Samstag, 29. Februar 2020
Schnellkasse: Kontaktlos (Die Schwarzschild-Variante)
Ich glaube es nicht. Jetzt gibt es im Regal der Backmischungen im Supermarkt auch eine "Back"mischung für cookie dough, Keksteig mit Schokostückchen. Echt jetzt? Was da wohl alles drin ist? Die Zutatenliste zeigt mir "Weizenmehl, Zucker, Aromen". Die wollen mir drei Euro abknöpfen für etwas, das ich mit meinen Zutaten zuhause für zwanzig Cent herstellen kann? Was für eine Abzocke! Ich kann das gar nicht glauben - also nehme ich eine Packung mit, um mich zu vergewissern, dass ich nicht träume. Auf zu den Kassen!
Ach, sieh' an, die Schnellkassen sind gerade frei, die meisten Kunden möchten doch lieber klassisch bezahlen. Passt mir wunderbar! Ich habe zwar nach der Katastrophe von damals immer noch großen Respekt vor den Kontrollwaagen, aber das ist besser, als an einer herkömmlichen Kasse vom Laufband in's Verderben geschlotzt zu werden. Und so gehe ich an die Kasse, scanne meine Produkte fix ein, bezahle und verlasse vollkommen ohne Wartezeit den Supermarkt. Großartig. Lang lebe die moderne Technik.
Ich bin so zufrieden, dass ich das Erlebnis noch einmal Revue passieren lassen muss. Ich kann noch nicht so wirklich realisieren, wie einfach das doch alles geworden ist. Ich musste meine Einkäufe auf Plattform A abstellen, dann in aller Ruhe ein Produkt nach dem anderen über das Scannerfeld ziehen (leider keine Scan-Laser-Vernichtungspistole mehr) und auf Plattform B legen - die Kontrollwaage. So langsam habe ich kapiert, wie es geht, und diesmal kommt auch kein ERROR! dabei heraus. Fehlt nur noch das Bezahlen, und seitdem meine Bankkarte abgelaufen ist, kann ich mit dem neuen Exemplar kontaktlos bezahlen.
Das kann ich natürlich erstmal nicht glauben. Das ist gruselig. Ich meine... früher hat man Geldmünzen, real existierende Tauschware, einem anderen Menschen in die Hand gedrückt. Und nun muss man nur noch die Karte hinhalten, keine PIN, keine Unterschrift, gar nichts mehr??? Ich versuche es, halte die Karte gegen das Lesegerät und nacheinander leuchten ein paar grüne Lämpchen auf, wie der Ladebalken eines Akkus. Es ist wie eine Art Countdown, und ich bin gespannt - und auch ein bisschen ängstlich - was passieren wird, wenn alle Lämpchen leuchten. Noch drei, noch zwei, noch eins - BEEEEEEEEEP. Zahlung erfolgt - das war es schon? Das ist ja quasi, als hätte das Lesegerät durch ein Dimensionsportal mit einem Staubsauger das Geld von meinem Konto eingezogen.
Und der Staubsaugervergleich ist gar nicht so unpassend, denn ich halte die Karte etwas zu lang an das Gerät. Das Piepen verstummt - aber es leuchten plötzlich immer mehr grüne Lämpchen! Ich frage mich, was da wohl gerade passiert - die Bezahlung ist erfolgt, räumt das Gerät jetzt mein ganzes Konto leer?! Ich ziehe die Karte erschrocken weg, aber es ist zu spät. Immer mehr und mehr grüne Lichter leuchten auf, und ich registriere einen Luftzug. Nur ein kleines Lüftchen, aber stark genug, um die Fliege in Bewegung zu bringen, die gerade noch auf der Kontrollwaage saß. Genauer gesagt: Um sie einzusaugen. Die Fliege wird in das Lesegerät hineingezogen und ist sofort verschwunden.
Faszinierend! Da muss ich noch ein bisschen dran herumspielen, und ich ziehe ein Taschentuch aus der Tasche, um es in den Luftsog zu halten - und tatsächlich, es flattert herum, wie aufregend! Doch es dauert nur eine Sekunde, bis auch mein Taschentuch komplett eingesaugt ist. Jetzt wird es ein wenig gruselig... wohin ist das denn verschwunden? Und warum liegt hier überhaupt Stroh herum, das sich jetzt ebenfalls auf das Lesegerät zu bewegt? Ich schaue um mich herum, dort, eine Frau hat ihr Seidentuch verloren und es fliegt in das Lesegerät hinein, wird dabei immer kleiner und ist dann verschwunden. Ich bin so fasziniert von den Ereignissen, dass ich nicht bemerke, wie der Luftzug langsam zu einem regelrechten Sturm wird, immer stärker, immer mehr wird alles im Umkreis von diesem komischen Lesegerät eingesaugt.
Okay, jetzt kommt etwas Panik auf. Ich drehe mich um, suche nach der Angestellten, die jederzeit die Schnellkassen im Blick hat, um bei Problemen zu helfen. Ich möchte sie auf diesen Defekt hinweisen, verwerfe die Idee aber umgehend, als ich sehe, wie die nette junge Dame mit den Haaren zuerst im Lesegerät verschwindet. Lesegerät? Mittlerweile kann ich kein Lesegerät mehr sehen, das sieht seltsam verzerrt aus, und im Zentrum des Ganzen... ein schwarzer Punkt? Faszinierend! Und erst jetzt realisiere ich, dass dieser schwarze Punkt alles anzieht, alles in sich hinein zieht, nur ich scheine nicht betroffen zu sein. Ich erinnere mich dumpf an die Theorien über mikroskopische Schwarze Löcher... aber im Supermarkt in Hassee?
Das Chaos bricht aus, der Lärm um mich herum wird immer unerträglicher, während Einkaufswagen, Kinderwagen und Körperfettwaagen vom Lesegerät verschlungen werden. Menschen aller diverser Art haben keine Chance, alt und jung, Mann und Frau, nicht einmal Schakkeline-komm-wech-von-die-Regale-du-Arsch kann sich wehren. Und nun kommt ein Geräusch auf, das ich leider zur Genüge kenne - die Hasseer Katastrophen-Alarmsirene. Lange heult sie allerdings nicht, denn das Rauschen des Windes wird immer stärker, ein regelrechter Orkan des Aufsaugens vernichtet alle anderen Geräusche - und ich bemerke, dass das Schwarze Loch größer wird. Mittlerweile ist seine Anziehungskraft so stark, dass um mich herum Autoteile umherfliegen, ganze LKWs fliegen in das Schwarze-Loch-formerly-known-as-Lesegerät hinein. Kein Mensch mehr zu sehen, nicht einmal dickschwartige Sachbearbeiter werden verschont, und mir graust es bei dem Gedanken, dass das hier nicht das einzige Lesegerät-Loch sein wird... langsam gehe ich rückwärts, langsam trete ich die Flucht an. Ich kann meinen Blick nicht von dem Chaos wenden und sehe zu, wie endlich das deutsche Bildungssystem annihiliert wird, auch Iustitia fliegt auf das Loch zu, wird dabei aber von umherfliegenden Bestechungsgeldern zerstört. Langsam merke ich, wie es an meinem Kopf zerrt, und ehe ich mich versehe, ist auch mein letzter Rest Hoffnung auf eine Planstelle aufgeschlotzt worden. Warum nur ist mein Körper von dieser Anziehungskraft unbeeindruckt? Warum???
Ich bin zu fett, ich habe meine eigene Gravitation. Keksteig in die Tonne!
Freitag, 28. Februar 2020
Bürokratiergehege: The Next Phase
Ja, so langsam komme ich in einer neuen Phase an. Neue Schule, wie immer begleitet vom Krankwerden in unterschiedlichsten Variationen (wobei eine Verstauchung nicht hätte sein müssen), neuer Personalausweis (so richtig elektronisch-sexy) und auch der Wechsel zu einem neuen Telefon- und Internetanbieter und Glasfaser.
Diese wichtigen Termine hatte ich in's Frühjahr gelegt, weil ich davon ausgegangen bin, dass ich weiterhin arbeitslos sein würde und den Kopf frei hätte - nun bin ich es nicht, und es fällt mir nicht gerade leicht, diese Termine und die Eingewöhnung an der Schule zu wuppen. Aber irgendwie muss es ja klappen. Nächste Hürde wird tatsächlich der Providerwechsel; am kommenden Montag soll ein Techniker kommen, passenderweise in einem Zeitfenster von acht bis dreizehn Uhr. Also genau dann, wenn ich in der Schule bin.
Dankenswerterweise hat die Telekom in ihrem Terminbestätigungsschreiben auch gleich angegeben, was man machen muss, wenn einem der Termin nicht passt - spätestens drei Tage vorher Kontakt aufnehmen, damit keine unnötigen Anfahrtkosten entstehen. So weit, so normal. Also rufe ich vier Tage vorher an und sage, dass ich den Termin gern umlegen möchte. "Termin umlegen geht nicht. Und sie rufen auch viel zu früh an, versuchen sie es am Samstag Abend nochmal, so weit vorher kann man da nichts planen."
Ehm... (oder besser Ähm, denn da draußen liest vielleicht ein Herr Ehm mit) - ich dachte, ich solle spätestens drei Tage vorher anrufen, wenn der Termin nicht passt. Und nun soll das also erst am Vorabend geschehen? Whatever. Und ich nutze die Gelegenheit, um einen anderen Passus des Schreibens zu erwähnen: "Hier heißt es, dass ich fünf Tage vorher meinen Router erhalte, nun ist es vier Tage vorher, aber ich habe noch nichts bekommen." - "Neee neee, das kann noch dauern, so schnell geht das nicht, das kann gut sein, dass der erst am Montag ankommt, also wenn der Techniker vorbeikommt."
Ähm... (diesmal richtig) - ich realisiere, dass es ganz schön nervig sein kann, die Menschen bei ihrem Wort zu nehmen und sich dann auch darauf zu verlassen (genauso wie es problematisch sein kann, wenn man sich auf mich verlässt). Nervig als Lehrkraft (wenn Schüler versuchen, durch Lügen Sympathie zu gewinnen), aber auch nervig als Verbraucher, wenn die Telekom mir extra vorher explizit mitteilt, wie der Ablaufplan ist, und dann erfahre ich vier Tage vorher, dass das eh' nicht stimmt.
Worauf das Ganze hinausläuft: Der Termin konnte jetzt online umgelegt werden, nur leider immer nur auf Vormittage unter der Woche, und ich bin nun einmal Lehrer. Also blieb nur noch ein Termin am Samstag in gut einer Woche. Kombiniert mit dem Umstand, dass mein alter Anbieter mir am Montag meine Verbindung kappt, bedeutet das möglicherweise, dass ich nächste Woche von Montag bis Samstag weder Telefon noch Internet habe. Auf das Telefon kann ich gut verzichten, kein Problem, aber ohne Internet fühle ich mich vollkommen isoliert, das hatte ich damals, als ich nach Husum umgezogen bin.
Die große Buba hat mir den Tipp gegeben, mir für die Übergangsphase einen Internetstick zuzulegen, ich habe mich schlau gemacht und das Angebot von Lidl klang ganz gut, allerdings muss ich erstmal schauen, ob mein Gehalt überhaupt überwiesen wurde und ich mir das leisten kann. Interessant: Anstatt für meinen Arbeitgeber alle Personaldatenblätter nochmal komplett auszufüllen, mit allen Nachweisen und so weiter, hat es gereicht, eine kurze Mail zu schreiben, dass sich bei mir nichts geändert hat. Fein (aber generell gilt, dass bei einer größeren Unterbrechung der Arbeit wieder alles erneut ausgefüllt werden muss).
Irgendwann ist dieser ganze Papierkrieg vorbei. Naja, oder zumindest eine kurze Waffenpause.
Dienstag, 25. Februar 2020
PECH gehabt / DAZ-People
Wenn's mal wieder nötig ist |
PECH gehabt
Aussage 50: "Ich schneide, schramme oder stoße mich leicht, weil ich nicht aufpasse."
Diese Aussage aus den Attention Deficit Scales for Adults kann ich nur zu gut nachvollziehen. Ich bin mit dem Kopf drei Schritte weiter, also achte ich nicht darauf, wohin ich trete, und stoße mich an Türen, an der Couch, am Subwoofer, ich knalle mit dem Kopf gegen offene Schranktüren, selbst, wenn ich nur ein Handtuch über die Heizung hängen will, ramme ich meinen Finger regelmäßig in die Tapete, so dass ein Stück der Tapete unter meinen Fingernagel gestoßen wird. Sehr nervig.
Neuestes Kapitel gab es heute, als ich die Wohnung verlassen wollte, mit dem Kopf bereits im Unterricht, und mit dem Fußabtreter meiner Nachbarin über die erste Treppenstufe hinweg gerutscht bin - bei'm Versuch, mich mit dem rechten Fuß abzufangen, bin ich dann auf dem umgeknickten Fuß gelandet. Dieser stechende Schmerz ist einfach abartig, sobald man dann nur versucht, den Fuß aufzusetzen.
Ich hatte das vor drei Jahren schon einmal, habe mir damals nichts weiter gedacht und bin zur Schule gehumpelt - großer Fehler. Ich dachte, dass man wegen sowas ja nicht zum Arzt muss, ein umgeknickter Fuß ist schließlich nichts Dramatisches. Ich habe daraus gelernt und bin heute direkt zum Arzt gegangen. Der hat seine Praxis erst im Lauf des Vormittags geöffnet; bis dahin habe ich im Internet die PECH-Regel gefunden: Pause, Eis, Compression, Hochlagern - vier erste Verhaltensweisen bei so einem Unfall, also habe ich provisorisch mit Kühlpacks und Handtüchern den Fuß verbunden und das Bein hochgelagert. Immerhin, diesmal ist es nicht sofort wie ein Ballon angeschwollen. Arztergebnis: Bänderdehnung. Immerhin kein Abriss, immerhin nichts gebrochen. Wenn man erstmal anfängt, im Internet zu lesen, findet man natürlich heraus, dass man schon so gut wie tot ist, also habe ich das diesmal nicht gemacht.
Was mich etwas irritiert hat - mein Arzt meinte, ich soll möglichst früh versuchen, den Fuß wieder leicht zu bewegen, und nicht zu lange in einer Schonhaltung verharren. Dann habe ich so einen Kompressionsverband bekommen; das Anlegen hat verdammt wehgetan, aber danach war es deutlich besser, weil der Fuß quasi stabilisiert war. Whatever. Morgen nochmal hin, schauen, ob es einen Bluterguss gibt (bisher ist nichts zu sehen) oder ob der Fuß noch mehr angeschwollen ist (bisher nur sehr wenig).
Liebe Eltern, keine Sorgen machen, das wird schon! Ich muss keinen therapeutischen Schuh tragen (diese Riesenteile, die einem einen gewissen Androidenlook geben), und die Schmerzmittel wirken.
DAZ-People
Aber es gibt auch wieder eine positive Nachricht: Montag habe ich zum ersten Mal in einer DAZ-Klasse unterrichtet, und das war total spannend, weil die paar Leutchen, die da drin sitzen, so komplett unterschiedlich sind. Von überall auf der Welt, mit unterschiedlichsten Geschichten und Stimmungen, und mit einer scheinbar besseren Klassengemeinschaft als manch' "herkömmliche" Klasse. Okay, man schafft nicht viel, weil die Sprachbarriere teilweise hoch ist, wobei der Englischunterricht den Kiddies eine größere gemeinsame Sprache gibt - wegen der Vorkenntnisse - als das bisher in Deutsch der Fall ist. Ich freue mich jedenfalls auf die nächste Stunde bei ihnen, vielleicht können sie ja auf Englisch ein bisschen erzählen, was bei ihnen zuhause anders ist als in Deutschland, in Afghanistan, in Syrien, dem Jemen, auf den Phillippinen, in der Türkei und wo sonst noch. Jedenfalls haben sie genügend Humor im Gepäck, dass das Unterrichten wirklich Spaß macht. Ein Grund mehr, in naher Zukunft das DAZ-Zertifikat zu machen.
Freitag, 21. Februar 2020
"Ich will Buletten ..." - Aber bitte mit Musik!
Die Sannitanic kennt diesen hochherrlich subversiven Wortwechsel zweier scheinbar erwachsener Menschen in einer bekannten Hörspielserie für Kinder und solche, die es geblieben sind:
Sie: "Du bist einfach geschmacklos! Damit muss ich mich wohl abfinden. Du wirst nie herausragen aus der Masse."
Er: "Nein! Will ich auch nicht! Ich will Buletten!! Und nicht herausragen!!!"
Sie: "Aus dir wird nie etwas. Nur gut, dass aus uns etwas geworden ist."
(Bibi Blocksberg, Folge Sechs - Die Kuh im Schlafzimmer)
...und auch beim gefühlten tausendsten Mal Anhören liege ich vor Lachen auf dem Boden. Daran musste ich denken, als der Mensaduft durch die Schule waberte, und heute konnte ich ihn einigermaßen entspannt wahrnehmen, dabei wollte ich gestern noch einen Beitrag darüber schreiben, dass ich Auf der gingiva gehe (Zahnfleisch). Was also war heute anders? Ein kleiner Handgriff, nicht einmal pädagogisch, aber scheinbar an meinen bisherigen sechs Schulen nicht zugelassen, so dass ich nie auf die Idee gekommen wäre, das auszuprobieren. Dabei kann die Wirkung den Unterricht komplett verändern.
Mein erstes Mal Gemeinschaftsschule war damals St.Peter-Ording, und gleich eine ziemlich harte Klasse mit vierunddreißig Schülern - und zwangsläufig auch I-Klasse, denn in SPO gibt es keine anderen Schulen als die Nordseeschule, da landen also alle Schüler Eiderstedts, die nicht nach Tönning gehen. Dass das Ministerium nicht direkt eine Aufspaltung der Klasse genehmigen wollte, hing vielleicht damit zusammen, dass die Schule (damals Regionalschule) einzügig war und ... nein, ich habe keine Ahnung. Der Schulleiter musste hart darum kämpfen, die Klasse zumindest in den Hauptfächern aufzuteilen.
Und was war das für eine Klasse: Laut, hyperaktiv, kein soziales Miteinander, Heimschüler, Förderschüler, es war so laut und chaotisch und die "Kein Bock"-Haltung und die "Ich fand den vorherigen Englischlehrer scheiße, dann finde ich den neuen auch scheiße" - da stehe ich dann als Lehrer vor einer Klasse und bin überfordert. Sooooooooo sehr war das gar nicht übertrieben mit dem Video zur Stoffprogression.
Damals habe ich geglaubt, dass das nie etwas wird. Ich habe versucht, zu kämpfen. Freundlich zu sein. Streng zu sein. Nah zu sein. Distanziert zu sein. Hat alles nichts geholfen. Und trotzdem hat es am Ende geklappt (Trick: authentisch sein). Sammelkarten mit Klebesternen für gute Beteiligung und Schokolade-Belohnung können wahre Wunder bewirken, da haben die Timetex-Leute nun mal Recht.
Aber heute, in dieser Klasse, ist es eine ganz andere Methode - Schokolade weg (naja, vielleicht kommt sie irgendwann doch noch), dafür aber Musik in Erarbeitungsphasen. Ich hätte das nicht gedacht: Die Schüler bekommen Aufgaben zum Bearbeiten, zwanzig Minuten Zeit, legen sich ganz selbstverständlich ihr Handy zurecht, stöpseln sich ihre Bluetooth-Kopfhörer in's Ohr und plötzlich wird es (für die Verhältnisse) total still, jeder arbeitet vor sich hin und macht seine Aufgaben, ein Lächeln kommt auf mein Gesicht. In Ruhe gehe ich zu den Kiddies und beantworte ihre Fragen, keiner stört den Anderen, welch' eine erleuchtende Phase!
Danach besprechen wir in Ruhe weiter und gehen voran, und ich realisiere: Wie geil, heute hat der Unterricht geklappt. Wieder was Neues gelernt. Vielleicht kriege ich sie ja doch noch. Wie passend ist es da, dass mir heute der Schulleiter über den Weg läuft: "Und, hast du dich inzwischen gut eingelebt?" und dass ich ihm antworten kann, dass ich mich an der Schule richtig wohl fühle, auch wenn die Arbeit "hart" ist.
Leider geil.
post scriptum: Ich stelle wieder fest, dass "Stay" (2005) einer der wenigen Filme ist, die ich immer und immer wieder schauen kann - kurz, konzis, idiosynkratisch, stylish, detailverliebt, extrem gut durchdacht, sehr intelligent und kunstversessen - eben ein richtiger Kunstfilm, ein Arthouse-Movie. Ich realisiere, dass jedes weitere Ansehen ein Genuss ist - aber ich kann auch verstehen, wenn viele Menschen keinen Zugang zu diesem Mindfuck-Movie finden.
Montag, 17. Februar 2020
So muss man erstmal heißen...
Der vierhebige Trochäus mit abschließendem Spondeus im zweiten Vers ist ein Genuss journalistischer Schlagzeilen-Freude sondergleichen:
Britta Knüllig-Dingeldey
kommt für Guise-Rübe
Muss schon einen Grund haben, dass man diesen Artikel in der Google-Bildersuche findet. Wenn einem sonst nix mehr einfällt, muss man halt auf solches clickbait zurückgreifen. Gemeinsamer Nenner zu meiner derzeitigen Situation: Ich muss mich daran machen, die Namen zu lernen, und das ist gar nicht so einfach, wenn man einen hohen Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund hat. Wird alles unter Horizonterweiterungen verbucht. Wenn es schon sonst nichts Interessantes zu schreiben gibt ^^ (oder ich mich dazu gerade einfach nicht aufraffen kann)
Freitag, 14. Februar 2020
St.Peter-Ording all over again
Jetzt habe ich ein paar Schultage an meiner neuen Schule erlebt und das Gefühl wird immer stärker, dass mir das alles bekannt vorkommt. Leistungsniveau, Schülerverhalten, Schulorganisation... das Gefühl, das ich jetzt habe, hatte ich damals zu Beginn in St.Peter-Ording auch. Neue Schüler, die Grenzen austesten wollen mit dem neuen Vertretungslehrer, Schüler mit Förderbedarfen, ich fliege mit einem viel zu hohen Niveau in die Kurse, muss mich erstmal erden. Habe das Gefühl, ich mache alles falsch. So war das damals in SPO.
Und jetzt ist es auch wieder so - könnte das ein gutes Zeichen sein? Denn von damals weiß ich noch, dass es Zeit braucht, bis sich Schule und neuer Kollege aufeinander eingependelt haben, bis der "Typ" DrH an der Schule bekannt ist, bis meine Tagesabläufe automatisiert sind. Ich brauche in meinen Lerngruppen verhältnismäßig lange, bis ich mit ordentlich durchgetaktetem Unterricht loslegen kann. Ich komme da an, das weiß ich, die Erfahrung habe ich in den letzten Jahren gemacht. Aber andere Kollegen können das wesentlich schneller, und auch das ist einer der Gründe, warum ich auf die Idee gekommen bin, dass eine Störung im Autismusspektrum bei mir vorliegen könnte.
Da ist auf der einen Seite der Dr Hilarius, der sich sagt "Wow cool, wenn sich das tatsächlich so entwickeln sollte wie in SPO, dann dürfte das eine tolle Arbeit werden (wenn der Vertrag denn irgendwie verlängert werden kann...)!" - und auf der anderen Seite sagt er sich "Deine ersten Stunden sind so dermaßen holperig, du schaffst fast nichts, machst du deine Arbeit überhaupt richtig? Können die Schüler irgendwas aus deinem Unterricht mitnehmen?"
Die ersten zwei Wochen sind ein Gefühlschaos. Ich finde folgende Allegorie ganz passend: Im Film Interstellar (2013) ist eine Crew in einem Raumschiff unterwegs. Vier Leute, ausgebildet, kompetent, sie wissen, was sie tun, und reisen Richtung Jupiter. Alles so, wie sie es gelernt haben. Bei Jupiter ist allerdings ein Wurmloch erschienen, durch das die vier reisen sollen. Wurmlöcher sind bisher nur wissenschaftliche Theorie, man weiß nichts darüber, das sind alles nur Spekulationen; man kann noch so gut wissen, dass ein Wurmloch kugelförmig sein müsste - wenn diese Kugel vor einem auftaucht, hat man keine Ahnung, was passieren wird, wenn man eintritt. Und genau das tun die Reisenden: Sie überfliegen die Grenze in das Wurmloch hinein.
Die Geräte spielen verrückt, alles wird dunkel, das Weltall erscheint verzerrt. Die Astronauten versuchen, die Kontrolle über das Schiff zu bekommen, sie versuchen, irgendeinen Einfluss nehmen zu können, bis einer feststellt: "Das hier ist unbekannter Raum jenseits unserer Dimensionen. Die Geräte funktionieren hier nicht. Wir können nur beobachten und aufzeichnen." Und so beobachten sie das Spektakel und ziehen ihre Schlüsse daraus, ohne wirklich eingreifen zu können.
In dieser Phase befinde ich mich gerade. Ich stehe vor meinen neuen Lerngruppen, versuche, meinen Unterrichtsplan abzuspulen, aber die Zügel habe ich nicht unter Kontrolle, die Stunden entwickeln sich, und ich kann erstmal nur beobachten und meine Schlüsse ziehen, damit ich mich dann in naher Zukunft individuell mit jeder Lerngruppe auseinandersetzen kann.
Also gilt auch für die nächste Woche: Auf in die Schule - ab in's Wurmloch, Ziel: Ankommen!
post scriptum: Heute war die Meditation Impulsgeber; ich überlege, in einer meiner Lerngruppen das "AYAOTD-Experiment" zu reaktivieren, um ein Interesse an Englisch zu wecken.
Dienstag, 11. Februar 2020
Brainscan
Nehmt es mir bitte nicht übel, wenn ich zur Zeit nicht antworte: Ich habe die Tage im Bett genutzt, um mir die Fragebögen aus der Psychiatrie vorzunehmen. Hunderte Fragen, sortiert in verschiedenen Tests und Screenings, der eine Test geht um die ADHS-Skala, der nächste um den AQ (Autism-Spectrum-Quotient), dann folgt die Marburger Beurteilungsskala zum Asperger-Syndrom und so weiter.
Das liegt hier schon ein paar Tage herum, und aus Spaß habe ich mit der großen Buba einen dieser Tests gemacht - wir beide haben auf die Fragen geantwortet, und haben, wie schon vermutet, in bestimmten Kategorien Übereinstimmungen, und in anderen eben deutliche Unterschiede gefunden, und selbst wenn man noch nicht die Auswertung dieser Fragebögen hat, ist allein schon der Umstand bemerkenswert, dass es bei bestimmten Fragen so drastische Unterschiede gibt.
Gestern hatte ich die Bögen nur überflogen, heute habe ich mich dann intensiv daran gemacht, mit meditativer Musik im Hintergrund und Kopfschmerzen, ach ja, ich sollte ASS nehmen. Das hat dann zwei Stunden gedauert, weil ich bei einigen Fragen hängen geblieben bin, die ich nicht verstanden habe; auf der anderen Seite gab es in den Bögen auch Aussagen, zu denen ich sehr schnell Stellung beziehen konnte. Ich zitiere nur ein paar Beispiele, die mich direkt angesprochen haben:
Freundschaften und Beziehungen sind einfach zu kompliziert, deswegen belaste ich mich lieber nicht damit. - Stimme voll zu.
Ich versuche lieber, meine Probleme allein zu lösen, anstatt sie mit anderen zu besprechen. - Darüber hatte ich einmal in "Hochbegabt und hilflos" geschrieben.
Ich kann nicht immer verstehen, warum sich jemand durch eine Bemerkung verletzt gefühlt haben sollte. - Stimme voll zu, und das kann als Lehrkraft problematisch sein.
Andere Leute sagen mir öfters, dass das, was ich gesagt habe, unhöflich gewesen sei, selbst wenn ich meine, dass es durchaus angebracht war. - Ja, das ist mir in der Schule schon häufiger passiert.
Daten faszinieren mich. - Und wie!
Ich genieße es, mit anderen Leuten zu plaudern. - Nein, tue ich nicht, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll, und ich bin immer froh, wenn der Andere die Konversation am Laufen hält oder einfach Schluss ist. Dazu passt: Ich bemerke öfters, dass ich nicht weiß, wie man ein Gespräch am laufen hält.
Ich neige dazu, von Problemen meiner Freunde emotional betroffen zu sein. - Das muss grausam klingen, aber ich stimme ganz und gar nicht zu, ich meine das gar nicht böse.
Mich faszinieren Zahlen. - Kein weiterer Kommentar.
Ich genieße gesellschaftliche Anlässe. - So ganz und gar nicht. Ich versuche, ihnen aus dem Weg zu gehen, Abiball oder so, denn ich weiß nicht, was ich da machen soll.
Da sind noch haufenweise weitere Fragen, die sich hier und da in den verschiedenen Tests auch mal wiederholen, aber jede dieser Fragen ist ein sehr interessanter Denkimpuls. Ich beginne, mein alltägliches Verhalten noch weiter zu hinterfragen - gleichzeitig ist es aber auch ein schönes Gefühl, diese Verhaltensmuster, die ich an mir als "nervig" empfinde, einmal niedergeschrieben zu sehen. Das gibt mir das Gefühl, dass es dafür einen Grund gibt, und das beruhigt mich. Das ist die Antwort auf "Warum wollen sie eine Diagnose haben?"
Montag, 10. Februar 2020
Sturmtief
Lieber so als dieses Regengrau... |
Sabine ist über uns hinweg gefegt und hat hier in Kiel noch ein paar knallige Gewitter nach sich gezogen, ich bin mal gespannt auf die Lage im Land nachher. Ich habe davon nicht allzu viel mitbekommen, denn ich liege flach, literally. Im Bett, mit Kopf und Nase und Rücken und irgendwie schmeckt überhaupt nichts, also lasse ich das Essen komplett sein, und egal wo und wie, man schwitzt sich komplett voll, und was mich am meisten nervt, ist dieses "Keine Lust auf irgendwas haben", wenn man krank ist. Die Zeit soll einfach nur irgendwie rumgehen, und ich versuche mich mit Hörspielen abzulenken, das klappt aber nur nachts, ich muss mal schauen, was ich noch so finde.
Normalerweise brauche ich Neues, um sinnvoll abgelenkt zu werden, ansonsten ist das für meinen Kopf nur Zeitverschwendung, und wenn es etwas Blöderes als "krank" gibt, dann ist es sicherlich "krank und unterfordert". Ich brauche eine Aspirin. Nein, zwei. Ist immer interessant, wie manche Menschen ganz hohen Respekt vor diesen Medikamenten haben, aber wenn man ein höheres Körpergewicht hat, egal ob durch Größe, Muskelmasse oder Fett, dann muss man eben die Medikamentendosis anpassen.
Naja, Neues gab es dann heute durch einen Zufall nicht. Als ich aus Versehen statt des Lesezeichens für Iserv auf 100 Best Films of the 21st Century der BBC geklickt habe, bin ich erwartungsgemäß hängengeblieben; weit oben in der Liste ist Moonlight (2016), über den ich einmal ansatzweise geschrieben hatte, und mir ist bewusst geworden, dass ich ihn, obwohl ich ihn absolut brillant und bemerkenswert finde, bisher nur ein Mal gesehen habe. Also gab es diesen Film, einen der besten aus dem Bereich LGBTQ, heute noch einmal und er hat mich wieder umgeworfen. Mitgenommen. Whatever. Aber jetzt löst sich mein Kopf aus der Atmosphäre des Films und wird wieder schwer, mal schauen, ob das Essen heute Abend besser schmeckt und ob die Dusche sich gut anfühlt.
Ich hoffe, Ihr seid gut in die Woche gestartet und habt die Sturmfront gut überstanden!
Freitag, 7. Februar 2020
Vor Schülern stehen
Eigentlich sind sie alle irgendwie süß.
Aber warum gibt es an jeder Schule mindestens eine Klasse, die einen begrüßt mit "Ja, wir sind die Horrorklasse der Schule, da dürfen sie nicht allzu viel erwarten"? Es geht mir gar nicht um den Sachverhalt - wir alle kennen Klassen, die wirklich große Herausforderungen darstellen, laut, kriminell, Mobbing, gewaltbereit, you name it. Es geht mir darum, dass solch' einer Klasse der Eindruck vermittelt wird, sie seien der Horror. Das finde ich schade, denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass einige Schüler dadurch das Vertrauen in das eigene Potential vollkommen verlieren und släsch oder sich in der Rolle als "Klassenaufreiber" noch bestärkt fühlen.
Denn eigentlich sind sie alle irgendwie süß, und ich finde, man merkt das dann immer wieder in Gesprächen unter vier Augen - für die wir Lehrkräfte im derzeitigen Bildungssystem eigentlich überhaupt keine Zeit mehr haben, denn wir sollen ja nicht mit der Stoffprogression hinterherhängen. Wenn mich jemand fragt, wie ich diese Woche mit meinem Stoff vorangekommen bin:
Und trotzdem. Dann sitzen da in der Klasse Schüler, erleben mich zum ersten Mal als Lehrer, stecken die Köpfe zusammen, tuscheln, einer läuft knallrot an, der andere sagt zu ihm deutlich hörbar "Frag ihn doch einfach!" - und keine Sorge, das fällt nicht unter die Verschwiegenheit, denn das kam bisher an jeder Schule innerhalb der ersten drei Wochen.
DrH: "Frag' doch einfach, das ist vollkommen in Ordnung!"
S: "Nee, ich mag nicht, ist schon gut" kicher rotwerd
DrH: "Dann nimm diesen Zettel und den Stift, und schreib' die Frage auf, dann ist es nicht so peinlich."
S: "Neeeee, das kann ich doch nicht machen..." schreibt WARUM auf "Ich möchte sie damit nicht beleidigen, und ich will nicht, dass sie dann böse sind, und ich will auch nicht respektlos sein..."
Shit. Ich bin gerade zu streng und laut geworden und jetzt sind erstmal alle Sicherheitsbarrieren hochgefahren, mein Fehler. Okay...
DrH: "Ehrenwort, du kannst alles fragen, das ist vollkommen okay, es gibt keine schlimmen Fragen und auch keine Minuspunkte dafür" lächelsofreundlichwienurmöglich
S schreibt die Frage auf, faltet den Zettel dreimal zusammen, schiebt ihn auf mein Pult, rennt sofort drei Reihen nach hinten und hält die Hände vor's Gesicht, Sitznachbarin rutscht näher heran, denn sie will das auch wissen. Und zwölf weitere Schüler auch, und so falte ich den Zettel auseinander...
"WARUM tragen sie nagellac?"
...und ich muss schmunzeln, und dann erkläre ich ihnen das ganz in Ruhe und der Stress von vorher ist schon wieder weg, und vielleicht kriege ich sie dann ja doch noch, und ich mache ihnen klar, dass die Frage immer wieder kommt und das vollkommen klar geht, und dann fragen sie mich, ob ich ein E-Boy bin, und ich bin für den Begriff zu alt, bis ich merke, dass sie einfach "Emo" meinen, und erkläre ihnen, dass ich das zwar nicht bin, aber sage ihnen noch kurz was zur Schwarzen Szene, und einer fragt mich, ob ich The Prodigy höre, und ich erkläre, dass ich mit Songs wie "Firestarter" und "Smack My Bitch Up" aufgewachsen bin.
Es wird sicherlich etwas Zeit brauchen, aber ich habe das Gefühl, endlich wieder angekommen zu sein, wenn ich vor einer Klasse stehe, und ich nutze die ersten Stunden, um erstmal die vibes eines Kurses wahrzunehmen und mich darauf einzupendeln. Und dann geht es rund!
post scriptum: Interessant, ich habe Post von der Psychiatrie bekommen - Hausaufgaben! Diverse Testbögen, die ich zum nächsten Termin ausgefüllt mitbringen soll, und ich freu' mich irrerweise auch noch darauf, diese hunderte Fragen zu beantworten. ;-)
Dienstag, 4. Februar 2020
Wie war das nochmal mit der Vielfalt?
Erste Einblicke |
Okay, die Mail/Blog-Schockstarre vor dem ersten Tag an der Schule löst sich langsam auf - verursacht durch irgendwie zuviel Papierkram, ich muss morgen nochmal im DLZP anrufen, ich soll nochmal alle Informationen angeben, die sie schon seit Jahren haben? Und heute dann Schulentwicklungstag, das erste Mal, dass ich das Kollegium sehe, und der Tag war gar nicht uninteressant, weil es um die Reform der OAPVO geht - das Monster, das uns diktiert, wie wir die Stundentafeln in der Oberstufe und das Abitur zu gestalten haben. Drollig: Es soll wieder in Richtung Grund- und Leistungskurse in den Hauptfächern gehen, und ich muss zugeben, ich habe zwar verstanden, worum es geht und was die Probleme sind, aber in meinem jetzigen "Zustand" bin ich nicht in der Lage, irgendwas davon wiederzugeben. Ich nehme aber auf jeden Fall ein besseres Orientierungsvermögen an meiner Schule mit, wenn auch nur im Dezimalbereich.
Das Thema heute ist gewissermaßen Vielfalt, die an meiner Schule gelebt wird - leider habe ich das perfekte Bild dazu gerade nicht zur Hand: Auf die Abitreppen hat ein Jahrgang "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" geschrieben, Frankreich, wir erinnern uns, aber sie haben das Wort "Gleichheit" durchgestrichen und in rot "Vielfalt" darübergeschrieben. Wenn sowas von Schülern kommt, dann ist das schon irgendwie toll.
Das wollte ich eigentlich heute noch gar nicht posten, sondern erst dann, wenn ich ein vernünftiges Foto von der Treppe habe - aber ich habe mir heute den Indie-Film Freaks (2019) angeschaut - nicht zu verwechseln mit dem Film aus den Dreißigern. Ein Science Fiction-Thriller, der aber den Fokus mehr auf das Familiendrama legt, so wie es vor ein paar Jahren auch schon Midnight Special (2016) gemacht hat. Aus einem niedrigen Budget wurde ein Maximum herausgeholt, und die Hauptfigur ist ein sechsjähriges Mädchen, das den Unterschied zwischen "normal" und "anders" auf eine sehr spezielle Art entdeckt.
Ich fand den Film so gut, die Art, wie er die nötigen Informationen verschachtelt und erst nach und nach hereinreicht, bis man versteht, was abgeht - ich mag es ja, wenn ein Film intelligent ist - mit einer ordentlichen Ladung Sozialkritik, denn in diesem Film müssen Menschen, die anders sind - Freaks eben - ausgemerzt werden. Kombiniert mit der Geschichte des Mädchens, das von seinem Vater allein aufgezogen wird, in einer ähnlich hermetisch abgeriegelten Welt wie im sensationellen Room (2015), hat sich der Film gerade tief in mein Bewusstsein gebrannt. Deswegen also heute.
Der Film stellt die ganz klassische Frage: Darf Anderssein erlaubt sein? Ich verrate bewusst nicht des Films Antwort darauf, ich kann ihn nur empfehlen. Ich werde ihn mir jedenfalls zulegen, wenn die Finanzen wieder besser aussehen, und ich nehme ihn in potentielles Schulmaterial auf. Schönster Satz: "Dad! I can't help mom when she's frozen!" - "Just a sec, dear!"
Und nun muss ich mich um viele unbearbeitete Nachrichten kümmern...
Abonnieren
Posts (Atom)