"Erst dumm und blöde, dann klug wie Goethe..." - ich hoffe, es wird auch Dichtkunst eingeflößt... |
Jede Lehrkraft wird sich irgendwann im Leben konfrontiert sehen mit der Frage, was denn guter Unterricht sei. Tot sententiae quot capita - es gibt dazu so viele Meinungen wie Köpfe. Jeder hat eine andere Auffassung davon, was guten Unterricht ausmacht. Das ist müßig, im Blog darüber zu diskutieren. Zumal da draußen so viele bessere Lehrer sind als ich, die mir alle gute Tipps geben wollen.
Was mich dieser Tage beschäftigt, ist die Frage, was eigentlich Schule ist. Muss doch etwas mehr sein als bloß das Gebäude, in dem Unterricht stattfindet. Muss doch etwas mehr sein als neun Jahre, zu denen man per Gesetz verdonnert wird. Muss es nicht auch etwas mehr sein als das bloße Hereinprügeln von Wissen in Köpfe? Oben abgebildet ist der Nürnberger Trichter, eine Karikatur, die genau Letzteres auf's Korn nimmt - nicht ohne Grund, zumal es immer Menschen gibt, die davon überzeugt sind, dass Schule genau das ist: Eine Maschine, die Kindern Wissen eintrichtert.
Vorher "dumm und blöde", unwissend, unwillig, inkompetent, nutzlos. Danach ein Ausbund an Intelligenz, Wissen, Weisheit, Menschlichkeit... wobei, da kommen wir schon in's Stolpern; um Menschlichkeit geht es bei dem Trichter nämlich nicht. Und dass man sich Intelligenz nicht aneignen kann, weiß vermutlich auch jeder Leser. Es geht nur um stumpf abfragbares Wissen.
In der heutigen Lehrerausbildung wird der Trichter als abschreckendes Beispiel gezeigt - und dennoch gibt es eine große Menge Menschen, die den (Miss-)Erfolg einer Schule anhand des Lehrplans feststellen. Das ist immerhin auch sachlich und nüchtern abprüfbar - vielleicht ist das ja wirklich eine gangbare Erklärung von Schule. Dann möchte ich an einer solchen Schule aber nicht arbeiten.
Es gibt dazu wesentlich geeignetere Lehrkräfte als mich. Ich verbrauche viel zu viel Unterrichtszeit, bestimmt fünf Minuten pro Unterrichtsstunde, mit nicht abprüfbaren Themen - zum Beispiel der Frage, wie es den Schülern geht, wie sie das Wochenende verbracht haben... das sieht nicht jeder gern. Das ist nämlich eine Verschwendung der wertvollen Unterrichtszeit, ganz besonders an der Nürnberger-Trichter-Schule, und das kann ich sogar gut nachvollziehen; eben darum komme ich zu dem Schluss, dass ich ungeeignet für jene Schule bin.
Auch kann ich nicht nachempfinden, welchen Sinn sogenanntes Bulimie-Lernen hat. Erstmal eine Entschuldigung an alle Menschen, die tatsächlich von Bulimie betroffen sind - ich benutze dieses Bild nicht leichtfertig. Ich erlebe immer wieder Schüler, die sich durch die Schule kämpfen, indem sie sich von Leistungsnachweis zu Leistungsnachweis hangeln. Natürlich auch erst sehr kurz davor anfangen, zu lernen, denn sonst könnten sie das wertvolle Wissen in der Zwischenzeit ja wieder vergessen. Und danach alles ausk...
Ist es nicht eigentlich ein ungutes Signal, dass das gesamte anzueignende Wissen für die Schüler so irrelevant erscheint, dass sie es nicht für sich, für ihr Leben, sondern nur für die Klausuren zu pauken scheinen? Das führt dazu, dass ich den letzten Leistungsnachweis eines Schuljahres gern unangekündigt schreibe - damit lieber regelmäßig und nicht so schubartig gelernt wird. Natürlich ist das auch keine gute Methode, denn sie funktioniert, aber durch Angst. Und die hat in meinem Unterricht eigentlich nichts zu suchen.
Was ist Schule? Nach dieser Frage definiert sich dann auch, ob ein Lehrer gut ist - oder eben nicht. Seit knapp acht Jahren informiere ich mich über Alternativschulkonzepte, Reformpädagogik, alles, was möglichst keinen Nürnberger Trichter beinhaltet. Und dann durfte ich an mittlerweile zwei Schulen arbeiten, in denen noch andere Dinge im Schul-Lebens-Mittelpunkt stehen als das pure Wissen. Dinge wie Selbstkompetenz, Sozialkompetenz, Schüler hilft Schüler, Alltagstauglichkeit... alles Dinge, die ich gern fördern würde. Und deswegen darf ich nicht an eine Trichterschule gehen: Dort kostet die Ausbildung all' dieser Kompetenzen nämlich wertvolle Zeit und womöglich am Schulabschluss sogar eine Nachkommastelle in der Note.
Und schließlich gehen sie ja nur deswegen zur Schule, all die Lernenden. Nur für eine gute Note. Alles unterhalb von Eins Komma Fünf ist unwürdig, armselig und ein Zeichen für das Versagen der Lehrkraft. (nur nebenbei, ich verwende gerade Ironie) Da sollte man ruhig etwas mehr Leistungsdruck auf die Jugendlichen ausüben - sonst wird später ja nichts aus ihnen. Handwerker. Fliesenleger. Näherin. Kassiererin. Oh warte mal, verwende ich da gerade einen Hauch von Arroganz? Würde ich damit angedeutet haben wollen, dass dadurch eine Haltung entstehen kann, die auf diese Berufe herabblickt?
Das ist genug Grundlage für einen weiteren Blogeintrag.
Heute jedenfalls stelle ich mich wieder intensiv der Frage, was Schule eigentlich ist. Und wie eine Schule aussehen könnte, für die ich wirklich so geeignet bin, wie ich bin.
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