Dienstag, 20. Dezember 2016

Einladung zum Tee


Ich pfeife so langsam aus dem letzten Loch, bin ferienreif, und meine Schüler sind es augenscheinlich auch. Manche merken, dass sie vielleicht früher für die Klassenarbeiten in dieser Woche zu lernen hätten anfangen sollen (ich mag Verbreihen). Nun, vielleicht müssen sie erstmal auf die Nase fallen, um daraus zu lernen. Geht mir selbst immer wieder so, manches lernt man eben nur auf die harte Tour. Das hat schon seine Richtigkeit.

So komme ich heute aus der Schule mit dem intensiven Eindruck, Schüler unglücklich gemacht zu haben, werfe meine Sachen in die Ecke und schalte ab - halt warte, Post ist gekommen! Nanu, das schaut aus wie Weihnachtsgrüße, von wem kommen die? Ich bin in der Hinsicht selbst immer schreibfaul - Neujahr ist so willkürlich gesetzt, warum sollte man das feiern und sich dementsprechend gute Wünsche schicken? Aber ich kann ja all' die Leute verstehen, die Weihnachtspost machen. Eher bekomme ich dann ein schlechtes Gewissen, warum ich das nicht gemacht habe. Hättest dich ja auch mal bei dem Einen oder der Anderen melden können...

Whatever - ich freue mich wirklich sehr, denn die Karte kommt von Jay. Zur verlinkten Zeit hatten wir einen kleinen, fast smarten Austausch und ich meine, ein Zeichen von Anerkennung seinerseits erkannt zu haben, und für mich will das was heißen - denn Jay hat Einiges auf dem Kasten. Ich fühle mich ein wenig geehrt, wenn er sich an mich erinnert.

Ich finde es generell immer interessant, wenn sich jemand an mich erinnert. Das erstaunt mich immer wieder: Warum sollte ich den Leuten aufgefallen sein? Ich merke mir doch auch keine anderen Menschen - vielleicht sollte ich weniger von mir auf Andere schließen. Ich hab eigentlich auch immer etwas Angst davor, dass die Erinnerung an Dr Hilarius eine negative sein könnte. Minderwertigkeitskomplexe und so. Aber ganz oft ist es einfach nur die sachliche Feststellung: Der war anders als die Anderen, den vergesse ich so schnell nicht.

Zurück zu Jay: Er wünscht mir Merry Christmas and a Happy New Year - nicht ohne eine Einladung zum Tee hinzuzufügen, wenn ich mal in Kiel sein sollte. The good news is: Ich bin hoffentlich dauerhaft in Kiel. The bad news? Gibt es nicht. Ich bin total angetan, von einem meiner Lieblingsdozenten auf einen Tee eingeladen zu werden. Ich denke nämlich, dass sich daraus tatsächlich ein sehr spannendes, intelligentes und schwarzhumoriges Gespräch entspinnen könnte. Und ein kleines bisschen leuchten meine Augen bei dem Gedanken.

Trotzdem gibt es jenen Punkt mit oben erwähnten Minderwertigkeitskomplexen: Ich kann Jay nicht mal in Ansätzen das Wasser reichen. Er weiß über seine Themen definitiv besser Bescheid als ich und hat ein so umfangreiches Allgemeinwissen, dass ich Gefahr laufe, mich mit meinem, naja, Nischenwissen zu blamieren. Dieser Gedankengang scheint gar nicht so ungewöhnlich zu sein, denn manchen Menschen geht es wohl so, wenn sie mit mir reden. Einer dieser Menschen wohnt eine Straße weiter und denkt ab und an an mich. Dabei möchte ich in Gesprächen nie beweisen, was ich alles weiß. Ist ja auch völliger Unsinn.

Ich muss Jay gar nicht das Wasser reichen - es handelt sich schließlich nicht um einen Wettkampf, sondern eine anregende Unterhaltung. Und im Gegenteil: Ich werde das Wissen, das er mir anbietet, ebenso aufnehmen wie damals im Englischen Seminar der Kieler Uni.

Schöner Tagesabschluss!

post scriptum: Spannende kulinarische Erfahrung: Mandarinenspalten ein paar Minuten (oder mehr) an der Luft stehen lassen. Die dünne Haut trocknet dadurch aus. Wenn man nun hineinbeißt, fühlt es sich erstmal knackig an - ungewöhnlich - und dann ist die Mandarine genau so saftig wie immer.

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