Montag, 21. Oktober 2019

Langsam reicht's


Heute war in Schleswig-Holstein der erste Schultag nach den Herbstferien, die Busse wieder dementsprechend voll morgens und um die Mittagszeit. Und langsam kommt mir der Gedanke, dass es reicht mit der Arbeitslosigkeit.

Dabei ist das nicht selbstverständlich: Als man mir mitgeteilt hat, dass man mich für eine unkompliziertere Lehrkraft vor die Tür setzt, ist eine Welt zusammengebrochen, und ich war heilfroh, dass ich mehr als ein Jahr durchgehend gearbeitet und damit Anspruch auf Arbeitslosengeld I hatte. So konnte ich die freie Zeit nutzen, um meinen Kopf ein bisschen besser zu verstehen, die Dinge in Bewegung zu bringen. Das ist jetzt erledigt. Ich hatte die Befürchtung, dass ich Diagnose und Arbeit nicht parallel wuppen könnte, aber mittlerweile ist der Kopf frei genug.

Außerdem konnte ich die Zeit nutzen, um ein zweites Mal The X-Files anzuschauen, manches etwas besser zu verstehen, ein richtiger Genuss. Auch das ist erledigt. Und auch wenn es immer wieder neues Material gibt, mit dem man sich beschäftigen kann, muss ich feststellen, dass ich nichts dagegen hätte, wieder zu unterrichten und vernünftige Arbeitstage zu haben; ich fühle mich einfach unterfordert.

Ich habe hier Mittel gegen die Unterforderung, und so habe ich heute nach einer langen Pause endlich wieder Thomas Pynchons Gravity's Rainbow (1973) zur Hand genommen und im Bus weitergelesen, und ich bin fast gestorben vor Lachen und frage mich, warum das Buch so lange beiseite lag. Ja, es ist anspruchsvoll, nervenaufreibend, neunhundert Seiten, die eine gewaltige Aufmerksamkeitsspanne fordern, aber die Belohnung ist reichlich, und ich glaube, ich werde mich morgen mal wieder mit Slothrop in den Mittelwerken versenken, am Ende des zweiten Weltkrieges, während der Konstruktion der V-2-Rakete, und mich schlapplachen über Passagen wie

There was a technician namend Urban,
Who had an affair with a turbine.
"It's much nicer", he said,
"Than a woman in bed,
And it's sure as hell cheaper than bourbon!" 

und parallel die Serie The Terror (2018) beenden, man könnte das als historisches Drama einordnen, weil es um zwei Schiffe im neunzehnten Jahrhundert geht (wer kommt eigentlich auf die Idee, zwei Expeditionsschiffe Terror und Erebus zu nennen???), die eine Passage von Großbritannien nach Indien oder China suchen, dann allerdings im Packeis festfrieren - und dann endet auch schon das historische Drama, und das psychologische setzt ein. Kälte, Paranoia innerhalb der Crew, Krankheit, absterbende Zehen, Alkoholismus, Sex unter Matrosen, wenn man erstmal die etwas zähen ersten vier Folgen gesehen hat, schreibt Matt Zoller Seitz, dann lohnt es sich, denn es ist in der Tat verdammt atmosphärisch und spannend, und erinnert ein kleines bisschen an Wolfgang Petersens Das Boot (1981). Hat schon seinen Grund, warum Ridley Scott das Projekt finanziert hat. Und ich finde es angenehm, dass es eine Event Series ist, also eine abgeschlossene Serie, die nicht zum endlosen weiterschauen verlocken kann. Ich mag es, wenn Serien Anfang und Abschluss haben, denn ich habe keine Lust, in Seriensucht zu verfallen, nach Art von "Naja, eine oder zwei Folgen kann ich ja schnell noch schauen".

Kommt gut in die Schulzeit, liebe Leute, hoffentlich gehöre ich bald wieder dazu! Und: Keinen Lippenpflegestift in der Waschmaschine waschen, nur so am Rande.

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