Samstag, 13. April 2019

Kontrollverlust

Eine wunderbare Illusion

"I like to play the audience like a piano."

Diesen Satz soll Alfred Hitchcock einmal gesagt haben, und ich finde ihn großartig. Hitch wusste genau, mit welchen Blickwinkeln, Schnitten und Einstellungen er welche Reaktion bei dem Publikum erzeugen konnte. Und er hatte ja Recht: Auch Jahrzehnte später schaffen seine Filme es immer noch, mich als Zuschauer zu verwirren, mitzunehmen, immer wieder ist es für mich faszinierend, wie der Plot im Film North by Northwest (1959) vorangetrieben wird, ohne dass ich es bewusst mitbekomme.

Ich frage mich, ob das eine Eigenart von Hochbegabten ist: Alles unter Kontrolle haben wollen, um sicher sein zu können, was passiert, und nicht von Unvorhergesehenem aus der Bahn gebracht zu werden. Als ich Mitglied der Saturnalien war, war es für mich sehr wichtig, den Ablauf der Theateraufführung immer unter Kontrolle zu haben; das hat mir nicht gerade Begeisterung der anderen Teilnehmer eingebracht. Erst bei meiner letzten Aufführung Zweitausendelf habe ich es geschafft, die Anderen machen zu lassen.

Kennt Ihr das Gefühl?

Wenigstens habe ich gelernt, dass es auch mal ganz entspannend, bzw. bereichernd sein kann, wenn jemand Anderes die Zügel in der Hand hält. Jemandem zu vertrauen, dass er das Richtige tut - so geht es mir in Hitchcocks Filmen, oder auch in Vergnügungsparks: In Kings Island gibt es eine Dunkelachterbahn namens Flight of Fear. Von außen sieht man nichts, nur einen mittelgroßen Hangar einer Militärbasis, den man betritt. Das ist der Punkt, an dem ich die Kontrolle abgebe; ich lasse mich in eine andere Welt entführen, und das ist toll. Als ich im Inneren des Hangar angekommen war, stand dort ein UFO, und die Warteschlange führte am einen Ende hinein und auf der anderen Seite wieder hinaus, dann wahrscheinlich zum Bahnhof.

Ich konnte mich in diesem Hangar gar nicht sattsehen, über Fernseher liefen mock documentaries über eventuelles Leben im Weltall, und nach und nach bin ich immer näher an den Einstieg des UFOs gekommen. Dann eine Treppe hinauf, und in dem Raumschiff einmal rundherum - und dann müsste es wieder nach draußen gehen. Dachte ich - aber ich trat durch die nächste Tür, immer noch in diesem Raumschiff, und plötzlich war da vor mir die Achterbahn-Station! What the...?! Nachdenken unmöglich, denn ich konnte sehen, wie vor mir ein voller Zug in die Finsternis rauschte - und leer wieder im Bahnhof ankam! Aufregung, Verwirrung, und ich habe es genossen, es war ein absolut tolles Erlebnis.

Mittlerweile weiß ich, dass der Hangar nur zur Hälfte existierte; die eine riesige Wand war komplett verspiegelt und lief mitten durch das Raumschiff, so dass man denken konnte, dass man aus dem Raumschiff wieder hinaustritt. Stattdessen befindet sich hinter dieser Spiegelwand der Bahnhof. Großartig! Man nennt sowas wohl misdirection in der Illusionistenszene, ich werde manipuliert und komplett an der Nase herumgeführt - und wenn das zu so einem tollen Erlebnis führen kann, finde ich den Kontrollverlust wunderbar.

Ich bin darauf gekommen, weil ich heute Now You See Me (2013) gesehen habe, in dem es um genau jene Illusionistenszene geht. Manchmal ist es wirklich schön, nicht total abgebrüht in so ein Erlebnis zu gehen.

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