"Der Philanthrop" |
Nach dem ganzen Hickhack der letzten Tage mit diesem dämlichen Hakenkreuz-Bild über dem letzten Post möchte ich Euch heute einen interessanten Menschen vorstellen, den ich in der AfD sicherlich nicht finden werde. Oben auf dem Bild ist ein Kunstwerk abgebildet, es stammt von Inar Czora und befindet sich in Pinneberg im schönsten Bundesland der Welt. Es ist Der Philanthrop.
Das Wort klingt schon mal griechisch, und weil Herr Leinhos so wunderbar erklären kann, würde er seinen Schülern wohl erklären, dass in dem Wort zwei Bausteine sind, nämlich "phil" und "anthrop". Und sie bedeuten in etwa "Liebe/Zuneigung" und "Mensch". Wie man daraus einen Charakter erschaffen kann, versuche ich heute darzulegen.
Der Philanthrop sitzt auf einem Ende der Bank. Er hat das Bein übergeschlagen und scheint jemanden anzuschauen, doch der Rest der Bank ist leer. Sein Gesichtsausdruck ist freundlich. Er schaut seinen Gesprächspartner an. Er schaut nicht auf sein Handy und er hat auch keine Kopfhörer auf den Ohren. Phubbing? So etwas kennt er nicht. Er interessiert sich für seinen Gegenüber und signalisiert das durch mehr als nur sein Lächeln; sein Arm auf der Rückenlehne der Bank macht eine einladende Handbewegung. Seine gesamte Körperhaltung lässt sich als "offen" beschreiben. Er verschränkt nicht die Arme, hält sie nicht wie einen Schutzschild vor sich, er wendet seinem Gegenüber nicht den Rücken als Panzer zu.
Er schaut seinen Gegenüber nicht nur an und läd ihn durch seine Körpersprache zur Kommunikation ein, nein, er unterhält sich auch mit ihm. Er hört ihm genau zu, weil er sich wirklich für jedes Wort seines Gesprächspartners interessiert. Weil er sich für ihn interessiert. Und deswegen deckt er ihn nicht mit Erzählungen über sich selbst ein, sondern leiht ihm ein Ohr, bietet ihm, was er von anderen Menschen scheinbar nicht bekommen konnte. Der Philanthrop ist aufmerksam, freundlich, offen und authentisch. Ja, authentisch, denn das Interesse in diesem Gespräch ist nicht geheuchelt. Es wird deutlich, dass der Philanthrop Menschen mag, dass er gern mit ihnen spricht.
Hat es eigentlich einen Grund, dass in der Skulptur kein Gesprächspartner enthalten ist? Natürlich! Denn jeder Mensch kann auf dieser Bank Platz nehmen, jeder Mensch kann sich mit dem Philanthropen unterhalten. Der Philanthrop bleibt offen, zugewandt, freundlich, unabhängig davon, wer sich zu ihm setzt. Er schaut nicht abfällig auf sozial Schwächere. Er interessiert sich ungeheuer für fremdländische Kulturen (genauso wie es auch in jenen Kulturen Philanthropen gibt, die sich für ihn interessieren würden). Er lädt jeden zum Gespräch ein, ob arm, ob reich, groß oder klein, gut oder böse.
Doch just in diesem Moment erhebt der Philanthrop den Zeigefinger und schüttelt den Kopf. Böse Menschen? Es gibt keine "bösen" Menschen, das ist seine grundfeste Überzeugung. Denn er folgt einer zutiefst humanistischen Idee: "Jeder Mensch ist an sich gut." Auch wenn ihm vielleicht sein Verhalten hier und da nicht gefällt, so weiß der Philanthrop, dass der Andere gut ist.
Der Philanthrop hat keine Angst vor Menschen. Der Philanthrop unterhält sich auch mit seinem Liebesrivalen, denn er steht über diesen Dingen. Er unterhält sich auch mit den Menschen, die ihn in seiner Jugend gemobbt haben, denn er weiß, dass sie dafür ihre Gründe gehabt haben und sie tun ihm Leid. Denn der Philanthrop weiß, genau wie der olle Terenz es vor über zweitausend Jahren gewusst hat:
Homo sum. Humani nil a me alienum puto.
Ich bin Mensch. Mir ist, so glaube ich, nichts Menschliches fremd.
Denn er weiß, wie es ist, geschlagen zu werden, gehasst zu werden, ausgegrenzt zu werden, angefeindet zu werden, benachteiligt zu werden, gejagt zu werden. Und er möchte dieses Gefühl niemandem auf dieser Welt antun. So bleibt er mit sich im Reinen.
Bist Du ein Philanthrop?
post scriptum: Ein Bild dieser Skulptur zierte das Titelblatt meines Portfolios im Referendariat, ebenso wie der Terenz-Vers. Und dann finden sich in Gutachten und Stellungnahmen Passagen wieder wie "Es wird deutlich, dass Dr Hilarius Kinder und Jugendliche mag und gern mit ihnen arbeitet." - Und ich habe das damals, als ich das Gutachten erhalten habe, nur für Phrasendrescherei gehalten. Aber so langsam verstehe ich, wie das gemeint ist, und ich bin unheimlich zufrieden und ausgeglichen.
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