Zusammen. Miteinander. Ist das so schwer? |
Ich bin soeben aus der Meditation erwacht und bringe den heutigen Eintrag sozusagen frisch aus meinem Gehirn in diesen Blog. Das ist insofern ungewöhnlich, als dass ich bereits einen ganz anderen Beitrag geschrieben hatte, der schon in den Startlöchern stand und den ich nach der Meditation nur noch einmal zur Korrektur lesen wollte, bevor ich ihn veröffentliche. Dieser Beitrag muss nun warten, denn ausgehend von seinem Thema (Filme, die man mehrmals sehen sollte) hat mein Gehirn die üblichen HB-Sprünge gemacht und ich bin nach und nach gelandet bei der Antwort darauf, was mich am Unterrichten in der KGS so gestört hat. Weshalb ich auf die Idee gekommen war, dass ich diese Kinder vielleicht nicht so gern unterrichten würde wollen. Und das Alles hat seine Ursprünge in meinem zweiten Staatsexamen.
Im Referendariat bekommt man als Junglehrer zahlreiche Lehrproben zu Gesicht, und natürlich muss man auch selbst "vortanzen" und dann seinen eigenen Unterricht zerpflücken lassen. Generell finde ich das Konzept der Hospitation ganz gut, denn es gibt einem manchmal neue Impulse für den eigenen Unterricht, wenn man die Ideen der Anderen beobachtet. Was mir dabei aufgefallen ist: Die meisten Lehrproben, die ich zu Gesicht bekommen habe, hatten als Entwicklungsschwerpunkt entweder die Sachkompetenz oder die Methodenkompetenz.
Das überrascht nicht: In diesen beiden Kompetenzbereichen kann man als Lehrkraft im Vorbereitungsdienst wunderbar zeigen, was man alles gelernt hat. Und die Entwicklungsfortschritte können am Ende der Stunde besonders gut überprüft werden: Das ist wichtig für den Referendar, denn es zeigt, ob seine Stunde erfolgreich war. Quasi als Bewertungsgrundlage.
Ich habe in meinem Vorbereitungsdienst keine einzige Lehrprobe gesehen, die die Entwicklung der Sozialkompetenz im Fokus hatte. Nichts. Nada. Kann man ja auch nachvollziehen: Sozialkompetenz entwickelt sich so oder so, und eigentlich brauchen die Schüler die ja nicht, um ihr Abitur zu bestehen. Klingt grausig, aber bei genauerem Hinsehen findet man viele Kollegen, die tatsächlich so denken. Und wie soll man außerdem den Zuwachs an Sozialkompetenz als Referendar nachweisen? Ergo wird das nicht oft verwendet.
Allein deswegen, zum Trotz oder als Herausforderung, habe ich meiner Lateinstunde am Examenstag die Sozialkompetenz zum Schwerpunkt gegeben. Und in der Vorbereitung dieser Stunde ist mir nach und nach bewusst geworden, wie selten ich bis dahin auf eben jene Entwicklung des sozialen Miteinanders in der Klasse geachtet hatte. Genau an diese Lehrprobe musste ich denken, und mir ist wie Schuppen von den Augen gefallen, was mich an meiner jetzigen Unterrichtssituation so stört.
Ich unterrichte in jeder Lerngruppe eine Schar von kleinen Egozentrikern, die nur auf ihren eigenen Fortschritt bedacht sind. Um das zu veranschaulichen, hier ein Beispiel aus einer Lateinstunde. Mein Studienleiter, Herr Kruse, hat immer gesagt "Der Satz bleibt bei'm Schüler." Das bedeutet: Wenn eine Übersetzung vorgetragen wird, steht der vortragende Schüler im Mittelpunkt: Ist seine Übersetzung richtig? Hat er vielleicht einen Kasusfehler gemacht, oder dort den Numerus verwechselt? Und als Lehrer gebe ich Einhilfen, die es schaffen sollen, den Schüler seinen Fehler selbst zu erkennen und korrigieren zu lassen, so dass derselbe Schüler am Ende eine gute Übersetzung vortragen kann und mit einem positiven Gefühl verbleibt.
"Aber ist das nicht immer so?"
Nein. Aus meinem derzeitigen Unterricht: Ein Schüler meldet sich und trägt seine Übersetzung vor. Sofort gehen vier, fünf Finger hoch. Aber glaubt Ihr, die Mitschüler hätten etwas zum vorgetragenen Satz zu sagen? Nein, entweder möchten sie direkt den nächsten Satz vortragen oder einfach ihre eigene Übersetzung zum Besten geben. Was der Mitschüler gemacht hat, bleibt unkommentiert. Nur ein "Ich, ich, ich"-Gedanke: "Ich möchte meine Übersetzung vortragen, denn die ist bestimmt noch besser." "Ich möchte endlich etwas sagen, um meine Note zu verbessern." Ist leider nicht ausgedacht. Ist mir in den vergangenen sechs Wochen leider sehr häufig vorgekommen; viele Schüler denken nur daran, wie sie ihre eigene Note verbessern können. Sozialkompetenz? Soll ich lachen?
In meiner Auffassung von Schule und Unterricht geht es nicht um Einzelkämpfertum mit dem einzigen Ziel, die bestmögliche Note zu erhalten. Leider sehen viele Schüler das anders - und ich lege es ihnen noch nicht einmal zur Last, denn oft stecken dahinter Eltern, die von ihrem Kind nur das Beste erwarten, hoher sozialer Druck, der ihnen in irgendeiner Form suggerieren könnte "Ich muss unbedingt diese Eins haben, sonst..." - den Satz kann man verschiedentlich fortsetzen. Um ein Miteinander geht es nicht.
Und das möchte ich im zweiten Halbjahr nicht länger hinnehmen. Ich werde meinen Schülern einen Einlauf verpassen, in dem ich ihnen genau von diesen Eindrücken berichten werde. Meine Unterrichtsbeobachtungen. Und dass mich das sehr verstört hat. Ich werde diverse Wege suchen, ein Miteinander zu erzeugen: Eine O- oder U-Sitzordnung, geregelte Abläufe bei der Besprechung von Übersetzungen (da werde ich dann die Methodik aus meiner Examensstunde in Latein übernehmen, die soll wohl nicht schlecht gewesen sein). Diese Egozentrik (die ich leider nur allzu gut verstehen kann) möchte ich ihnen nicht durchgehen lassen.
Tut mir leid, aber ich habe ein anderes Bild von Schule. Dieses Streben nach der Eins, und zwar jeder für sich, das macht mich krank. Ich mag das wirklich nicht. Das sind Momente, in denen ich mich nach Alternativschulkonzepten wie z.B. der Waldorfschule sehne. Und das Schlimmste ist: Oft unterstützen wir als Lehrkräfte genau dieses Leistungsdenken der Schüler, gerade indem wir fast nur Stunden konzipieren, die einen Zuwachs an Sach- oder Methodenkompetenz zum Ziel haben.
Sind wir dafür Lehrer geworden?
post scriptum: Das bewegt mich wirklich, deswegen werde ich es links in die Linkliste pinnen. Vielleicht habe ich ein komisches Bild von Schule, aber so isses nun mal, dann bin ich eben strange, aber ich habe durch das Mobbing in der Schule selbst sehr gelitten - und bin vielleicht deswegen so versessen auf "sozialen" Unterricht.
Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass dieses Egozentrik-Phänomen ganz sicher nicht auf die KGS beschränkt ist. Ich kann mir vorstellen, dass manche Schularten dafür anfälliger sind als andere, aber das möge jeder selbst erkunden.
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