So, nun habe ich mich also entschlossen, diese Geschichte stückweise zu veröffentlichen. Bei "Beteigeuze" habe ich es damals so gemacht, dass ich abwechselnd die Geschichte und andere Beiträge gepostet habe, ich denke, so werde ich es auch dieses Mal machen. Erwartet kein Meisterwerk, klar? ;-) Das war damals nur eine Fingerübung eines Oberstufenschülers...
Kapitel
1 - Vergangenheit
„Ethan
hatte sich damals im Juli wie schon so oft also entschlossen, ins
Schwimmbad zu gehen – eigentlich nichts Besonderes. Zumindest, wenn
man das Grünauer Schwimmbad kannte. Mit einem Safarium in der
Eingangshalle war es schon ein Besuchermagnet. Und eigentlich konnte
Ethan ja nichts dafür, dass ausgerechnet er so neugierig war und nur
aufgrund einer Falltür im Schwimmbecken – und ich bin mir noch
immer sicher, dass er sich diesen Schwachsinn ausgedacht hat – eine
Bombe im Schwimmbad entdeckt hat. Er hat dann auch noch den
Bombenleger gestellt, unglaublich! Und nachdem die Polizei das
halbzerstörte Schwimmbad endlich erreicht hatte, war Ethan schon
wieder unterwegs. Sein Auftreten war natürlich vom Bademeister nicht
unbemerkt geblieben, und der war sauer! Klar, dass Ethan sofort die
Flucht angetreten hat. Aber nun wird es verwirrend. Nachdem Ethan in
einem Ort mit Namen Ziehl angekommen war und sein Fluchtauto den
Geist aufgegeben hatte, fand er dort auf einem Feld eine
Zauberformel. Klar, ich kann zaubern und viele andere hier auch, aber
Ethan war ja nicht von hier. Er kam aus Grünau – und Grünau war
ebenso wie Ziehl ein Ort der Parallelwelt. Das mag seltsam klingen
und war für mich damals auch ein ziemlicher Schock, aber so war es
nun mal. Ziehl ist ein Ort einer Welt, in der es keine Magie gibt.
Faszinierend, oder? Na ja, jedenfalls hatte Ethan diesen Zauberspruch
gefunden und sprach ihn daraufhin aus. Dadurch wurde er in unsere
Welt, zu mir nach Hause, nach Dandera katapultiert, genauer gesagt:
Vor unseren Flughafen.“
Sie
zögerte. Es war schon ein riesiger Zufall, dass er ihr genau vor die
Füße gefallen war.
„Und
wie es das Schicksal so wollte, war es der Tag, an dem ich mit meinen
Freunden Betsy und Jake meine Urlaubsreise anging. Das wollte ich
zumindest, aber auf dem Flughafen gab es irgendwelche Probleme. Wie
sich später herausstellte, hatte der Bademeister von der
Parallelwelt her einen Fluch über unser Land gelegt. Ich will gar
nicht erst von den Strapazen anfangen, die wir auf uns nehmen
mussten, damit dieses Problem endlich aus der Welt geschafft wurde.
Wenn ich nur an den brennenden kleinen Tim Green denke, oder Derek
Hartfort, den wir zum Selbstmord getrieben hatten, oder an Frau
Turtula, die sich als Drahtzieher hinter dem Bademeister-Komplott
herausgestellt hatte! Ich war sogar schon tot! Ethan, dieser
Vollidiot (Ach, Buch, irgendwie war ich ja doch in ihn verknallt) hat
mich auf eine Kirche geschickt, über der mal wieder ein Fluch lag.
Der hat mich dann erwischt und im wahrsten Sinne des Wortes zerstört.
Eingefroren und zerschmettert – es war die schlimmste Erfahrung
meines Lebens, tot zu sein. Aber Ethan hat mich dann ja auch
gerettet, mit der Hilfe des Phoenix bin ich wieder auferstanden. Das
klingt verrückt, aber ich würde auch von niemandem verlangen, diese
Geschichte zu glauben. Wir haben es jedenfalls geschafft, alle Flüche
und grausamen Gegner zu besiegen. Mann, war das ein Trip – und
deswegen hab ich mir ja auch dann endlich meinen Urlaub gegönnt. Ich
weiß aber nicht genau, was mich hierher gezogen hat. ,Ausgerechnet
England!´ hat meine Schwester gesagt. Warum denn nicht? Ist England
vielleicht nicht weit weg genug, oder was? Manchmal treibt Ruth mich
in den Wahnsinn, denke ich zumindest. Nachdem ich erfahren hatte,
dass es diese Parallelwelt gibt, hat es mich gekitzelt und ich habe
mich mal umgeschaut. Diese Welt ist mit meiner fast identisch! Nur,
dass Mendozar hier England heißt und noch ein paar andere Sachen
ganz komisch sind. Aber gerade deswegen war es ja so verlockend,
hierher zu reisen. Nur leider kann ich hier nicht mehr zaubern. Das
bringt schon Umstellungen mit sich. Man muss so vieles selbst machen…
Ach was, Mädel, jetzt sei mal nicht so faul! Und jetzt werde ich
nach draußen gehen und mir den schönen Sonnenuntergang anschauen.“
Sie
überlegte kurz, während sie durch das Fenster nach draußen
schaute. Warm wehte der Sommerwind herein.
„Ich
bin sicher, dass ich zwei zauberhafte Wochen hier verbringen werde.
Verstanden? Zauberhaft, haha“, waren die letzten Sätze, die Vivien
in ihr Tagebuch schrieb, bevor sie es zuklappte.
Kapitel
2 – Gegenwart
Daraufhin
legte sie es an einen sicheren Ort, wo es keiner finden würde. Das
übliche Versteck ihres Tagebuchs war schließlich mehrere hundert
Kilometer entfernt, also musste eine Alternative gefunden werden.
Vivien blinzelte. Die Abendsonne stand so niedrig, dass sie durch das
Fenster direkt auf ihre Augen traf. Ein wunderschöner Sommer! Sie
verließ ihre Ferienwohnung, schloss ab und steckte den Schlüssel in
die rechte Hosentasche. So verliere ich ihn garantiert nicht, dachte
sie bei sich. Doch noch bevor Vivien das Grundstück verlassen hatte,
war der Schlüssel durch ein Loch in der Tasche herausgefallen, ohne
dass sie es bemerkte.
Sie
ging der Dämmerung entgegen über einen steinigen Pfad Richtung
Küste, während sie die letzten Tage Revue passieren ließ. All die
Hektik, nachdem die Flughafenaffäre geregelt war, die überstürzte
Abreise… aber es hatte sich gelohnt. Nun war Vivien endlich am Ziel
angekommen, in einer kleinen, verschlafenen Provinz an der Westküste
Englands, deren Namen sie nicht einmal aussprechen konnte. Das war
aber auch egal, denn sie hatte, was sie wollte: Ruhe. Und einen
schönen, inspirierenden Sonnenuntergang, den man am besten von der
nicht einmal einen Kilometer entfernten Küste sehen konnte. Langsam
ging sie weiter. Tim und Sally, ihre beiden Wohnungsnachbarn, kamen
ihr entgegen. „Hi Vivien! Willst du auch das Abendrot genießen?“
fragte Tim. „Es ist unglaublich dieser Tage. Die Sonne spiegelt
sich auf dem Meer wieder und alles ist in ein feuerrotes Licht
getaucht.“ Vivien musste schmunzeln. „Jaja, Tim, das kennen wir.
Das Licht wird natürlich unter gewissen Voraussetzungen noch bunter,
nicht wahr?“ meinte sie und deutete auf den Picknickkorb, den Sally
trug. Sie war sich sicher, dass er wie so oft die übliche Flasche
Champagner enthielt. Die beiden waren eben Genießer! Sally gab sich
empört: „Also Vivien, du willst uns doch hoffentlich keine
Trinkeskapaden unterstellen, oder? Du weißt genau, dass wir es uns
nun mal gerne gemütlich machen, und ein kleines Gläschen Schampus
rundet einen Abend wie heute einfach ideal ab.“ „Ist ja schon
gut, ich lass euch mal weiterziehen. Ich will schließlich auch noch
zur Küste, bevor es dunkel ist.“ „Na, dann beeil dich mal“,
rief Tim hinter Vivien her. Zusammen mit Sally machte er sich auf den
Heimweg.
Das
Feuer war wirklich atemberaubend. Vivien musste aufpassen, dass sie
nicht zu lange in die Sonne starrte, aber der Anblick ließ einen
nicht los. Sie stand an einer der vielen Steilklippen, wie es sie in
der Gegend so oft gab. Die See unter ihr war ziemlich ruhig. Die
Harmonie, die dadurch entstand, brachte Vivien schließlich dazu,
sich ins Gras zu legen und die Augen zu schließen. In ihren Gedanken
war alles ganz still und friedlich. Nochmals sah sie die Schrecken
von vor einer Woche – der Bademeister mit seinem geradezu
teuflischen Hund und die Rache der Frau Turtula. Diesmal jedoch waren
sie alle ganz ruhig und freundlich. Noch während sich Viviens
Gedanken neu ordneten, übermannte sie der Schlaf. Sie wurde erst
wieder von einem Geräusch geweckt, das sich wie Schiffshörner
anhörte.
Tatsächlich!
Vivien blickte langsam auf. Es war schon sehr dunkel, eine
sternenklare Nacht. In der Ferne zeigten sich schemenhaft die Umrisse
eines Schiffes. Es war ziemlich frisch geworden und ein kühler Wind
streifte durch Viviens Haar. Sie stand auf und ging bis an die
Klippe, um das Schiff besser erkennen zu können. Weit unter ihr
ruhte die See. Ihr Blick wanderte hinauf zum Mond. Er stand voll am
Himmelszelt und erleuchtete die Nacht. Langsam zogen jedoch ein paar
einsame Wolken auf und der Wind wurde ein wenig forscher. Das Schiff
kam unmerklich langsam näher. Vivien überkam ein Schaudern.
Unfreiwillig drehte sie sich um; sie hatte das Gefühl, als würde
sie beobachtet. Aber hinter ihr lag ein freies Feld und es war
niemand dort. Nur sie allein, die mitten in der Nacht an einer Klippe
stand und auf ein schwarzes Schiff schaute. Was machte dieses Schiff
hier? Der nächste Hafen war mindestens 25 Kilometer entfernt, und
warum hielt dieses Schiff weiter Kurs auf die Klippen? Es würde
auflaufen, wenn es weiterhin geradeaus hielt. Aber was geht mich das
an, dachte Vivien. Doch obwohl der Wind immer stärker wurde und sie
stark zu frösteln begann, hielt ihre Neugier sie an der Klippe fest.
Was würde wohl mit dem Schiff passieren? Würde es den Kurs ändern?
Was war das überhaupt für ein Schiff? Es war nun so nahe, dass sie
mehr davon erkennen konnte. Zwei große Segel waren gespannt, aber
irgendwas war mit ihnen nicht in Ordnung. Und das ganze Schiff war
schwarz – nicht ein einziges Licht oder Lebenszeichen. Viviens
Gedanken wanderten automatisch zurück zu den Zeitungsartikeln, die
sie seit ihrer Ankunft gelesen hatte, und natürlich waren auch die
Dorfbewohner nicht gerade zurückhaltend mit den Nachrichten vom
Verschwinden mehrerer Menschen umgegangen. An der Westküste Englands
sollen vereinzelt Menschen verschwunden und nicht mehr aufgetaucht
sein. Seit mehreren Jahren schon, aber es war höchstens ein
harmloser Einwohner pro Jahr, dessen Fehlen ungeklärt blieb. Die
Behörden haben diesen Fall schnell als unwichtig abgetan; vielleicht
war es mal ein Betrunkener, der von den Klippen gestürzt ist oder
Ähnliches. Dem ist man nie weiter nachgegangen. Aber was um alles in
der Welt konnte das mit einem Schiff zu tun haben? Vivien verwarf den
Gedanken, das war doch nur ein altes Schiff auf dem Meer! Sie setzte
sich ins kühle Gras und beobachtete das seltsame Schiff. Sie
bemerkte nicht einmal, wie immer mehr Wolken am Himmel zusammenzogen.
Davon offensichtlich unbeeindruckt schien der Mond weiter und
erhellte das unheimliche Szenario.
Plötzlich
lag das Schiff direkt vor der Küste. Vivien stand wieder auf und
ging bis zur Kliffkante. Auf dem Deck war niemand zu sehen. Es
schien, als stünde das Schiff auf dem Meer. Es übte eine seltsame
Faszination auf Vivien aus – oder war es mehr als das? Vivien
fühlte sich von dem Schiff angezogen, aber nicht nur ihr Geist, ihr
ganzer Körper wurde wie von einem Magneten von diesem seltsamen
Schiff angezogen. Mittlerweile stürmte es und ein starker Wellengang
brachte das Schiff zum Schaukeln. Und dann geschah das Unfassbare.
Vivien ging über die Klippe. Aber sie fiel nicht ins Wasser, sondern
schwebte nur ein paar Meter von der Klippe entfernt hoch über den
spitzen Felszacken, die aus dem Wasser ragten. Verwirrt drehte sie
sich zur Klippe um, wobei sie fast der Schlag traf. Sie sah sich
selbst, ihren eigenen Körper, an der Klippe stehen und aufs Meer
hinausschauen. Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen, doch zu
weiteren Gedanken blieb Vivien keine Zeit. Sie sah, wie sich jemand
in dunkler Kutte von hinten an ihr zweites Ich auf der Klippe
heranschlich. Sie wollte rufen und sich selbst warnen, doch es kam
kein einziger Ton über ihre Lippen. Die dunkle Gestalt trat immer
näher, ein langer Gegenstand blitzte in ihrer rechten Hand auf. Sie
hob den Arm und stieß Vivien den Gegenstand in den Rücken. Da sie
noch immer in der Luft schwebte, musste Vivien hilflos mitansehen,
wie sich eine Lanze durch die Brust ihres zweiten Ichs bohrte. Sie
erlebte ihre eigene Ermordung mit. Die verhüllte Gestalt riss die
Lanze aus der Brust und verschwand mit langsamen Schritten in der
Dunkelheit. Der durchbohrte Körper sackte zusammen und stürzte über
die Klippe auf die Felsen und ins Wasser. Bevor Vivien darüber
nachdenken konnte, was soeben geschehen war, merkte sie, wie ein
unheimlich starker Sog sie ergriff. Das Schiff unter ihr machte Fahrt
aufs offene Meer mit einem unheimlichen Tempo. Vivien flog hinterher
und wurde immer stärker von dem Schiff angezogen. Sie stieß mit dem
Kopf gegen einen Mast und fiel zuerst auf das Schiffsdeck und dann in
eine tiefe Ohnmacht. Als sie wieder erwachte, herrschte um sie herum
eine Totenstille.
Fortsetzung: Erster Tag (Kapitel 3-5)
Fortsetzung: Erster Tag (Kapitel 3-5)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen