Sonntag, 11. Juni 2017

Männer, Muskeln & mutual fun

Nicht ganz so einfach vorstellbar, dass es sich hier um zwei heterosexuelle Männer handeln könnte - oder?

Sticky topic. Aber das macht es spannend, und vielleicht erfährt der eine oder andere Leser hier etwas, das er vorher noch nicht wusste, gell, Buba? V-HORHER NIEHCHT! Und bei diesem Thema gehen die Geschmäcker so herrlich weit auseinander - und aus schwarz-weiß vorher kann ein Kontinuum danach werden.

Dass ich mich in diesem Beitrag auf Männer konzentriere, soll nicht heißen, dass Frauen diese gedanklichen Spielarten nicht kennten, im Gegenteil. Aber bei Männern ist es ganz witzig, was sie manchmal für ein Aufhebens darum machen, während Frauen mir aufgeschlossener erscheinen.

Der Titel deutet an, dass es etwas mit Körperkult zu tun hat. Und dass Muskeln mit Männlichkeit in Verbindung gebracht werden, ist nichts Neues - nur die Art und Weise, damit umzugehen, wandelt sich über die Jahrhunderte hin und her. Nun zeigen manche Männer mehr oder weniger stark ausgeprägte selbstverliebte Neigungen - während die einen im Studio vor den großen Spiegeln ihre Muskeln betrachten, um auf Form, Masse und Defi zu achten, sowie auf Proportionen - gerade wenn es um Wettkämpfe geht - schauen die anderen sich einen Moment länger an, und ein klein wenig anders, intensiver, diese eine Sekunde zu lang, denn sie genießen es, sich ihre Erfolge anzuschauen.

Manche Männer machen das mehr, manche weniger auffällig. Diese Neigung hat im Übrigen mit sexueller Orientierung rein gar nichts zu tun, aber dazu später mehr. Es gibt ja die unterschiedlichsten Motivationen, mit dem Krafttraining zu beginnen - eine gesündere Körperhaltung (das war auch bei mir damals im Studium der Auslöser), die Körperbeherrschung zu steigern (kommt bei terminal illness häufiger mal vor) - oder einfach mal die reine Optik. In diesem Fall spricht man von den Disco-Pumpern; sie trainieren sich einen Körper an, mit dem sie in der Disco rumprotzen können. Auf das Trainingsverhalten heruntergebrochen heißt das: Fokus auf Oberkörper, genauer auf oberem Rücken, Brust, Arme. Warum? Naja, wenn sie ihre Jeans in der Disco tragen, sieht eh' keiner ihre Beine, also können sie den Leg Day gerne mal skippen, viel wichtiger ist, dass das knallenge Shirt möglichst fast platzt, an drei Stellen: Brust, Ärmel, oberer Rücken.

Ich möchte diese Trainingsvariante hier nicht bewerten - im Gegenteil, mir geht es in diesem Beitrag ja auch in erster Linie um den oberflächlichen Genuss; ich habe die Erfahrung gemacht, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Trainingsverhalten und Neigung zum muscle worship, denn genau darum geht es in diesem Artikel. Und für die Veranschaulichung denke ich mir Dennis und Tom aus - fiktiv, aber durchaus realistisch.

Tom ist ein ziemlich gewöhnlicher, heterosexueller Mann. Wie viele andere Exemplare seiner Spezies ist er sehr auf sein Äußeres bedacht, und dazu gehört auch, dass er regelmäßig in's Fitnessstudio geht, um seine Muskeln zu stählen. Er trainiert längst fast nur noch im Freihantelbereich: Die Maschinen sind was für Normalos, Freihanteln verlangen viel mehr Körperbeherrschung; dass dieser Bereich rundum mit riesigen Spiegeln umgeben ist, kommt ihm dabei sehr gelegen. Wenn ihn jemand darauf anspricht: "Ja, damit ich auf die Körperhaltung und die saubere Ausführung der Übungen achten kann." Was sicherlich nicht gelogen ist, aber...

...er liebt es, sich seinen Körper im Spiegel anzuschauen. Zu schauen, wie sein Training sichtbare Erfolge zeitigt, wie er seine Muskeln kontrollieren kann, wie er seine Pecs zucken lassen kann, wie sein schon im Ruhezustand ordentlich sichtbarer Bizeps nach der Trainingseinheit richtig aufgepumpt aussieht, die Arme glühen, die Adern treten deutlich hervor, er kann die Arme nicht einmal mehr komplett anwinkeln, so sehr sind seine Oberarme aufgepumpt. Er liebt dieses Gefühl - keine einzige Wiederholung mehr zu schaffen, bis zum Äußersten gegangen zu sein, no pain, no gain, lautet seine Devise. Und bevor er danach in die Duschen geht, gönnt er sich noch eine kleine Extrarunde Flexing vor den Spiegeln - oder zwei... und auch noch einmal aus einer anderen Perspektive. Und er hofft, dass in diesem Moment viele andere Männer zuschauen und neidisch werden, wenn sie ihre Spargelärmchen mit seinen Guns vergleichen - got your tickets for...? ist ein Spruch, der ihm immer auf der Zunge liegt. Damn, war das ein geiles Training heute, und völlig kaputt, aber zufrieden, verlässt er den Tempel des Körperkults - und die Vorfreude auf zuhause steigt, denn dort wartet seine Freundin, und er liebt es, sie mit seinen granitharten Muskeln zu beeindrucken - wobei es ihn manchmal etwas irritiert, wenn sie sagt, dass er aber nicht zu sehr übertreiben solle. Denn zuviel findet sie nicht gut. Das ist immer wieder ein komischer Kommentar, denn er kanzelt ihn ab. Der selbstverliebte, muskelgeile Egomanie-Höhenflug bekommt einen Dämpfer, aus dem Gott des Fitnessstudios wird wieder der ganz normale Tom, "eben auch nur ein Mann".

Und genau in solchen Phasen ist Tom froh, dass er mit Dennis befreundet ist. Dennis ist schwul, und in einer schier unendlichen Tradition homosexueller Vorlieben mag er Männer mit Muskeln. Seine Logik: "Wenn ich eine Prinzessin haben wollte, hätte ich ne Hete werden können" - yeah, whatever. Dennis und Tom kennen sich seit ein paar Jahren, eigentlich immer eher flüchtig, aber irgendwann ist Dennis aufgefallen, dass Tom trainiert, und er hat das Thema angesprochen. Komplimente gemacht, wow, du hast ja ziemliche Fortschritte gemacht! Und natürlich hat Tom sich das gern sagen lassen. Das war genau das Feedback, das er haben wollte. Und Dennis ist ins Detail gegangen - hat ihm geschrieben, bei welchen Muskelgruppen es ihm besonders aufgefallen ist, und hat ihn nach Körpermaßen gefragt, hat sich richtig interessiert. Auf eine ganz andere Art als Tom's Freundin, noch etwas - authentischer? intensiver? Tom gelangte an einen Punkt, an dem er es mit Worten nicht mehr akkurat ausdrücken konnte. Er genoss die Aufmerksamkeit, die Dennis ihm entgegenbrachte, das war genau die Art von Aufmerksamkeit, die er sich beim Training im Studio von anderen Menschen wünschte. Alle Blicke nur auf ihn gerichtet, und er konnte endlich einmal hemmungslos herumprotzen, ohne sich blöde Kommentare anhören zu müssen - "pass aber auf, dass das nicht zu viel wird" oder "meinst du nicht, dass du es mit der Selbstverliebtheit ein bisschen übertreibst?" - von Dennis kamen nie blöde Kommentare, und das war ein tolles Gefühl.

Und Dennis? Für ihn war es auch ein tolles Gefühl - denn er hatte schon oft heterosexuellen Fitnessschnitten Komplimente gemacht, aber bisher war keiner so begeistert davon wie Tom. Manchmal waren sie irgendwann genervt, fühlten sich angeschwuchtelt, ne, lass' ma' lieber, ich hör' das dann doch lieber von ner gutaussehenden Frau. Das hatte Dennis schon so oft erlebt, und deswegen schrieb er Tom auch, dass sich das für ihn irgendwie neu anfühlte. Und das erwiderte Tom: Ein neues Gefühl. Und das hatte nichts mit Sex oder Orientierung zu tun, denn Tom fühlte sich davon in keiner Form erregt. Klar, Dennis genoss diese Momente insgeheim, und Tom tauchte immer wieder in sexuellen Fantasien auf. Aber er würde nie auf die Idee gekommen sein, Tom irgendeine Form von Sex vorzuschlagen. Stattdessen fragte er Tom, ob sie nicht einmal Fotos machen wollten.

Fotos? Das war eigentlich gar nicht so schlecht, dachte Tom sich, so könnte er selbst mal sehen, wie seine Muskeln aussehen, wenn sie richtig in Szene gesetzt werden. Und da ist doch nichts dabei, oder? Und so verabredeten sie sich einmal, bei Dennis, und er hatte verschiedene Shirts rausgelegt, um mal zu sehen, wie die wohl an Tom's wesentlich muskulöserer Statur aussehen würden. Und Tom war an dem Tag extra noch vormittags zum Training gegangen, das war sein eigener Vorschlag gewesen, damit es sich dann auch richtig lohnt. Und doch... ein kleines bisschen schüchtern, verklemmt, unsicher waren sie dann doch, und verbrachten die erste Zeit damit, sich über Alltägliches zu unterhalten - wobei Dennis sich nicht helfen konnte, dabei immer wieder auf Tom's Oberarme zu starren, und das blieb auch Tom irgendwann nicht mehr verborgen. Die beiden halfen schließlich ein wenig dabei nach, sich zu enthemmen, und nahmen sich dann für ihre Fotosession reichlich Zeit.

Tom zeigte in allen möglichen Posen, was er hat, während Dennis mit Beleuchtung und Kameraperspektive herumprobierte, um ästhetische Bilder hinzubekommen. Es war ein schönes Gefühl, diese Muskeln endlich einmal aus der Nähe zu betrachten, und er ließ Tom spüren, wieviel Spaß er hatte - nicht zuletzt durch ausgiebige Komplimente, die Tom immer übermütiger werden ließen. Schließlich hatten sie eine ganze Reihe Bilder aufgenommen und auf dem Computer betrachtet, wobei Dennis schließlich meinte "So ein Körper muss sich bestimmt toll anfühlen"; Tom strahlte ihn an und fragte, ob er denn einmal anfassen möchte. Dennis' Herz machte einen Satz Richtung Knie, aber der Nachmittag war schon so gut verlaufen, was sollte jetzt noch schiefgehen? Und so zeigte Tom nochmal ihm persönlich seine Muskeln und ließ ihn anfassen.

Das war einst. Mittlerweile sind die beiden Männer etwas weiter. Tom ist immer noch heterosexuell, hat inzwischen eine neue Freundin. Allerdings laufen solche Treffen wie eben beschrieben mittlerweile anders ab. Sie verabreden sich ganz bewusst zum muscle worship, oft sagen sie einfach nur, sie wollen sich einen "netten Abend" machen. Tom weiß, dass er dann am Nachmittag zum Training geht, und Dennis weiß, was ihn dann abends erwartet. Mittlerweile stellen sie sich dabei vor den großen Wohnzimmerspiegel, damit Tom sich beim Flexing anschauen kann. Dennis steht manchmal hinter ihm, streichelt seinen Bizeps, legt von hinten seine Hände auf Tom's Pecs, während der sie anspannt und springen lässt. Dabei schaut er ihm über die Schulter, ebenfalls in den Spiegel - oder aber er steht vor ihm und schaut sich nicht die Reflektion, sondern Toms Körper direkt an, immer darauf bedacht, nicht im Weg zu stehen. Sie reden dabei weniger als noch in der Anfangsphase - sie sind nun sehr konzentriert, manchmal hat Dennis auch seine Augen geschlossen und genießt das Gefühl harter Muskeln unter seinen Händen. Das hat mit Kuscheln nicht mehr viel zu tun, denn Tom's Körper fühlt sich an wie aus Granit. Dennis schafft es nicht immer, seine Erregung für sich zu behalten, und immer wieder kommen diese kleinen Momente, in denen sie die Fassung verlieren - in der Dennis zudrückt, so hart er kann, in denen Tom vor Anstrengung beim Gegenandrücken keucht. Die Zeit verliert für die beiden jegliche Bedeutung und sie genießen es, alle gesellschaftlichen Konventionen für eine Weile abzustreifen.

Diese Neigung zum muscle worship beruht auf Gegenseitigkeit, ohne dass Tom deswegen in jeglicher Hinsicht als schwul/bi betrachtet werden könnte. Es ist einfach so, dass seine Freundin ihn auf eine andere Art bewundert, das ist auch schön, aber manchmal braucht er diese ungestörten Phasen, in denen er Mann sein kann und dafür bewundert wird - so hat er es Dennis erklärt. Und so haben sie noch heute diesen gemeinsamen Spaß, den sie sich von niemandem nehmen lassen.

Genug von den Beiden; die wesentlichen Punkte, die man als Erfahrung aus diesem Artikel mitnehmen kann: Muscle worship ist ein Fetisch (dazu ein anderes Mal mehr), der auf kein Geschlecht und keine sexuelle Ausrichtung beschränkt ist und der wesentlich mehr als nur zwei unterschiedliche Motivationen kennt. So bieten zum Beispiel professionelle Bodybuilder (Männer und Frauen) bezahlte Worship-Sessions an, um ihren Unterhalt aufzubessern und ihre supplements zu finanzieren. Manchmal nehmen gerade junge Männer mit Kumpels solche Videos auf und verkaufen sie über das Internet - mittlerweile findet man diese Videos überall. Außerdem ist diese Neigung nicht auf irgendeine Altersgruppe beschränkt.

Wie schon eingangs beschrieben, gehen die Meinungen dazu weit auseinander: Es gibt sehr viele Menschen, die mit einem zu muskulösen Partner nichts anfangen können, sei es, dass es ihrer ästhetischen Wahrnehmung entgegen spricht oder dass sie einfach keinen unbequemen Schrank im Bett neben sich haben wollen.

Und manchmal ist der Gegenwind des sozialen Umfeldes so stark, dass man diese Vorliebe besser für sich behält und hinter verschlossenen Türen genießt, ohne darüber zu sprechen.

post scriptum: Für alle, die so etwas einmal in Bewegung sehen möchten. Ich bin gespannt, wie sich dieses Thema auf die Klickzahlen auswirkt - besonders abschreckend oder Neugier weckend? ;-)

 

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