Donnerstag, 1. Dezember 2016

Wenn ich tanze


Ich wollte Flo früher gern dafür begeistern, mit mir auf die Lost Souls zu gehen, um die Szene einmal zu erleben und zu tanzen. Ich habe das leider oft: Wenn ich etwas toll finde, denke ich, dass das doch auch alle Anderen toll finden müssten und dränge ihnen das auf, das geht schon fast in Richtung Belästigung - seither erzähle ich kaum noch etwas, wenn ich es toll finde, sondern "genieße es im Stillen". Diesen Wortlaut hat Flo damals gebraucht.

Denn er hatte einfach kein Interesse daran, tanzen zu gehen, und ich habe das nicht akzeptiert. Es heißt nicht, dass er nicht auf Parties gegangen ist - aber es hat es eben nicht des Tanzens wegen gemacht. Bei mir ist das anders. Wenn ich auf eine Party gehe, dann möchte ich tanzen. Gern von Anfang bis Ende durchtanzen, dazu brauche ich auch keinen Begleiter.

Wenn ich tanze, dann geht das erstmal ganz vorsichtig los, mit unauffälligen Bewegungen. Ein bisschen von einer Seite zur anderen schwanken. Dann vielleicht mal auf und ab wippen. Dann die Schultern dazunehmen. Vielleicht auch mal einen Schritt gehen. Denn der Beat der Musik muss mir erstmal ins Blut gehen. Dann auch die Arme dazunehmen, die Bewegungen intensivieren. Die Musik hat tranceartigen Charakter, nach und nach baut sich der Song auf, nach und nach kommen neue Elemente hinzu, ohne dass der zugrunde liegende Beat je abreißt. 

Irgendwann schließe ich die Augen, weil ich mich immer weiter in Trance tanze. Ich bekomme nichts mehr um mich herum mit. Mein Puls wird schneller, ich komme ein wenig außer Puste, aber die Musik schwillt weiter an und dröhnt mir um die Ohren und ich tue mein Bestes, um im Flow zu bleiben. Ich nicke mit dem Beat, ich werfe meine Arme um mich, ich passe auf, dass ich bei den Kicks niemanden verletze, ich gebe mich dem surrealen Rausch der flackernden Lichter und Blitze hin, der Bass treibt mich an - der Song nähert sich seinem Höhepunkt, ich vergesse, wo ich bin, wann ich bin und wer ich bin. Für diesen Moment, für diese Phase des Songs gehöre ich der Dunkelheit, der Tanzfläche, dem DJ, ich werde ein Teil der Masse aus zuckenden Leibern.

Es wummert, es kracht, es schallt mir von überall entgegen; ich tanze, ich springe, ich schlage um mich; es flackiert, es zischt, es rauscht... und dann klingt der Song ab. Das geschieht schnell und ganz subtil, er kocht runter auf den grundlegenden Beat und verstummt schließlich. Und genauso werden meine Bewegungen ruhiger, bis ganz zurück zum ersten Schwanken, und ich kehre in die Realität zurück. Ich bin völlig außer Atem, aber überglücklich, euphorisch - und das alles komplett ohne Drogen.
Auf der Tanzfläche ist "Silent Shout" der Hammer. Dieser Blogeintrag wurde auf ihn zurechtgeschrieben.
 
Ist doch klar, dass ich das mit Flo teilen wollte. Aber ich kann nicht immer von mir auf Andere schließen. Ich kann nicht einfach jeden, nur weil er mir gefällt, so sein lassen wollen wie ich. Ich wollte ihm doch nur etwas zeigen, ihn für etwas begeistern. Ich wollte, dass er auch mal diesen tranceartigen Zustand erlebt, und zwar ohne Alkohol, ohne was auch immer.

Hoffentlich gehe ich nächstes Mal bei Vorschlägen zur gemeinsamen Freizeitgestaltung endlich mal von dem aus, was er mag. Und ich kann das hier so schreiben, denn ich gehe davon aus, dass er diesen Text nicht liest. Und wenn doch, naja, dann weiß er jetzt, wie meine Gedankenwelt in dieser Sache aussieht.

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