Donnerstag, 18. August 2016

Psychonautik


Disclaimer: Dieser Beitrag soll keine Werbung für den Konsum psychedelischer Substanzen darstellen, sondern einen Beitrag zur Aufklärung über eben jene leisten. Er soll Motivationen beschreiben und Hinweise zur Vorsicht geben.

Dieser Beitrag ist nicht für jüngere Leser geeignet. 

Neugier. Sie treibt die Menschen um, treibt sie voran, in neue Entdeckungen und in große Gefahren. Wenn immer diese potentielle Gefahr mitschwingt... wäre es dann nicht viel besser, nicht neugierig zu sein? Better safe than sorry, sagt der Amerikaner. Nicht jeder Mensch kann entschlossen gegen seine Neugier kämpfen. Nicht jeder kann sie im Zaum halten. Und dann kommt es eben so, dann muss man mit der Hand auf die Herdplatte fassen, um auch wirklich zu wissen, ob sie heiß ist.

Man weiß, dass da ein Risiko mitschwingt. Und deswegen bereitet man sich vor. Man sammelt Informationen - was ist alles bereits über den Bereich bekannt, den ich noch nicht gesehen habe? Worauf muss ich achten, gibt es Vorsichtsmaßnahmen zu beachten? Ein Tor, wer einfach frohen Mutes drauflos wandert. Ein guter Entdecker ist gewappnet für die Reise - und damit wären wir beim Thema.

Manch ein Mensch denkt sich, hmmmm, gibt es vielleicht Sachen, die ich noch nicht gesehen habe? Dinge, die ich noch nicht ausprobiert habe? Seiten an mir, die ich erst noch kennen lernen muss? Es gibt verschiedenste Anlässe, sich auf das Gebiet der Psychonautik zu begeben, das ist schon seit Tausenden von Jahren so. Der Mensch war immer neugierig und er wird immer neugierig sein.

Er fragt sich, was das ist. Das "Ich". Die "Seele". Das, was man mit dem Auge nicht begreifen kann. Das, was über Muskeln und Schmuck hinausgeht, das, was in uns steckt. Es gibt viele Erklärungsansätze, immer wieder haben Menschen versucht, sich selbst und ihren Mitmenschen zu erklären, dass es da mehr gibt zwischen Himmel und Erde, als wir wahrnehmen.

Aber jener Mensch kann noch so viele Aufsätze lesen, noch so viele wissenschaftliche Abhandlungen durcharbeiten und sich preisgekrönte Dokumentationen anschauen - nichts kommt dem Erlebnis gleich, die eigene Seele zu erforschen. Das kann man nicht beschreiben, das kann man nicht in Worte fassen. Man erkennt Konzepte, die für den Moment der Erkenntnis strahlend hell aufleuchten - Dinge, die man im normalen Leben aus unterschiedlichsten Gründen nie gedacht hätte.

Im Englischen gilt das Erlebnis, die eigene Seele zu bereisen, als ineffable. Das heißt ziemlich wörtlich, dass man es nicht aussprechen kann, man kann es nicht sagen, nicht in Worte fassen. Man kann es nur erleben und dankbar sein, dass man diese Erfahrung machen durfte. Eigener Erkenntnisgewinn. Der pure Ego-Trip.

Über die Zeitalter hinweg haben mutige Menschen es gewagt, mithilfe diverser Pflanzen und Tiere das Tor zu öffnen in ihre eigene Seele. Sie wurden als Schamanen und Medizinmänner verehrt und gefürchtet. Und auch wenn sich viele Psychonauten heute nicht mehr als Schamanen bezeichnen würden, bleibt das Konzept immer gleich: Der Schlüssel zur eigenen Seele, das Tor ins Ich.

Kurze Griechischstunde zwischendurch (und ich werd' mir wieder Korrekturen einfangen, whatever):
psyche - die Seele
naus - das Schiff
delos - offen, offenkundig
Und wer nun ein bisschen mit Sprache spielt, einfach weil er es kann, kann sich die Bedeutungen solcher Worte wie psychedelisch oder Psychonautik selbst zusammenreimen.

Zeit für klarere Sprache!

Psychedelische Substanzen - Halluzinogene, Dissoziativa und derer mehr -funktionieren als Schlüssel zur eigenen Seele. Im nüchternen Normalzustand ist unser Gehirn in der Lage, unwichtige oder komplett irrelevante Informationen und Impulse auszublenden. Zum Glück ist das so: Sonst wären wir mit einem einfachen Gang über eine Ampel schon überfordert, weil wir uns nicht all der Sinneseindrücke erwehren könnten.

Bei der Entscheidung, auf einen Trip zu gehen, ist dieser Effekt allerdings durchaus erwünscht. Wir möchten, dass das Gehirn in diesem Zustand alle Gedanken zulässt, egal wie unkonventionell oder unerhört sie auch sein mögen - denn nur dadurch schaffen wir es, neue Einsichten zu bekommen und aus dem Erlebnis etwas mitzunehmen. Aldous Huxley nannte diesen Zustand Mind at Large: Das Gehirn ist von der Leine gelassen, quasi entfesselt, und man kann nur rezipieren, alles aufnehmen, was passiert, meistens ohne es in passende Worte fassen zu können (s.oben).

Ohne den Einsatz psychedelischer Substanzen ist dieser Zustand nur durch (mitunter jahre)langes Training und Disziplin erreichbar. Die dafür nötige Geduld können viele Menschen nicht aufbringen.

Etwas Geduld scheint mir aber in jedem Fall angebracht: Im Laufe meiner Präventionsarbeit bin ich zu dem Schluss gekommen, dass man sich erst ab einem Alter von etwa fünfundzwanzig Jahren der Psychonautik widmen sollte. Eine gewisse Reife halte ich für nötig, damit man von den Eindrücken auf der Reise nicht überfordert wird. So etwas kann nämlich schnell in einen sogenannten "Horrortrip" entgleiten, der Gefahren mit sich bringt (wenngleich er auch großes Entwicklungspotential birgt).

Beim Testen einer neuen psychedelischen Substanz sollte man sich einen "Tripsitter" holen: Jemand, der während des Trips nüchtern bleibt und aufpasst, idealerweise jemand, der mit der entsprechenden Substanz bereits Erfahrungen gesammelt hat und den Psychonauten im Stressfall "runterbringen" kann.

Mutig voran, Segel setzen! Turn on, tune in, drop out umsetzen!

Neben Reife und Vor- und Nachbereitung sollte unbedingt auf die rechtliche Situation geachtet werden. Viele psychedelische Substanzen (wie zum Beispiel LSD oder DMT) fallen in Deutschland unter Anlage I des Betäubungsmittelgesetzes. Sie sind damit nicht verkehrs- und nicht verschreibungsfähig und der Umgang mit ihnen ist strafbar (ausgenommen der Konsum selbst, der in Deutschland unter den Tatbestand der "Selbstschädigung" fällt). Daher sollte man sich vorher ausreichend - lieber zu umfangreich - über die Substanz, ihre Haupt- und Nebenwirkungen, ihre Chancen und Gefahren informiert haben, aber dann steht dem psychedelischen Erlebnis nichts mehr im Weg.

Wichtige Werke in dieser Sache:
Timothy Leary: "The Psychedelic Experience"
Alexander Shulgin: "PiHKAL"
Anlage I des BtmG

post scriptum: Meine Mutter hatte einen schönen Ausdruck, wenn sich jemand ungeschickt anstellt. "Mein Nachbar hat den Wagen heute wieder etwas appeldrabsch eingeparkt." Ich fand das Wort sehr witzig, mein Gehirn hat direkt ein Bild dazu entworfen, so dass appeldrabsch mit unbeholfen/seltsam/komisch/umständlich gleichgesetzt und gespeichert wurde. Es passte einfach so gut. "Guck' mal, die Drossel läuft da vorne ein bisschen appeldrabsch herum." - "Du hast Deine Shirts etwas appeldrabsch zusammengelegt." Fein, klingt gut, wend' ich immer mal wieder an.

Und dann kommt meine Gaby in Spiel. Sie hört das Wort immer mal wieder. Genau so, wie ich es damals von meiner Mutter gehört habe. Die große Buba reagiert so wie ich damals - sie scheint das Wort passend zu finden und nimmt es in ihren Wortschatz auf.

Pointe: Der plattdeutsche Ausdruck appeldwatsch bedeutet "Quatsch".

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen