Montag, 4. September 2017

Der Teufel und die Fliegen: Beweisführung


Heutiger Beitrag entsteht in Anspielung auf jenen vor ein paar Tagen, in dem ich eine These aufgestellt habe: Ich komme nur an eine Schule, wenn dort wirklich Vertretungsnot besteht. Bei Planstellenausschreibungen nimmt mich niemand. Und heute hat mich ein Anruf erreicht, der das unterfüttern könnte.

Es war einmal vor etwa vier Jahren, da wurde an der Eliteschule (natürlich habe ich die Namen der Schule und Schulleitung geändert) ein Lateinlehrer gesucht. So hat also Frau Anstand, die Schulleiterin, damals eine Planstelle ausschreiben können mit der Fächerkombi "Latein/beliebig" - und es ist nun mal so, dass bei so einer Ausschreibung... wie die Fliegen zur Scheiße hin... also, es gab etwas über dreißig Bewerbungen. Frau Anstand konnte sich damals wirklich die Besten aussuchen - mehr als zwanzig Kandidaten wurden noch nicht einmal zum Vorstellungsgespräch eingeladen.

Dafür hat der HB Verständnis, er würde kein SL sein wollen.

Frau Anstand hat sich zehn Kandidaten in die Eliteschule bestellt, darunter auch Dr Hilarius, der sich - damals noch vollkommen unbeleckt, was den Arbeitsmarkt angeht - riesig gefreut hat und seine Chance gesehen hat. Um alles richtig zu machen, hat er sich angezogen, wie es sich gehört, und natürlich keinen Nagellack auf den Fingern, man soll ja Vorbild sein. Und wie das nun mal so ist bei diesen standardisierten Auswahlgesprächen: Der HB fragt sich, welche Antworten jetzt genau gehört werden wollen. Dr Hilarius versucht, seine Sache möglichst gut zu machen, und erhält dann zwei Tage später folgende Rückmeldung von Frau Anstand:

"Sehr geehrter Dr Hilarius,
ich danke Ihnen für die Teilnahme an den Auswahlgesprächen, muss Ihnen aber leider mitteilen, dass wir uns für einen Ihrer Mitbewerber entschieden haben (soweit vollkommen standardisierte Antwort). Wir sind immer offen für frischen Wind im Kollegium, aber er muss in einer für uns erträglichen Windstärke pusten.
(und das restliche Blabla)"

Natürlich ist damals eine Welt zusammengebrochen, es ist jedesmal eine kleine Katastrophe, wenn jemand Anderes genommen wird. Und mir war klar, okay, das ist halt die Eliteschule, da passe ich offensichtlich nicht hin. Das hat Frau Anstand mit einer Wortwahl klargemacht, die für sich selbst spricht.

Heute vormittag klingelt das Telefon. Ich gehe nicht ran. Ich gehe nie ran, wenn ich nicht weiß, wer dran ist, aber das ist ein anderes Thema. Aha, eine Nachricht auf dem AB, soll ich das jetzt schnell machen? Nein, ich muss zur Sannitanic, ich sollte ein bisschen beim Schränkeauseinanderbauen helfen (tolles Wort). Ich schau' mir nur kurz die Telefonnummer an. Ach, die Vorwahl klingt wie ganz in der Nähe. Und heute ist ja erster Schultag. Ich kann ja mal googeln, aus welcher Region diese Vorwahl kommt - und mir fällt alles aus dem Gesicht! Nein, das kann nicht sein. Ich googele schnell die Telefonnummer...

Tatsache, es ist Frau Anstand. Frau Anstand sucht eine Vertretungskraft für Englisch, mit lächerlichem Stundenumfang. Die große Buba weiß genau, was in dem Moment in meinem Kopf abgegangen ist. Ich musste mich zur Ruhe zwingen und bin erstmal zur Sannitanic zum Helfen gefahren.

Vielleicht kann man nachempfinden, was für ein Genuss es war, folgende Mail dann aufzusetzen:

"Sehr geehrte Frau Anstand,
ich erinnere mich noch recht gut an meine letzte Bewerbung an Ihrer Schule, in deren Rückmeldung Sie mir mit deutlichen Worten klargemacht haben, dass ich weder an Ihre Schule, noch in Ihr Kollegium passe ("frischer Wind in unerträglicher Windstärke"). In Rückschau des Bewerbungsgespräches bin ich damals zu dem Schluss gekommen, dass Sie wohl damit vollkommen Recht haben, und das wird sich bis heute nicht geändert haben. Um also weder Sie noch jemanden Ihrer Mitarbeiter in Verlegenheit zu bringen, bitte ich Sie, nach einer geeigneteren Vertretungskraft zu suchen.
Herzliche Grüße,
Dr Hilarius"
Es hat so gut getan.
Diese Gedanken: "Ach, jetzt bin ich auf einmal gut genug? In der Not stellt man auch einen Dr Hilarius ein, richtig? Warum gerade ich, fanden sie das Gutachten verlockend? Gibt genügend andere arbeitslose Lehrer im pbOn."
Damit wir uns nicht missverstehen: Mir ist klar, dass Frau Anstand sich überhaupt nicht mehr an mich erinnern wird, dazu hat sie mit viel zu vielen Menschen zu tun. Und ich weiß, dass sie mich angeschrieben hat, weil ich im System halt relativ weit oben auftauche. 

Es ging mir nur darum, herauszustreichen, welche Genugtuung mir diese Antwortmail bereitet hat. Und es ist ein schönes Beweisstück für den vorherigen Beitrag über den Teufel und die Fliegen.

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