Dienstag, 26. September 2017
Bye bye, Kirche!
Evangelisch ist jetzt nicht mehr - oder war ich das überhaupt jemals?
Heute bin ich aus der Kirche ausgetreten. Getragen habe ich mich mit dem Gedanken schon seit Jahren, aber ich war wohl immer zu faul dazu. Nun, in dieser erneuten Phase der Arbeitslosigkeit, hatte ich viel Zeit zum Nachdenken über die Frage, warum ich überhaupt Mitglied der evangelischen Kirche bin.
Das wurde irgendwann einmal von jemandem festgelegt, der offensichtlich über diesen Aspekt meiner Identität entschieden hat, ich wurde nicht gefragt, da ich noch zu jung war, und so wurde ich dann auch getauft. Ich habe nie darüber nachgedacht, habe es auch anfangs nie in Frage gestellt. Ich habe den Konfirmandenunterricht mitgemacht, weil ich dachte, dass jeder das muss. "Warum", das konnte ich mir nicht erklären. Ich habe meine Gottesdienste abgesessen und mich gelangweilt. Irgendwann war dann Konfirmation und ich habe von allen möglichen Leuten Geld bekommen, und auch da wusste ich nicht, warum. Ich dachte, so ist das nun mal, so wird es immer sein.
Dass ich nicht an irgendeinen Gott glaube, ist mir erst im Studium einmal richtig bewusst geworden. Und dann gab es bei Facebook und anderen sozialen Netzwerken eine riesige Auswahl an Glaubensrichtungen und ich habe zum ersten Mal angefangen, darüber nachzudenken, woran ich überhaupt glaube. Ich glaube nicht an den Gott der evangelischen Kirche mit Kreation, Sünde und allem, was dazu gehört. Eine lange Zeit dachte ich, ich wäre wohl eher ein Agnostiker, der zwar nicht an Gott glaubt, aber anerkennt, dass es da irgendeine höhere Macht gibt. Das erschien mir logisch. Gott erschien mir nie logisch. Irgendwann fing ich an, sachlich zu denken.
In meiner Pädagogikprüfung zum ersten Staatsexamen lautete eines der Prüfungsthemen Humanistische Pädagogik (HP) mit Schwerpunkt auf der Transaktionsanalyse als eine aus der HP stammende Methode. Ich lernte Pestalozzi und Montessori näher kennen und konnte mein eigenes Handeln mit dem Hintergrund der HP sehr gut identifizieren - dementsprechend flüssig und angeregt lief dann auch die mündliche Prüfung. Daran hatte ich Spaß, das wurde eine sehr gute Prüfung, anders als der Konfirmandenunterricht, mit dem ich von Anfang bis Ende nichts anfangen konnte und mich immer wieder auf's method acting berufen musste.
Dann hieß es irgendwann Verbeamtung auf Probe a.k.a. Referendariat, und dort habe ich einen Eid abgelegt, der die Formel enthielt "...so wahr mir Gott helfe." - ich habe meine damalige Schulleiterin gefragt, ob ich das auch sagen muss, denn ich glaubte nicht mehr an Gott. Nein, musste ich nicht, und so las sie diese Formel vor, aber ich blieb schön still und lächelte höflich. In der Vorbereitung auf mein zweites Staatsexamen habe ich mich erneut viel auseinandergesetzt mit meiner pädagogischen Richtung. Ich habe mein Wissen über die HP vertieft und versucht, mein schulisches Handeln vor deren Hintergrund zu erklären. Das erschien drei der vier Prüfer (den Vorsitz hat sich, warum auch immer, der IQSH-Schulartvorsitzende als viertes Mitglied der Prüfungskommission gegönnt) nicht einleuchtend und so landete ich auf einer Drei in einem Portfoliogespräch, das mit meinem Portfolio nichts zu tun hatte.
Dass ich unabhängig von dieser willkürlich gesetzten Note trotzdem schulischen Erfolg hatte, bestätigte mich in dem Glauben, dass ich das Richtige tat. Mittlerweile hatte ich mit Kirchlichkeit nichts mehr am Hut. Mehr mit Menschlichkeit und dem Glauben an die eigenen, menschlichen Fähigkeiten. Und so kam ich dann irgendwann zum Buddhismus und entdeckte eher zufällig, dass viele meiner Lebenseinstellungen mit der buddhistischen Tradition übereinstimmten. Ich fing an, mich mit Glaubenssätzen und Lebensprinzipien auseinanderzusetzen. Ich bin immer noch am Anfang, aber ich habe mit einem Blick auf meine Abschlussabrechnung an der Neumünsteraner Schule beschlossen, dass ich keine fünfzig Euro Kirchensteuer monatlich mehr für etwas bezahlen möchte, was mir irgendwann aufoktruyiert wurde (oh, wie ich das Wort hasse), woran ich nicht glaube, wovon ich keinen Gebrauch mache, was mich nicht tangiert.
Somit bat ich vor ein paar Tagen beim Kieler Standesamt um einen Termin zum Kirchenaustritt. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass dann plötzlich alles so schnell ging: Die Standesbeamtin Frau K gab mir einen Termin, nur ein paar Tage später, und ich brauchte nur meinen Ausweis und zwanzig Euro Bearbeitungsgebühr. Ja, selbst der Kirchenaustritt kostet Geld, je nach Standort zwischen fünf und einhundert Euro. Das bekomme ich aber durch die gesparte Kirchensteuer zurück, die mir noch einen Monat extra abgeknöpft wird wegen einer Eigenart des Programms ("Aber die bekommen sie mit der nächsten Steuererklärung zurück!"). Frau K war unglaublich freundlich und überhaupt gut drauf. Und als Standesbeamtin hatte sie eine Uhr an einem Regenbogen-Armband. Egal, ob das nun etwas über ihre eigene Orientierung aussagen sollte oder einfach ein Statement zu ihrer Tätigkeit als Standesbeamtin war - ich fand es großartig!
So hat also dieser Kirchenaustritt, mit dem ich mich jahrelang getragen habe, nicht länger als zwölf Minuten gedauert. Es kann so einfach sein - und ich bin mit mir selbst einen Schritt weiter im Reinen.
post scriptum: Sieh' an, Frauke Petry wird aus der AfD austreten. Damit wird der Weg ein Stück freier in Richtung rechtsextreme Positionen - und damit hoffentlich auch in Richtung Selbstzerlegung der Partei.
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