Mittwoch, 27. September 2017
Es nervt! ...nicht mehr.
"MAAAAAN du Spast, fahr' nicht so dicht auf! Scheiße, gleich sind wir auf der B76, dann kannst Du überholen. Hallo? Hier sind fünfzig! Na super erst einschwenken und dann blinken, den Scheiß kannst du dir gleich komplett sparen. Ach ne, BMW, quelle surprise!"
So oder so ähnlich hat sicherlich jeder Autofahrer schonmal vor sich hin geschimpft. Extrem genervt, aufgeregt, was für ein Arsch sitzt da eigentlich in dieser Prollkarre! Seitdem der Theodor-Heuss-Ring am Waldwiesenkreuz ein paar hundert Meter lang fünfzig vorschreibt, kann ich mich jedesmal wieder ärgern über diese nervigen Autofahrer. Kann ich - könnte ich. Mache ich aber nicht mehr, denn ich habe Ruhe trainiert.
Das hat sich während der letzten Jahre Meditation ergeben. Ich meditiere im Liegen. Irgendwann habe ich mir vorgeschrieben, mich während der Meditation kein bisschen zu bewegen, den Körper quasi runterzufahren (in den Keller...). "Vorgeschrieben, wieso? Das ist doch eine Leichtigkeit, mache ich mit links!" Aber so einfach ist es nicht. Am Anfang ist es ganz leicht, es tut sogar sehr gut. Nach einem stressigen Tag, vielleicht mit aufregenden Erlebnissen, Streit oder persönlichen Niederlagen. All' diese ganzen Eindrücke erstmal setzen lassen, wunderbar, so kommt der Körper zur Ruhe. Das ist auch der Grund, warum man vor einer speziellen Meditation (wie z.B. Tonglen) zunächst fünfzehn bis zwanzig Minuten sitzen sollte.
Dann kann es allerdings schwierig werden. Ausgehend davon, dass mein Körper nun komplett ruhig ist, gibt es äußere Reize. Schönes Beispiel ist das Schwitzen nach einem warmen Bad: Das Entstehen eines Schweißtropfens nehme ich als mitunter intensiven Juckreiz war. Oh, wie gern würde ich nur einmal mit der Hand drüberwischen, geht ja auch ganz schnell, und danach kann ich ja weiter still liegen. Doch genau darum geht es mir: Körperbeherrschung. Den Juckreiz spüren, ihn aushalten, bis er wieder nachlässt. Ruhig bleiben, die ganze Zeit.
Anfangs war das echt schwierig, ich wollte nur mal eben die Hand anders hinlegen, nur einmal schnell die Wimpern, die sich verhakt hatten, richten. Vor acht Jahren war ich die ganze Zeit dabei, mich zu bewegen. Das kann ich auch ohne Meditation. Aber mit der Zeit bin ich stiller geworden und halte während der Meditation jeglichen Körperreiz aus, nehme ihn zur Kenntnis, lasse mich davon aber nicht ablenken.
Die Effekte des Trainings sind spürbar: Ich lasse mich weniger von Autofahrern reizen (auch wenn es ab und an dann doch passiert), ich lasse mich von Schülern nicht mehr so leicht auf die Palme bringen (und GemSchüler haben ein Händchen dafür!), ich habe keine Angst mehr vor Schmerzen; das macht den Gang zum Zahnarzt zu einem Kinderspiel und auch vor der OP am linken Zeigefinger hatte ich keine Angst.
Da wir unsere Mitmenschen, die uns wahnsinnig machen, nicht ändern können/sollten, liegt es also an uns selbst. Ich allein muss mich in die Lage bringen, die Situation zu ertragen, egal, wie unangenehm sie auch sein mag. So findet man Wege, mit sich selbst und Anderen Freundschaft zu schließen.
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