Donnerstag, 1. Juni 2017

Random Steuererklärung

ElsterFormular ist ein Programm, mit dem sogar ein vor Bürokratie in die Knie gehender Hochbegabter seine Steuererklärung ganz einfach selbst machen kann. Naja, fast einfach...

Ich sitze bis zum Hals in unerledigten Arbeiten, weil mich die Unsicherheit lähmt. Heute habe ich es geschafft, diese Fesseln zu sprengen, und habe einen Arbeitsschwung gehabt. Das war ein spannendes Gefühl: Endlich mal Motivation, etwas zu tun, die bevorstehenden Aufgaben anzugehen, nur wo fange ich an? Der Hochbegabte zögert. Stundenlang. Während jeder andere Mensch schon alles abgearbeitet hat, tüftelt der Hochbegabte noch den genauen Ablauf der Aufgaben durch. Aber diesmal nicht, und ich habe losgelegt.

Von allen Möglichkeiten, seine Lebenszeit zu verbringen, ist das Anfertigen der eigenen Steuererklärung wohl eine der einträglichsten. Liebgewonnene Beschäftigung vieler Lehrkräfte in den Osterferien, stellt sie weit mehr als nur eine Abrechnung mit Vater Staat dar. Sie führt einem das vergangene Jahr noch einmal sehr deutlich vor Augen. Meine diesjährige Steuererklärung spricht Bände und das Anfertigen macht mich nachdenklich.

Das beginnt mit dem Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für 2016, den jeder im vergangenen Jahr Berufstätige schon einmal gesehen haben wird. Das ist normalerweise ein graues Papier, auf dem sich das Kieler Finanzverwaltungsamt dessen rühmt, was es mir an Steuern abknöpfen konnte. Diesmal ist es nicht ein Papier, sondern derer drei, eines für jede Dienststelle, derer ich zugehörig war. Einen Monat St.Peter-Ording, zwei Monate Eckernförde, sechs Monate Neumünster. Und irgendwo dazwischen eine mehrmonatige Lücke in meinem Lebenslauf.

Die erste Abrechnung, SPO, bezieht sich nur auf den Januar, doch kann ich hier die meisten Ausgaben von der Steuer absetzen, denn ich habe in SPO gearbeitet, mehrere Tage in der Woche, aber in Kiel gelebt, und ich bin viel gefahren. Ich werde diese nächtlichen Touren Richtung Westküste nicht vergessen, auch nicht diese nachmittäglichen Rückfahrten, die ich allesamt gern gemacht habe, weil es eine tolle Arbeit war. Auf diese Phase blicke ich gern zurück und ein Lächeln ziert mein Gesicht, während ich die Zahlen per Tastatur in die richtigen Zeilen kloppe.

Ich habe lange an der Idee festgehalten, ich könnte so leben: Drei Tage unterrichte ich mit höchstmöglicher Stundenzahl, habe irgendeine Schlafgelegenheit vor Ort, ich arbeite komplett durch, und dann geht es in die freie Phase, vier Tage Entspannung und Privatleben. Ein Leben mit Gegensätzen, darauf bin ich eingestellt. Aber ich denke, damit wäre ich nicht glücklich geworden, weil es nichts Halbes und nichts Ganzes ist, zwei verschiedene Leben, die ich im Wechsel erlebe. Ich brauche eine Sicherheit.

Die zweite Abrechnung, ECK, beginnt erst am 18.04. - bis dahin habe ich die - für mich - Hölle auf Erden kennen gelernt, Arbeitslosigkeit. Ignorieren. Und zwei Monate ECK angeben, ich tippe schnell und unkonzentriert, denn daran möchte ich nicht zurückdenken. Ich möchte nicht an eine Schule zurückdenken, die ihre Probleme unter den Tisch kehrt, ich möchte nicht an einen Lehrer zurückdenken, dem sein Kurs vollkommen egal ist, ich möchte nicht an einen Schüler zurückdenken, dessen "geistige Konfiguration" weit über sechs Jahre unerkannt geblieben ist, ich möchte nicht an einen Schulleiter zurückdenken, der mich wider besseren Gewissens eingestellt hat, ich möchte nicht an die gewaltige Diskrepanz jener Schule zwischen Außenwirkung und Realität in den eigenen vier Wänden zurückdenken. Ich habe keine Steuern bezahlt, sondern das Geld zusätzlich zu meinem Arbeitslosengeld verdient. Hätte ich mal besser nicht gemacht.

Die dritte Abrechnung, ich wünschte, sie symbolisierte meine Zukunft. Ich trage einige Monate Arbeit in Neumünster ein, und während die Zahlen im Elster-Formular an ihren Platz fallen, wird mir wieder die Jobsituation bewusst. Ich habe meine Bewerbungen im pbOn noch nicht aktualisiert. Ich habe keine anderen Schulen kontaktiert. Ich möchte nicht schon wieder alles neu starten müssen, es muss einen Weg geben, in Brachenfeld zu bleiben.

Meine Friseurin drei Etagen tiefer hat mir heute nochmal die Gemeinschaftsschule Hassee und die Klaus-Groth-Schule empfohlen; letztere hat ernsthafte Probleme: Kaum männliche Lehrkräfte bei einer Schülerschaft, die männliche Bezugspersonen dringend braucht - Stichwort Brennpunkt. Eigentlich müsste ich davon angezogen werden wie Fliegen von einem riesigen Haufen Scheiße. Sorry, aber diese Metapher kam direkt vom Gehirn auf die Tastatur, ich kann gegen dieses Ding in meinem Kopf nichts machen. Was tatsächlich dagegen spricht, ist die Schulform - nämlich mit Grundschule. Ich bleibe dabei, dass ich erst ab Klasse 7 aufwärts richtig gut funktioniere (auch wenn die 5a und die 6d das vielleicht anders sehen).

Aber, ganz ehrlich, ich möchte mich einfach nicht mit dem Gedanken auseinandersetzen, eine neue Schule suchen zu müssen. Bei mir bricht gerade eine Welt zusammen und es ist immer so zeitaufwändig, das alles wieder aufzubauen.

Bleibt die Hoffnung, dass die nächste Steuererklärung wieder unkompliziert wird.

post scriptum: Herr Leinhos wird jetzt etwas verwundert sein, weil ich "Poetisches" angekündigt habe. Wie das nun mal ist mit diesen Hochbegabten und ihren Stimmungsschwankungen - das Poetische ist zu 2/3 fertig und wird irgendwann hier erscheinen, aber ich bin über den Stimmungsumschwung zur Steuererklärung ganz froh, das wertet den Tag auf.

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