Montag, 21. März 2016

Fußspuren hinterlassen

Zitiert zu werden fühlt sich für mich komisch an.

In der Schule haben wir gelernt, wie wir unsere Theorien bei der Interpretation mit Zitaten belegen sollen. Das Studium hat uns dann wissenschaftliches Zitieren beigebracht. In jedem Fall war immer ich derjenige, der andere Menschen zitiert hat, reine Formsache. Und gestern kam es dann andersrum.

Ich arbeite seit einigen Jahren bei Eve&Rave in der niederschwelligen Suchtprävention. Ich hab da meine Fachgebiete gefunden, in denen ich mittlerweile sehr fit bin und in denen ich vornehmlich Jugendliche hinsichtlich ihres Drogenkonsums berate. Im Online-Forum habe ich vor Jahren eine Metapher benutzt, um einen bestimmten Zusammenhang beim Abkicken zu beschreiben. Ich bin mittlerweile gar nicht mehr so aktiv dort, ich habe beobachtet, wie jüngere User nach ihren eigenen Erfahrungen ebenfalls beratend tätig werden.

Mit einem dieser jüngeren User habe ich gestern ein paar Nachrichten geschrieben, wir hatten über Abkicken vs. Ausschleichen diskutiert und da wurde ich dann plötzlich mit eben jener alten Metapher zitiert. Als ich das las, musste ich mich erstmal zurücklehnen, weil mir mehrere Dinge bewusst geworden sind.

Vor allem, welchen Einfluss ich auf einige ausübe: Es gibt scheinbar Menschen, die zu mir aufschauen, die mich als Vorbild nehmen. Eine Rolle, die man als Lehrer ja theoretisch immer innehat. Aber nun bekomme ich die Konsequenzen zu spüren: Ich werde mit meinen eigenen Lehren konfrontiert, ich realisiere, dass ich auf ein paar Menschen einen starken Einfluss ausgeübt habe. Ich habe in ihrem Leben deutlich sichtbare Fußstapfen hinterlassen - und darauf bin ich unglaublich stolz.

Gleichzeitig bringt es mir aber auch Probleme. Ich habe in mehr als einem Fall erlebt, dass mein Gegenüber derart zu mir aufschaut, dass er alles tut, um es mir recht zu machen. Mir nach dem Mund redet. Mir einen Gefallen nach dem anderen tut. Und damit kann ich wiederum nicht so gut umgehen, weil ich mit den wenigen Menschen, die mir in meinem Leben wichtig sind, gern auf Augenhöhe kommunizieren möchte. Also kein respektvolles, fast schon demütiges Aufschauen.

Für den Anderen ist es dann gar nicht so leicht, den über längere Zeit erworbenen Respekt einfach mal so weit unter Kontrolle zu bringen, dass wir auf einer Ebene landen. Das ist ein bisschen wie mit meiner Englischlehrerin damals, Steffi Schiller. Ich habe sie im 11.Jahrgang bekommen, als sie neu an unserer Schule war. Von da an hat sie mich bis zum Abitur begleitet. Sie war immer "Frau Schiller", zu der ich aufgeschaut habe, weil sie die Dinge anders gemacht hat als manch Lehrer, den ich nicht mochte.

Es war ungewohnt, dann nach dem Abitur eines Tages bei ihr zuhause zu sitzen, sie mit einem Mal zu duzen. Das brauchte ein bisschen Zeit. *Er* hat auch immer zu mir aufgeschaut und sich teils stark verstellt, um es mir recht zu machen. Damit konnte ich nicht umgehen - das Thema Authentizität gab es in diesem Blog ja bereits. Ich hoffe, wenn wir uns wiederfinden, werden wir miteinander auf Augenhöhe sprechen.

Unterm Strich bin ich aber immer noch stolz, dass ich Positives in anderer Menschen Leben bewirken konnte. Fußspuren zu hinterlassen... ein einzigartiges Gefühl.

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