Dienstag, 11. Februar 2020

Brainscan


Nehmt es mir bitte nicht übel, wenn ich zur Zeit nicht antworte: Ich habe die Tage im Bett genutzt, um mir die Fragebögen aus der Psychiatrie vorzunehmen. Hunderte Fragen, sortiert in verschiedenen Tests und Screenings, der eine Test geht um die ADHS-Skala, der nächste um den AQ (Autism-Spectrum-Quotient), dann folgt die Marburger Beurteilungsskala zum Asperger-Syndrom und so weiter.

Das liegt hier schon ein paar Tage herum, und aus Spaß habe ich mit der großen Buba einen dieser Tests gemacht - wir beide haben auf die Fragen geantwortet, und haben, wie schon vermutet, in bestimmten Kategorien Übereinstimmungen, und in anderen eben deutliche Unterschiede gefunden, und selbst wenn man noch nicht die Auswertung dieser Fragebögen hat, ist allein schon der Umstand bemerkenswert, dass es bei bestimmten Fragen so drastische Unterschiede gibt.

Gestern hatte ich die Bögen nur überflogen, heute habe ich mich dann intensiv daran gemacht, mit meditativer Musik im Hintergrund und Kopfschmerzen, ach ja, ich sollte ASS nehmen. Das hat dann zwei Stunden gedauert, weil ich bei einigen Fragen hängen geblieben bin, die ich nicht verstanden habe; auf der anderen Seite gab es in den Bögen auch Aussagen, zu denen ich sehr schnell Stellung beziehen konnte. Ich zitiere nur ein paar Beispiele, die mich direkt angesprochen haben:

Freundschaften und Beziehungen sind einfach zu kompliziert, deswegen belaste ich mich lieber nicht damit. - Stimme voll zu.

Ich versuche lieber, meine Probleme allein zu lösen, anstatt sie mit anderen zu besprechen. - Darüber hatte ich einmal in "Hochbegabt und hilflos" geschrieben.

Ich kann nicht immer verstehen, warum sich jemand durch eine Bemerkung verletzt gefühlt haben sollte. - Stimme voll zu, und das kann als Lehrkraft problematisch sein.

Andere Leute sagen mir öfters, dass das, was ich gesagt habe, unhöflich gewesen sei, selbst wenn ich meine, dass es durchaus angebracht war. - Ja, das ist mir in der Schule schon häufiger passiert.

Daten faszinieren mich. - Und wie!

Ich genieße es, mit anderen Leuten zu plaudern. - Nein, tue ich nicht, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll, und ich bin immer froh, wenn der Andere die Konversation am Laufen hält oder einfach Schluss ist. Dazu passt: Ich bemerke öfters, dass ich nicht weiß, wie man ein Gespräch am laufen hält.

Ich neige dazu, von Problemen meiner Freunde emotional betroffen zu sein. - Das muss grausam klingen, aber ich stimme ganz und gar nicht zu, ich meine das gar nicht böse.

Mich faszinieren Zahlen. - Kein weiterer Kommentar.

Ich genieße gesellschaftliche Anlässe. - So ganz und gar nicht. Ich versuche, ihnen aus dem Weg zu gehen, Abiball oder so, denn ich weiß nicht, was ich da machen soll.

Da sind noch haufenweise weitere Fragen, die sich hier und da in den verschiedenen Tests auch mal wiederholen, aber jede dieser Fragen ist ein sehr interessanter Denkimpuls. Ich beginne, mein alltägliches Verhalten noch weiter zu hinterfragen - gleichzeitig ist es aber auch ein schönes Gefühl, diese Verhaltensmuster, die ich an mir als "nervig" empfinde, einmal niedergeschrieben zu sehen. Das gibt mir das Gefühl, dass es dafür einen Grund gibt, und das beruhigt mich. Das ist die Antwort auf "Warum wollen sie eine Diagnose haben?"

3 Kommentare:

  1. Sebastian springt von der dritten Treppenstufe ab. Peter, sein jüngerer Bruder, möchte das nicht. Peter sprang damals auch immer von der dritten Treppenstufe ab, aber er kam eines Tages falsch auf und prellte sich das Sprunggelenk. Sebastian bezeichnet ihn deshalb als Weichei. Aber ist er das? Sein großer Cousin sieht das mitnichten. Denn er findet es mutig, dass sich Peter nicht dazu zwingt wie sein älterer Bruder zu verhalten.

    Autismus-ist Dr.Hilarius ein Autist, weil er sich von Zahlen faszinieren lässt? Nicht so wie Hans, der sich nicht für Statistiken interessiert?

    Oder ist Dr.Hilarius ein Autist, weil er kein scheinheiliges Verhalten an den Tag legt, sondern seine Meinung verkündet? In meinen Augen nicht. Denn er will nur gutes mit seinen Anmerkungen bewirken.

    Oder ist Dr.Hilarius ein Autist, weil er die Probleme seiner Freunde objektiv betrachtet? Das ist hilarious. Denn er betrachtet die Probleme nur objektiv, weil es in seinen Augen der schnellste und effektivste Weg ist, dieses Problem aus dem Weg zu schaffen. Dies hat er schon in früheren Blog-Einträgen deutlich gemacht.

    Er hasst es mit Leuten zu reden, hauptsächlich mit fremden, weil er keine Gesprächsthemen auf dem Lager hat. Und dadurch entsteht ein unangenehmes Schweigen. Dies hat auch Gründe. Mobbing, Anfeindungen, was auch immer. Jeder ist am Anfang vorsichtig. Einzelne Menschen machen sich keine Gedanken darüber, wie sie auf andere wirken und erzählen einfach irgendwas. Wenn Doctor Hilarius diese Menschen betrachtet, denkt er sich "Wieso kann ich nicht so wie die sein?" und denkt, dass er nicht normal ist. Obwohl es, wie eben schon geschrieben, normal ist. Würde sich Doctor Hilarius in solchen Situationen dazu zwingen die Person zu sein, die ein Gesprächsthema am laufen hält (obwohl er das abgrundtief hasst), würde er schnell die Gedanken wie "Was denkt der andere gerade über mich?" verlieren und sich auf das reine Gespräch, auf die Wörter, Buchstaben, die Stimmenlage etc. konzentrieren.
    Er überlegt zwar immernoch während des Gesprächs, nicht so wie die Nichtdenker, die frei nach Schnauze reden können. Aber er beschäftigt sich nicht mehr mit den negativen Gedanken und macht sein eigenes Ding.


    Bitte denke über folgendes nach:
    Willst du nur mit Autismus diagnostiziert werden, damit du eine Erklärung hast, warum du nicht so wie Person XY in Situation XY gehandelt hast?


    Denn ich finde es mutig, dass Doctor Hilarius seinen Weg geht, trotz Herausforderungen und Entmutigungen.

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    1. Vielen Dank für diese Gedanken! Ich glaube, es geht mir tatsächlich darum, dass ich diese Erklärung dafür haben will, warum ich gerade in bestimmten Situationen scheinbar irrational handele. Um anderen Menschen zu antworten, die mich dann vollkommen zu Recht fragen: "Wie kann das sein?" Und damit ich vielleicht etwas mehr für den Umgang mit Autisten/Aspis in meinem Unterricht sensibilisiert bin. Das hat zwar auch bisher einigermaßen geklappt, aber ich möchte verhindern, dass andere Schüler in ihrer Kindheit keine Diagnostik erhalten und sich dann wie ich jahre- und jahrzehntelang mit der Frage herumschlagen müssen, was sie falsch machen. Ich denke, dass es - wie auch bei der Hochbegabung - sehr hilfreich sein kann, wenn man rechtzeitig erfährt, dass man etwas anders tickt als der Rest, und warum das so ist, damit man sich selbst keine Vorwürfe mehr macht. Jetzt, im Erwachsenenalter, mag ich für die herausfordernden Situationen mehr Rückgrat haben, aber das war nicht immer so. Selbst mit Mitte Zwanzig war das noch ziemlich problematisch, und ich würde mich freuen, wenn ich Schülern dabei helfen könnte, diesen Lebensweg zu vermeiden - und dazu brauche ich mehr Verständnis für mich selbst und dann mehr Hintergrundwissen! ;-)

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    2. Vielen Dank für die Antwort! :)
      Dann bin ich gespannt, wie es in diesem Thema weitergeht. Ich werde den Blog weiterhin gespannt mitverfolgen ;)

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