Donnerstag, 25. Oktober 2018

Asozial

"Bin ich etwa asozial?"

"Dr Hilarius, stimmt das, dass du deine Schüler im Unterricht asozial genannt hast??"

Ja, stimmt. Habe ich getan. Würde, und werde ich wieder tun, wenn es nötig ist. Wenn die Schüler mir signalisieren, dass in ihrem Kopf immer nur die Anderen asozial sind. Der gestrige Beitrag über das Ehrlichsein hat eine Anekdote in meinem Kopf herausgeklopft - an einer meiner früheren Schulen.

Eine Klasse, wie man sie sich vorstellt, Gemeinschaftsschule. Laut, lustig, menschlich - und asozial. In dieser Klasse ist ein Schüler auf den Rollstuhl angewiesen; glaubst Du, irgendjemand hätte ihm geholfen, als es in den Hochseilpark ging? Oder die Schülerin, die eine Arbeit nachschreiben soll; glaubst du, auch nur ein Mitschüler hätte ihr geholfen und den Tisch nach draußen getragen (ich hatte extra darum gebeten)? Und dabei hatte ich starke Jungs in der Lerngruppe. Bereitschaft zu helfen - nicht vorhanden. Und wenn die Schüler etwas scheiße finden, nennen sie es "schwul". Und wenn sie einen Menschen scheiße finden, nennen sie ihn "behindert".

Und als ich sie auf ihre Verhaltensweisen hinweise - ihnen diese ganzen Situationen vor Augen führe - und ihnen dann entgegenwerfe, dass sie sich asozial verhalten, fällt ihnen alles aus dem Gesicht. "Haben sie uns gerade als asozial bezeichnet? Das können sie doch nicht machen!"

Doch, sage ich dann, kann ich. Und dann erkläre ich ihnen in aller Ruhe, was das Wort a-sozial bedeutet, und weise sie darauf hin, dass jeder von uns in sich das Potential trägt, sich asozial zu verhalten. Und ein paar von ihnen nutzen das Potential.

Ich habe wegen dieser "Methode" schon häufiger Beschwerden bekommen, meistens ging das direkt an die Schulleitung. Dennoch bleibe ich dabei, denn die Schüler scheinen wirklich keine Ahnung von der Bedeutung des Wortes zu haben. Ich sage das nicht in der Orientierungsstufe - die Kinder könnten davon richtig getroffen werden und die Sache nicht verstehen. Aber ab Klasse Acht müssen sich diejenigen, die sich mies gegenüber Mitschüler verhalten, sich das auch einmal sagen lassen.

Von wegen "asozial sind immer nur die Anderen".

1 Kommentar:

  1. Guten Tag, ich bin entsetzt wie abwertend sie über ihre Schüler und Schülerinnen sprechen und wundere mich keinesfalls über das von ihnen bezeichnete asoziale Verhalten. Die Schüler lernen wie schon immer am Modell. Dieses sollte ihnen zum Nachdenken reichen. Es ist egal ob ein Mensch z. B. behindert,männlich, weiblich, heterosexuell oder schwul ist, solange er wertgeschätzt wird, hat er das Recht wertgeschätzt zu werden.. Erst dann kann er genügend Selbstwertgefühl entwickeln um sich nichtmehr profilieren zu müssen. Dieses profilieren wird häufig als provokativ empfunden. Offensichtlich ist es Ihnen in Ihrem Leben leider auch häufig so ergangen. Bitte geben Sie unseren Schülern die Chance sich als etwas Besonderes zu empfinden und nicht abwertend behandelt zu werden. Egal ob behindert, männlich, weiblich, heterosexuell oder schwul!
    Ich denke so haben Sie die besten Chancen ein gutes Schüler Lehrer Verhältnis aufzubauen.
    Ich hoffe sie nehmen meine Zeilen als gutgemeinten Rat auf und nicht als böse gemeinten Affront gegen sie!

    AntwortenLöschen