Donnerstag, 31. Mai 2018

Schweig' still, Dr Hilarius!

"Ich bin der Lehrer, und alle hören mir zu!" - Yeah, whatever...

Okay, heute geht es einmal um ein Thema, das mir wirklich unangenehm ist, aber vielleicht stehe ich mit dem Problem nicht allein da. Vielleicht fühlt sich jemand ertappt. Und dann im nächsten Schritt erleichtert, dass er nicht der Einzige ist, dem es so geht. Genauso, wie ich hoffe, dass ich nicht der Einzige bin, der dieses Problem hat.

Ich liebe es, ein Lehrer zu sein, ich liebe es, bestimmte Fachinhalte zu vermitteln. Ich liebe es so sehr, dass ich in's Schwärmen geraten kann. Und dann fange ich an, zu erzählen. Meine Augen leuchten, während ich möglichst plastisch und altersgerecht etwas erzähle, was in der ursprünglichen Stundenplanung gar nicht vorgesehen war. Beispiel gefällig?

(Ist echt unangenehm, das jetzt schwarz auf weiß zu lesen...)

"Aulus Popidius magno in honore est." Schüler: "Der große Aulus Popidius ist in Ehre." Dr H: "Ja, bestimme bitte noch einmal die Form magno nach Kasus, Numerus und Genus." Schüler: "Das ist... Dativ oder Ablaaa....ach so! Das kann ja gar nicht zu Aulus Popidius gehören, das steht nicht in KNG-Kongruenz, das muss zu... honore!" Dr H: "Genau richtig erklärt! Das in hat sich da reingedrängelt. Das haben die Römer oft so gemacht, und das war so bekannt, dass wir das auch heute noch finden können. Zum Beispiel, wenn man eine Doktorarbeit an der Universität schreibt, da gibt es magna cum laude..." usw., inklusive Schüler: "Gibt es auch etwas Besseres als magna cum laude und reichlich weitere Fragen, sechste Klasse eben, mein Problem: Ich will immer jede Frage beantworten, und das klappt einfach nicht.

Eine Stelle, die eigentlich nur eine Minute dauert, aber nein, ich gerate in's Schwärmen, ich sehe eine Chance, etwas für die Schüler anschaulich darzustellen, und stürze mich darauf wie ein Verhungernder auf rohe Zwiebeln. Und die Kinder gehen alle voll mit, sie hängen an meinen Lippen - ist ja schön und gut, aber das rächt sich.

Vielleicht nicht in dieser Stunde - im Gegenteil, ich fand die Stunde total toll. Es ist peinlich... aber ich höre mich nun mal gern reden, und verliere darüber hinaus aus dem Blick, dass ich die Stunde auf die Kinder hin auszurichten habe. Auf einen Kompetenzzuwachs bei ihnen. Das soll keine Vorlesung sein. Die Zeit meiner ganzen Erläuterungen hätten wir wesentlich produktiver nutzen können, und irgendwann nach der Stunde wird mir das bewusst und ich bekomme Bauchschmerzen.

Und wenn es mir nicht von selbst bewusst wird, dann bekomme ich eben irgendwann das Feedback "Bei Dr H lernen die Schüler nicht so viel", und das ist an "Hochleistungs-Schulen" (z.B. Gymnasien) besonders problematisch. Das kommt einfach nicht gut an.

Und auch nach sieben Jahren im Schuldienst passiert es mir noch immer. Und nicht nur im schulischen Kontext; ich rede zuviel. Dabei versuche ich so sehr, darauf zu achten, meinen Gesprächspartner reden zu lassen. Er soll zu Wort kommen, ich möchte etwas über ihn lernen. Das habe ich zuerst in der Drogenarbeit gelernt: Den Anderen zum Reden bringen. Das klappt nicht, wenn ich ihn zuschwalle.

Also schweig' still, Dr Hilarius!

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