Denkblockaden. Genau genommen bezieht er sich auf diese ganze Woche. Auf die momentane Situation, wie auch immer.
Nehmen wir eine Analogie, das hilft zur Veranschaulichung. Ein Computer kann unglaublich schnell rechnen, Befehle ausführen, kann Dinge ordnen, die Technik geht immer weiter voran. Es gibt aber Momente, da wird's zuviel: Ich will ein hochauflösendes Video abspielen, nebenbei lasse ich noch eine Animation erstellen, habe einen Chat und eine Videokonferenz geöffnet und lasse das Windows-Update laufen - eine bekannte Situation, immer mehr Fenster öffnen sich, dann noch Spam dazu, noch mehr Fenster, der Rechner packt das alles, geht, noch mehr Fenster, noch eine Virenwarnung und - ZACK - hat man irgendwann den Bluescreen. Oder es bleibt einfach alles stehen.
Das System stürzt ab. Der Computer hängt sich auf. Leute, das haben wir alle schonmal erlebt, oder? So á la "Stecker rausziehen, wieder reinstecken, dann geht es wieder". So ging es mir gestern. Das hat sich über drei Wochen aufgestaut, immer mehr Dinge sammeln sich in meinem Gehirn an, immer mehr unlogisches Verhalten, Regelbrüche, nicht gehaltene Absprachen. Ich kann sehr viel in meinem Gehirn verarbeiten. Aber manchmal gerate ich schon ins Stocken - wenn es eben zu viel wird. Das erkenne ich daran, dass ich Sachen nicht richtig mache oder vertausche: Sei es der Termin eines Elternabends oder der kopierte Stapel Arbeitsblätter für die falsche Lerngruppe. Das passiert mir eigentlich nicht - deswegen gehen alle Alarmlampen an, wenn es doch passiert.
Und dann kann eine Kleinigkeit reichen, um mich endgültig zu überfordern. Dann fühlt es sich im Kopf an wie beim Computer oben. Und das ist einer der Gründe, warum ich Hochbegabung oft als geistige Behinderung erlebe. Und jetzt muss ich Strategien finden, wie ich mit all diesen Sachen umgehe. In erster Linie konfrontativ: Nach und nach setze ich mich jetzt mit all meinen Lerngruppen zusammen und erkläre ihnen die Situation. Zum Beispiel bitte ich sie, mich in der Schule nicht mehr zu grüßen. Nett lächeln, zunicken, das ist okay, aber bitte nichts mehr, was meinen Gedankenzug zum Entgleisen bringt.
Und ich habe hier im Blog schon einmal von meiner Angst vor den unteren Klassenstufen geschrieben. Jetzt manifestiert sich das alles. Ich kann es nicht mehr unauffällig unter den Teppich kehren. Ich muss offen damit umgehen. Und das ist verdammt schwer, denn ich möchte mit meiner Behinderung niemandem auf die Nerven gehen. Ich fühle mich dann schlecht, ich will nicht, dass jemand Rücksicht auf mich nehmen muss.
Soviel zum Thema "Du bist hochbegabt? Das ist ja toll!" - meine Lerngruppen denken ab sofort anders, weil sie jetzt wissen und erleben, wie das ist.
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