Donnerstag, 4. Januar 2018
Glasscherben
Eigentlich wollte ich heute den neuesten Teil der Reihe Bürokratiergehege posten, ist auch schon fertig geschrieben, aber ich möchte heute noch einmal eine Feststellung erläutern, die sich zum Start in das neue Jahr eignet. Dazu sei gesagt, dass die Quintessenz des Folgenden nicht von mir stammt. Ich habe sie von Pema Chödrön gelernt, die sie wiederum von ihrem Lehrer erhalten hat; ich habe das dazugehörige Video auch schon mehrfach im Blog gepostet, aber viele klicken nicht auf die Links und Videos in den Beiträgen - was vollkommen in Ordnung ist, ich mache das auch nur selten - und deswegen schreibe ich es hier noch einmal auf. Es geht darum, wie gut es tut, sich manchmal so richtig über die Widrigkeiten des Lebens aufzuregen.
"Diese beschissene Welt!"
"Diese beschissenen Menschen!"
"Dieses beschissene Schicksal!"
So möchten wir manchmal hinausschreien, und wir finden Gründe zuhauf: Das Wetter ist zu schlecht. Die anderen Autofahrer sind zu rücksichtslos. Das Internet ist nicht schnell genug, die Butter ist zu teuer, das Gehalt zu niedrig und der Arbeitsaufwand zu hoch. Die Wohnung ist zu hellhörig und mein Kollegium kann ich erst recht nicht leiden. Diese beschissene Welt gibt uns zahlreiche Anlässe, sie beschissen zu finden. Scheiße, wohin wir auch blicken.
Es fühlt sich an, als müssten wir barfuß über Glasscherben gehen. Überall um uns herum, direkt bei uns und auch in tausenden Kilometern Entfernung; Glasscherben und Nägel und Schrauben und spitze Steine. Sie pieksen uns, sie zerschneiden unsere Füße, wir stolpern, wir bekommen blaue Flecken. Und wir fluchen darüber, um uns für einen Moment etwas Frustabbau zu verschaffen. Als Ventil. Doch dann kommt die Idee!
Wie wäre es, wenn wir einfach den ganzen Boden ringsherum mit einer Schicht dicken Leders auslegen? Quasi wie einen Teppich, durch den das Glas nicht schneiden und die Nägel nicht pieksen können. Wie heißt es so schön? "Mach' die Welt, wie Du sie haben möchtest." Und nach und nach kleiden wir alles mit dem schützenden Teppich aus Leder aus, und wir arbeiten immer weiter daran, weil wir daran glauben, dass wir irgendwann den gesamten Boden abgedeckt haben; dass wir uns die ganze Welt zurecht machen können.
Das klingt unrealistisch. Aber wenn man einmal darüber nachdenkt, ist es genau das, was wir machen. Immer wieder, oft unbewusst. Wir versuchen unsere Mitmenschen zu erziehen, wir suchen einen Job, der mehr Geld einbringt, und wenn das Wetter zu grau ist, ziehen wir einfach die Vorhänge zu. Und wenn zu wenig Geld auf dem Konto ist, schauen wir einfach nicht hin. Fakt ist: Es wird für uns niemals möglich sein, all' unsere Probleme zu modifizieren und aus dem Weg zu räumen.
Wie wäre es denn, wenn wir stattdessen nur zwei kleine Stücke des schützenden Leders nähmen und unsere Füße damit umwickelten? Auf diese Weise könnten wir hingehen, wo wir wollen, egal ob der Boden zerklüftet ist, mit Glasscherben bedeckt oder voller Nägel ist.
Das ist es, was Pema Chödrön (und alle vorhergehenden Lehrer des Buddhismus) sagen will: Wenn wir es stattdessen schaffen, uns mit der Welt zu arrangieren, an uns zu arbeiten, um mit den Widrigkeiten des Lebens umgehen zu können, dann wird unsere Wut weniger werden, auch unser Frust, und es wird leichter für uns sein, das Gute in jeder Situation entdecken zu können.
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