Dienstag, 16. Januar 2018

Notengespräch II: Lunte gerochen

"Gnôthi seautón" gilt für manchen Schüler mehr, als man denkt...

Das folgende Notengespräch ist fiktiv.

"Hey Gertrud! Kleinen Moment, geht gleich los."

Desinteresse

"Also bei dir finde ich das ja ganz spannend. Du machst bei mir im Unterricht ganz gut mit, aber bei Kollege XY hat es nur für eine Drei gereicht. Und die Klassenarbeit war echt super."

"Joah, keine Ahnung."

"Keine Ahnung! Ich glaub', du könntest deutlich mehr. Kann das sein, dass es irgendwie nur klappt, wenn dich ein Thema interessiert?"

Aufmerksamkeit

"Also sie auch! Das haben mir schon so viele Lehrer gesagt!"

"Ja, weißt du, manchmal hab' ich den Eindruck, dass du das auch provozierst. Eben zu Stundenbeginn hattest du die Füße auf dem Tisch - ich hab' kein Problem damit, aber man kann dadurch so einen Null-Bock-Eindruck erzeugen."

"Oh, hm, ja, war ja auch nicht böse gemeint."

"Keine Sorge, ich versteh' das ja. Aber kennst du das, dass du es dir selbst aussuchst, wen du als Autorität akzeptierst?"

"Und wie! Ich hab' auch das Gefühl, dass manche Lehrer mich einfach nicht verstehen wollen, und dann kann ich die auch nicht ernstnehmen. Wie in Mathe, ich will einfach nur das fertige Ergebnis aufschreiben, aber dann zwingt Frau XY mich, mit dieser blöden Springmaus auf dem Zahlenstrahl entlangzuhüpfen, was einfach nur schwachsinnig ist, ich kenn' doch das Ergebnis!"

"Ist echt so, oder? Warum sollte ich dann von denen überhaupt irgendwas lernen? Ich hatte so eine blöde Deutschlehrerin, bei der hatte ich nie was Besseres als eine Drei im Zeugnis und hatte nie Bock drauf."

"Ja, Deutsch ist ja auch mega langweilig."

"Gerade wenn der Lehrer das nicht gut rüberbringen kann. Und dann hatte ich in der Oberstufe Herrn Krüger, der war richtig gut, hat echt Spaß gemacht, und bei dem hab' ich nachher 15 Punkte geschafft!"

ihre Augen fangen an zu leuchten

"Sowas gibt's echt, oder?"

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Ja, meine Liebe, aber das kann auch am Schüler liegen. Gertrud, ich mach' mir mal eine kleine Notiz bei deinem Namen, denn ich find' das spannend...

Es sind die Momente, die ich liebe. Wenn der erste Verdacht eintrudelt, einen hochbegabten Underachiever vor mir zu haben. Dort kann ich vielleicht etwas erreichen, ernsthaft etwas bewirken. Und deswegen bin ich Lehrer geworden.

Hoffentlich kann ich noch ein Weilchen bleiben.

post scriptum: Zeugniskonferenz drei von sieben für heute, Kollegin betritt den Raum - "Oh, hier riecht es ja toll" - beugt sich zu mir runter - "Bist du noch etwas länger da?", quasi als Beweis, dass ich nach wie vor Räucherstäbchenschwaden mit mir umhertrage.

Was ich lange nicht mehr erlebt habe, sind Eltern, die bei der Zeugniskonferenz darauf achten, ob bestimmte Lehrer generell schlechtere Noten geben. Willkommen zurück am Gymnasium. Zum Thema Noten"kauf" wird demnächst auch noch etwas kommen.

Frau Zwerger und Frau Janke, das nehmen Sie mir nicht persönlich übel, aber wir hatten damals einfach keinen Draht zueinander. Erst recht nicht bei Günther Grass.

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