25 years - still amazing! |
"HOPSE ist verbrüht."
"PHIGGY ist gezappelt."
"Nfufufu."
Das klingt wie totaler Unsinn. Ist es auch - aber ohne diesen Unsinn wäre mein Leben zu diesem Zeitpunkt um eine Nuance ärmer. Ich nehme mir heute ein wenig Zeit, um über ein Videospiel zu schreiben, das für mich etwas mehr als einfach nur ein Videospiel geworden ist - Secret of Mana (Seiken Densetsu 2, 1993). So albern die obigen Zitate klingen - und das darf man guten Gewissens den Übersetzern in die Schuhe schieben - so kommt man nicht um die Tatsache herum, dass viele Menschen dies als eines der besten Videospiele aller Zeiten betrachten. Das muss doch einen Grund haben, oder? Und was hat dieses Spiel damals mit mir angestellt? Hier ergibt sich endlich mal wieder eine Chance, ein Plädoyer für Videospiele zu bringen, die mittlerweile seit vielen Jahren im Ruf stehen, aggressiv zu machen und Amokläufe an Schulen zu motivieren, ignorant völlig ungeachtet anderer einflussgebender Faktoren.
1993 war ich zehn Jahre alt. Es muss dann, oder aber ein paar Jahre später gewesen sein, dass ich SoM auf meinem Super Nintendo Entertainment System gespielt habe - das SNES war damals ein Verkaufsschlager, der aus Japan kommend die Welt im Sturm erobert hatte. Videospiele waren damals noch nicht so weit verbreitet wie heute. Das war neu, wenngleich das NES oder der Gameboy vorweg gegangen sind und auch auf den PCs und Amigas dieser Welt Spiele immer mehr Fans gefunden hatten.
Damit begann das Abenteuer... (PS4-Version) |
In SoM, einem klassischen RPG (role playing game), übernimmt man die Rolle eines namenlosen Jungen, der auszieht, um die Welt vor dem Untergang zu bewahren. Namenlos, klingt doof, war aber ziemlich genial - denn so konnte man sich selbst aussuchen, wie man seinen Helden nannte, solange dieser Name nicht länger als sechs Buchstaben war. Und so kam man dann auf Namen wie ÖTTI, DEIDÄH, PHIGGY, HOPSE, POMSAH und all' möglichem anderem Kram. Dazu kam, dass man nicht allein unterwegs war; im ersten Viertel des Spiels lernte man schnell zwei Begleiterinnen kennen, eine verwöhnte, sehr tussige Prinzessin und eine freche Koboldin, die unseren Helden damals mit "Hey, alte Socke!" begrüßte - was vom Helden dann kommentiert wurde mit "Alte Socke??? Ich heiße TRULLA!" - oder was auch immer man sich für Namen überlegt hatte.
Das war mehr als nur cool, denn diese Grundidee erlaubte, das Spiel zusammen mit einem Freund zu spielen - oder, und das war damals wirklich bahnbrechend, sogar zu dritt. Internet gab es damals nicht, MMORPGs hatte man noch nie gehört. Und das hat extrem viel Spaß gemacht - so habe ich damals mit meinen Nachbarinnen immer wieder gern die Welt gerettet, mit immer wechselnden Rollen. Mal habe ich den schwertschwingenden (oder Peitsche, oder Axt, oder jegliche andere der insgesamt acht Waffentypen) Helden gespielt, mal eine seiner Begleiterinnen, die über Magie verfügten.
Ganz neue Blickwinkel! |
Das ganze Spiel hatte so Vieles, was dafür sprach. Was damals noch nicht so verbreitet war, und infolge des riesigen Erfolgs in Auszügen gern kopiert wurde. So gab es ein einfaches, trotz seiner Komplexität sehr schnell zugängliches Ringmenü, actionreiche Kämpfe, knallbunte Farben (auch das war damals ungewöhnlich und wurde sehr positiv aufgenommen), eine wunderschöne, abwechslungsreiche Spielmusik, eine dramatische Story, liebenswürdige Charaktere, vielfältige Landschaften...
...und die haben damals eben nicht meine Gewaltbereitschaft angeregt, sondern meine Fantasie. Ich habe Geschichten geschrieben, in denen ich die Welten oder Ereignisse aus SoM verarbeitet habe, weil mich das alles stark inspiriert hat. Ich konnte Stunden vor dem Bildschirm verbringen, ich konnte das Spiel mehrfach hintereinander spielen, ohne, dass es mir irgendwann langweilig wurde. Die unterschiedlichen Kampfstrategien, die Möglichkeit, den spielbaren Charakter während des Spiels frei zu wechseln, das ergab einen großen Wiederspielwert.
Dass das Spiel jetzt fünfundzwanzig Jahre auf dem Buckel hat, macht es keineswegs altmodisch oder gar langweilig. Im Gegenteil: Es war eines der ersten Videospiele, die ich mit der großen Buba zusammen gespielt habe, und sie war begeistert. Wir hatten so viel Spaß daran, immer daneben zu hauen ("Nicht auf den Busch schlagen!" - "Nicht in's Wasser laufen!" - "Geh' endlich tot!" - "Oh deidäh, ich bin Steidäh!" - "Kist-HÄH? Dei-DÄH!"), und genau so ging es damals auch meinen Nachbarinnen.
Die oben genannten Faktoren haben dafür gesorgt, dass das Spiel auch heute noch bei vielen Kritikern auf der Liste der besten Videospiele ganz weit oben erscheint. Grund genug, dass ein paar Entwickler sich entschieden haben, das Spiel fünfundzwanzig Jahre später neu aufzulegen, in einer hochauflösenden Version in 3D für die PS4 und den PC. Dass das Spiel meine Jugend so intensiv geprägt hat, hat dazu geführt, dass ich flammend voller Vorfreude auf die Veröffentlichung dieses Remakes gewartet habe und natürlich äußerst kritisch damit in's Gericht gegangen bin. Zeit für ein kleines Resümee.
Neue optionale Outfits ;-) |
Grafik
Genau wie früher sind die Farben in der modernen Version knallbunt, lebhaft und strahlen einem entgegen. Es ist schön zu sehen, dass die Entwickler sich nicht für einen hyperrealistischen Stil entschieden haben - auch wenn dieser Faktor bei manchen Spielern zu viel Kritik geführt hat, denen die neue Grafik nicht genügend aufgemotzt war. Ich persönlich finde es eine gute Entscheidung, dass man nicht zuviel verändert hat. Die schönsten Überraschungen stecken in den kleinen Details: Die Zauberanimationen sind noch funkelnder und vielfältiger als im Original geworden. Die Gestaltung der Oberwelt, die man ab Erhalt des Flugdrachens bereisen kann, ist schöner und detaillierter geworden. Was ich dagegen vermisse, sind die Flüge mit den Canoni-Brüdern. Es gibt sie immer noch, allerdings sieht man nicht mehr, wie man von Punkt A hoch durch die Luft nach B geschleudert wird, mit einem flüchtigen Blick über die Weltkarte. Ich fand das damals immer ganz aufregend. Für mich überwiegen die positiven Faktoren in der Neuauflage, das brillantere Wasser, die detailliertere Ausgestaltung der insgesamt zweiundsiebzig verschiedenen Waffen (acht Typen in je neun Versionen), die Gestaltung der Gegner.
Die Koboldin - damals und heute |
Sound
Hier sind die größten Neuerungen zu verzeichnen. Zunächst einmal wurde der gesamte Soundtrack neu eingespielt. Viele Stücke klingen wesentlich tiefer, umfangreicher orchestriert, teilweise nicht ganz so aufdringlich wie im Original. Hier scheiden sich die Geister; zum größten Teil gefallen mir die neuen Stücke sehr gut, es gibt aber auch Situationen (wie z.B. die Manafestung), in denen mir das Original besser gefallen hat. Allerdings hat man im während des Spiels jederzeit frei zugänglichen Optionsmenü die Möglichkeit, zweischen der Originalmusik und der des Remakes zu wechseln, ein netter Touch. Die Soundeffekte sind wesentlich umfangreicher gestaltet worden. So wird der Auftritt jedes Elementargeistes mit passenden Geräuschen versehen, die Zauber sind aufwendiger ausgestaltet.
Die einschneidendste Veränderung findet sich allerdings in der Sprachausgabe. Damals, 1993, konnte man von so etwas nur träumen, und so wurden alle Unterhaltungen ausschließlich in Textform dargestellt, wobei man immerhin in der Ausgestaltung der Textfenster Veränderungen vornehmen konnte. In der neuen Version sind sämtliche Textzeilen in japanischer und englischer Sprachausgabe enthalten. Das betrifft nicht nur die plotrelevanten Unterhaltungen, sondern jeden noch so kleinen Nebencharakter. Das ist einfach toll mitzuerleben und gibt dem Spiel wesentlich mehr Pep, gerade durch die Verwendung der Stimmen im Kampf. Man darf allerdings die Wahl der Sprecher in Zweifel ziehen. Ein paar (der englischen Sprecher) machen ihren Job recht gut, viele allerdings klingen unmotiviert und für die jeweiligen Charaktere unpassend besetzt. Wenn man darüber hinwegsehen kann, hat man allerdings sehr viel Spaß an den mit deutlich mehr Humor aufgemotzten Unterhaltungen.
Auch hier der Vergleich zwischen Remake und Original |
Gameplay
Im Wesentlichen hat sich am Gameplay nichts geändert. In der Neuauflage hat man die Wahl, von jedem Gegenstand vier, acht oder zwölf Items mitführen zu können; im Original war das Maximum auf vier festgelegt, was damals den Schwierigkeitsgrad je nach Spielererfahrung etwas erhöht hat. Das macht die Neuauflage zu einem deutlich einfacheren Spiel; überhaupt hatte ich den Eindruck, dass sehr viele Kämpfe leichter geworden sind als damals. Allerdings hat man den Schwierigkeitsgrad auch selbst gut unter Kontrolle: Wer alle Waffen und Zauber so früh wie möglich so weit wie möglich auflevelt, der wird das Spiel ohne große Probleme beenden. Wer schneller durchgeht, könnte hier und da Probleme bekommen. Mich hat der leichte Schwierigkeitsgrad nicht gestört, aber es finden sich viele Stimmen im Internet, die daran Anstoß nehmen.
Eine fantastische Neuerung sind die Plaudereien der drei Hauptfiguren. Fast jedes Mal, wenn man in einem Hotel übernachtet, führen sie ein kleines Gespräch vor dem Schlafengehen. Das können plotrelevante, ernsthafte Unterhaltungen sein, oft aber dienen sie als comic relief und zur Charakterisierung der Figuren, indem die Prinzessin wie eine sehr verwöhnte Göre rüberkommt und die Koboldin als rotzfreches Ding. Ich bin jedenfalls davon sehr begeistert; vor allem gen Ende des Spieles tauchen in diesen Unterhaltungen sehr viele tongue in cheek-Sprüche auf, Kommentare zur eigenen Neuauflage des Spiels oder sarkastische Anmerkungen zu Kritikern des Originals und weiteres. Hierzu gebe ich keine Beispiele; es macht sehr viel Spaß, das selbst zu entdecken.
Ich bin sehr zufrieden, dass die letzten Waffenorbs, die sich durch Besiegen von Gegnern in der Manafestung finden lassen, diesmal einfacher zu bekommen sind. Ich weiß noch genau, wie ich damals Stunden gebraucht habe, um nur eine einzige Waffe zu ihrer stärksten Form zu verbessen, und ich hatte es nie geschafft, die Axt auf das Maximum zu bringen. Diesmal geht das einfacher.
Außerdem finde ich es gut, dass diesmal die Zusatzeffekte mancher Ausrüstungsgegenstände angezeigt werden - wenn diese zum Beispiel vor Zustandveränderungen schützen können. Auf diese Weise achtet man nicht immer nur darauf, welche Teile den höchsten Abwehrwert bieten, sondern kann sich vor Attacken der Gegner besser schützen.
Ich finde es etwas schade, dass die Entwickler nicht die Chance genutzt haben, zusätzliche Spielinhalte hinzuzufügen, wie zum Beispiel einen post game content oder new game plus. Diese Entscheidung mag einher gegangen sein mit dem Beschluss, nicht allzu viel am Originalcharakter zu ändern (was sich, wie gesagt, auch in der Grafik widerspiegelt) - ich hatte allerdings tatsächlich mit irgend einem Zusatz gerechnet.
Es macht einen Riesenspaß, die hübschen Orte zu erforschen! |
Was mich begeistert, ist die Autosave-Funktion, die bei Spielen seit einigen Jahren immer populärer geworden ist. Noch immer hat man die Möglichkeit, bei Übernachtungen einen Speicherstand anzulegen, aber wann immer man eine Region wechselt, wird zusätzlich ein automatischer Speicherstand angelegt. Das schützt vor Frust und ist zu diesem Zeitpunkt absolut notwendig, denn...
...ein großes ABER!
Leider ist die Neuauflage komplett verbugt. Ein erstes Update ist bereits zur Verfügung gestellt worden, aber noch immer stürzt das Spiel mit recht hoher Frequenz ab. Man sollte mit einem Neustart alle halbe Stunde rechnen. Das kann extrem frustrierend sein und verärgert vollkommen zu Recht die Fangemeinde da draußen. Ich hoffe, dass durch die sehr vielen Rückmeldungen (die bei einem Absturz direkt an die Entwickler gesendet werden können) das Team bereits mit Hochdruck an Lösungen arbeitet und bald weitere Patches erscheinen, die diese Abstürze verhindern können. Gerade aus diesem Grund bin ich heilfroh, dass es die Autosave-Funktion gibt und man nie viel Spielfortschritt verliert.
Fazit
Secret of Mana gilt nicht umsonst als eines der besten Videospiele, die je entwickelt wurden. Ich finde, dass durch die Neuauflage dieser Ruf noch zementiert wird. Ich bin sehr begeistert, hatte verdammt viel Spaß beim Durchspielen, bin durch die Sprachausgabe noch tiefer in die emotionale Geschichte hineingezogen worden, habe die zusätzliche Charaktertiefe genossen. Die Systemprobleme nerven, das ist klar, und werden hoffentlich bald behoben werden. Aber ich freue mich schon jetzt riesig darauf, die Neuauflage mit der großen Buba zusammen zu spielen und wieder das ganze Haus gründlich durchzuspülen.
Nfufufu!
post scriptum: "Kist-HÄH?!"
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