Mittwoch, 2. März 2016

Authentisch sein

Mal wieder Altgriechisch. "authéntes" ist einer, der selbst handelt. Im übertragenen Sinne damals auch gern mal ein Mörder oder so. Wenn wir das Theta im Wort auseinanderzerren und das "hentes" wegstreichen, bleibt "autó" übrig. Das ist das Selbst.

Wenn ich also authentisch bin, bin ich ganz ich selbst. Ich verstelle mich nicht, um jemandem zu gefallen. Ich benehme mich nicht anders, weil es von mir erwartet wird. Nun mag einer sagen: "Ja, so sollte es doch immer sein, man sollte immer authentisch sein!" Und das ist richtig, aber es ist ein Soll- und kein Istzustand.

Hochbegabte haben feine Antennen dafür, wenn jemand nicht authentisch ist. Wenn mir jemand etwas vorspielt, merke ich es irgendwann (das kann auch mal eeeeewig dauern, manchmal aber durchschaue ich es sofort) an komischen Symptomen wie Bauchschmerzen oder Verwirrung. Der Gedanke "Irgendwas passt gerade nicht ins Bild."

Ich kann überhaupt nicht damit umgehen, wenn jemand mir gegenüber nicht authentisch ist. Das kann mein Gehirn nicht verarbeiten. Falsche Freundlichkeit, übertriebene Höflichkeit, ich weiß dann nicht, wie ich dieses Verhalten einsortieren soll. Und weil so viele Menschen eine Maskerade spielen (ja ja, auch diesmal kommst Du nicht ungeschoren davon), bin ich froh, dass ich nur eine Handvoll enger Freunde hab.

Ich verurteile das Vorspielen ja gar nicht. "Höflichkeit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr", wie es so schön heißt - whatever, ja, manchmal ist es ganz diplomatisch, wenn man sich anders verhält. Wenn man mit Ranghöheren spricht. Mit Älteren. Mit Dienstherren. Und so weiter. Für eine kleine Weile bekomme ich das auch hin, aber auf Dauer kann ich das nicht.

Und das macht sich in meiner Arbeit als Lehrer bemerkbar. Ich kann versuchen, es den Menschen mit meinem Unterricht recht zu machen. Ich bin dann nicht authentisch, aber die Leute sind zufrieden. Aber daran gehe ich kaputt, und diese Fassade bröckelt irgendwann. Deswegen nehme ich mir vor, gar nicht erst wieder die Maskerade zu beginnen. Ich bleibe authentisch. Und wer damit nicht klar kommt, der meidet mich. Und das ist vollkommen okay so.

Wenn ein Vorstellungsgespräch ansteht, werde ich authentisch bleiben. Dazu gehören auch schwarz lackierte Fingernägel. Wenn von mir erwartet wird, dass ich mich anpasse, am besten noch im Zwirn unterrichte, dann ist es einfach nicht der richtige Ort zum Lehren für mich. Ich suche eine Schule, die mich nimmt, wie ich bin.

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