Freitag, 14. Februar 2020

St.Peter-Ording all over again


Jetzt habe ich ein paar Schultage an meiner neuen Schule erlebt und das Gefühl wird immer stärker, dass mir das alles bekannt vorkommt. Leistungsniveau, Schülerverhalten, Schulorganisation... das Gefühl, das ich jetzt habe, hatte ich damals zu Beginn in St.Peter-Ording auch. Neue Schüler, die Grenzen austesten wollen mit dem neuen Vertretungslehrer, Schüler mit Förderbedarfen, ich fliege mit einem viel zu hohen Niveau in die Kurse, muss mich erstmal erden. Habe das Gefühl, ich mache alles falsch. So war das damals in SPO.

Und jetzt ist es auch wieder so - könnte das ein gutes Zeichen sein? Denn von damals weiß ich noch, dass es Zeit braucht, bis sich Schule und neuer Kollege aufeinander eingependelt haben, bis der "Typ" DrH an der Schule bekannt ist, bis meine Tagesabläufe automatisiert sind. Ich brauche in meinen Lerngruppen verhältnismäßig lange, bis ich mit ordentlich durchgetaktetem Unterricht loslegen kann. Ich komme da an, das weiß ich, die Erfahrung habe ich in den letzten Jahren gemacht. Aber andere Kollegen können das wesentlich schneller, und auch das ist einer der Gründe, warum ich auf die Idee gekommen bin, dass eine Störung im Autismusspektrum bei mir vorliegen könnte.

Da ist auf der einen Seite der Dr Hilarius, der sich sagt "Wow cool, wenn sich das tatsächlich so entwickeln sollte wie in SPO, dann dürfte das eine tolle Arbeit werden (wenn der Vertrag denn irgendwie verlängert werden kann...)!" - und auf der anderen Seite sagt er sich "Deine ersten Stunden sind so dermaßen holperig, du schaffst fast nichts, machst du deine Arbeit überhaupt richtig? Können die Schüler irgendwas aus deinem Unterricht mitnehmen?"

Die ersten zwei Wochen sind ein Gefühlschaos. Ich finde folgende Allegorie ganz passend: Im Film Interstellar (2013) ist eine Crew in einem Raumschiff unterwegs. Vier Leute, ausgebildet, kompetent, sie wissen, was sie tun, und reisen Richtung Jupiter. Alles so, wie sie es gelernt haben. Bei Jupiter ist allerdings ein Wurmloch erschienen, durch das die vier reisen sollen. Wurmlöcher sind bisher nur wissenschaftliche Theorie, man weiß nichts darüber, das sind alles nur Spekulationen; man kann noch so gut wissen, dass ein Wurmloch kugelförmig sein müsste - wenn diese Kugel vor einem auftaucht, hat man keine Ahnung, was passieren wird, wenn man eintritt. Und genau das tun die Reisenden: Sie überfliegen die Grenze in das Wurmloch hinein.

Die Geräte spielen verrückt, alles wird dunkel, das Weltall erscheint verzerrt. Die Astronauten versuchen, die Kontrolle über das Schiff zu bekommen, sie versuchen, irgendeinen Einfluss nehmen zu können, bis einer feststellt: "Das hier ist unbekannter Raum jenseits unserer Dimensionen. Die Geräte funktionieren hier nicht. Wir können nur beobachten und aufzeichnen." Und so beobachten sie das Spektakel und ziehen ihre Schlüsse daraus, ohne wirklich eingreifen zu können.

In dieser Phase befinde ich mich gerade. Ich stehe vor meinen neuen Lerngruppen, versuche, meinen Unterrichtsplan abzuspulen, aber die Zügel habe ich nicht unter Kontrolle, die Stunden entwickeln sich, und ich kann erstmal nur beobachten und meine Schlüsse ziehen, damit ich mich dann in naher Zukunft individuell mit jeder Lerngruppe auseinandersetzen kann.

Also gilt auch für die nächste Woche: Auf in die Schule - ab in's Wurmloch, Ziel: Ankommen!

post scriptum: Heute war die Meditation Impulsgeber; ich überlege, in einer meiner Lerngruppen das "AYAOTD-Experiment" zu reaktivieren, um ein Interesse an Englisch zu wecken.

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