Sonntag, 25. Juni 2017

Das Schwimmbad

Wenn aus Flächenberechnung ein ganzes Abenteuer wird...

Siebte Klasse, Mathe bei Herrn Kries. Flächenberechnung. Und Herr Kries erklärt es nochmal für alle, das hatten wir doch schon, können wir nicht endlich weitermachen? Aber nein, er versucht es nochmal auf eine andere Art und Weise zu beschreiben. Ich blicke auf meine Zeichnung von einem Quader minus kleinerer Quader und lasse die Gedanken schweifen. Das sieht aus wie der Grundriss von einem Haus, oder so. Ich zeichne mal Fenster und Türen ein, dann ist das Bild nicht mehr so langweilig, kann ja noch eine Weile dauern, bis wir in Mathe weitermachen. Und wenn schon Fenster und Türen drin sind, dann kann ich meiner Flächenberechnung auch gleich noch Möbel hinzufügen, und Menschen. Und einen weiteren Raum, und hier noch zwei. Und einen Schatz da hin und eine Bombe dorthin. Und natürlich ist die Tür zum Schatz verschlossen, warte mal, das zeichne ich hier ein, ich nenne den Schlüssel "A", damit ich nicht durcheinander komme, denn ich möchte noch mehr Schlösser einbauen...

Und während Herr Kries mittlerweile tatsächlich unterrichtlich weiterging, hatte ich mich bereits vollkommen in meine Zeichnung vertieft. Von den Anderen hatte ich nichts mehr mitbekommen, mein Gehirn lief auf Hochtouren, und ich fing tatsächlich an, dem ganzen Grundriss einen Plot hinzuzufügen. Das ist keine ungewöhnliche Situation gewesen, sowas kam öfters vor. Und jeder Kollege, der schon einmal hochbegabte Autisten unterrichtet hat, dürfte dieses Verhalten so oder so ähnlich kennen.

Ich habe also in den darauffolgenden Mathestunden meinen Grundriss immer weiter verfeinert, ich habe ein Schwimmbad entworfen mit einem Löwengehege in der Eingangshalle, einem blutigen, zerfetzten Kleid, das im Gitter hing, eine Midnight Lounge, in der sich ein zerstrittenes Ehepaar, ein Polizist und ein Transvestit aufhielten. Versorgungsgänge, Kellergewölbe, ein geheimer Fahrstuhl, ein Park hinter dem Schwimmbad...

Und so hatte ich ein paar Wochen später ein komplettes Rollenspiel entworfen, inklusive eines Soundtracks, der je nach Raum im Hintergrund laufen sollte - aber ob das auch etwas taugte? Es sollte sich herausstellen, dass meine Mitschüler, Bandmitglieder und Freunde Spaß daran hatten, das Geheimnis des Schwimmbades zu enthüllen; ich habe das Schwimmbad in den darauffolgenden Monaten und Jahren immer wieder mit neuen Bekannten gespielt.

Und weil ich das so cool fand, biete ich das in diesem Juli in unserer Schulprojektwoche an - Rollenspiele selbstgemacht - ich werde das originale Schwimmbad mit meiner Gruppe erst spielen und die Schüler dann anleiten, eigene Rollenspiele zu entwerfen. Und ich bin richtig gespannt, wie das wird!

Das Spiel hat damals tatsächlich eine epische Fortsetzung erhalten (jaja, wenn der Hochbegabte sich erstmal für etwas begeistert...) und aus dem dritten Teil ist mein erster "Roman" geworden. Das hat echt Spaß gemacht - kreative Zeiten...

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