Samstag, 19. März 2016

Metafiktion

Endlich habe ich mal wieder einen intelligenten Horrorfilm gesehen. Doch first things first.

Wenn ein Roman von der Tätigkeit des Romanschreibens handelt, dann ist das Metafiktion. Ebenso ein Film, der vom Filmgeschäft handelt. Beispiele dafür sind Bret Easton Ellis' Lunar Park oder die Scream-Filme. So ein Werk zu schaffen erfordert eine gewisse Intelligenz und Stilbewusstsein sowie Distanz zum eigenen Genre.

Gestern habe ich mir The Cabin in the Woods (2012) angeschaut. Eine Gruppe von fünf jungen Erwachsenen möchte ein Wochenende zusammen verbringen, quasi Kurzurlaub, dazu fahren sie in die eponyme Ferienhütte im Wald. Klingt wie jeder andere Horrorfilm, da ist nichts Besonderes dabei. Wie oft sah man schon Filme, in denen die Charaktere dann einem Ritual zum Opfer gefallen sind, von einer kannibalistischen Familie verspachtelt wurden, oder in denen sie sich mit ansteckenden Krankheiten infizieren, sich gegenseitig das Blut aussaugen - und und und...

Man merkt: Das ist alles austauschbar. Das sind standardisierte Topoi im Genre Horrorfilm. Und tatsächlich: Die fünf Urlauber entscheiden im Keller der Hütte selbst, welches Schicksal sie ereilen wird. Sie sind sich dessen nicht bewusst - der Film schon, und der Zuschauer auch. Immer wieder werden Szenen eingeblendet, in denen die "Macher" Knöpfe drücken und Hebel umlegen, ja, sie schließen sogar Wetten ab, für welches Schicksal die Urlauber sich entscheiden.

Das ist Metafiktion. Es gibt den englischen Ausdruck send-up für Filme, Shows u.ä., die sich selbst aufs Korn nehmen. Ich mag das. Das ist nicht zu verwechseln mit Satire, die Genrefilme ins Lächerliche zieht, wie z.B. Scary Movie. Metafiktion ist intelligenter und behandelt ihr Publikum auch tatsächlich wie intelligente Menschen. Das ist eine angenehme, sehr willkommene Abwechslung im Horrorgenre, das - im Ganzen gesehen - nicht unbedingt vor Anspruch strotzt. Natürlich gibt es Ausnahmen.

Zurück zum Film The Cabin in the Woods. Es stellt sich im weiteren Verlauf des Films heraus, dass die Metaebene wiederum Horrorklischees aufs Korn nimmt - somit wird es für den Zuschauer praktisch unmöglich, das Ende vorherzusagen. Ist nicht schlimm: Dieser Film lebt nicht von Twists, sondern von der Intelligenz und Liebe zum Genre, mit dem die Macher da rangegangen sind. Roger Ebert, ein Filmkritiker, den ich zu respektieren gelernt habe (requiescat in pace), hat den Film verglichen mit einer Art Abschlussprüfung für Horrorfans - das trifft es. Es gibt so viele Anspielungen in Cabin - das Mädchen aus den Ring-Filmen, der Clown aus Stephen King's Es und unzählige weitere, geradezu ein Panoptikum in Sachen Gegenwartshorror. Ein cleverer Film, sehr humorvoll, ich hätte nicht übel Lust, ihn heute noch einmal zu genießen.


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